Gerne zu Ihren Fragen:
1. Verkauf der Immobilie ohne aktuellen Erbschein?
Der bestehende Erbschein aus dem Jahr 2010 weist die Erbfolge nach dem vorverstorbenen Vater aus und betrifft folglich nur dessen Nachlasshälfte. Für die nun verstorbene Mutter liegt ein neuer Erbfall vor, der den Nachweis der Erbfolge über ihre ½-Miteigentumshälfte erfordert.
Da das Grundbuch derzeit noch die Mutter als Eigentümerin der anderen Hälfte ausweist, ist eine Grundbuchberichtigung erforderlich, bevor die Immobilie insgesamt veräußert werden kann. Ohne einen entsprechenden Erbnachweis (regelmäßig durch Erbschein oder notarielles Testament mit Eröffnungsvermerk) wird das Grundbuchamt die Berichtigung verweigern, und der Notar kann keinen lastenfreien Eigentumsübergang beurkunden.
Die ständige Rechtsprechung verlangt, dass beim Verkauf einer Immobilie sämtliche Eigentümer im Grundbuch als Berechtigte eingetragen oder deren Rechtsnachfolge durch geeignete Urkunden belegt ist.
Ergebnis: Ein Verkauf ohne aktuellen Erbschein (oder gleichwertigen Nachweis der Erbfolge nach der Mutter) ist praktisch ausgeschlossen. Der alte Erbschein reicht nicht aus.
2. Grundbuchberichtigung
Vor dem Verkauf muss also zunächst das Grundbuch hinsichtlich der Mutterhälfte berichtigt werden. Dies setzt regelmäßig einen gemeinschaftlichen Erbschein voraus, aus dem die Erben nach der Mutter hervorgehen. Alternativ kann der Nachweis auch durch ein eröffnetes notarielles Testament oder einen Erbvertrag geführt werden, falls ein solcher existiert.
Das Grundbuchamt verlangt den Erbnachweis nur für die neu vererbte Hälfte, nicht nochmals für die bereits berichtete Vaterhälfte.
3. Generalvollmacht des Bruders
Eine privatschriftliche, nicht notariell beurkundete Generalvollmacht genügt gegenüber dem Grundbuchamt oder einem beurkundenden Notar nicht als Erbnachweis. Solche Vollmachten entfalten nur zivilrechtliche Wirkung zwischen den Beteiligten, nicht jedoch gegenüber Behörden oder dem Grundbuchamt (ständige Rspr.)
Ein Verkauf der Immobilie wäre daher allenfalls möglich, wenn:
- alle Erben gemeinschaftlich (einvernehmlich) im notariellen Kaufvertrag auftreten oder
- ein notariell beurkundeter oder öffentlich beglaubigter Nachweis der Vollmacht vorliegt, der den Vollmachtgeber als Erben eindeutig ausweist.
Ergebnis: Im vorliegenden Fall ersetzt die privatschriftliche Generalvollmacht den Erbschein mithin nicht.
4. Zugriff auf das Girokonto / Begleichung der Heizölrechnung
Banken und Sparkassen dürfen den Kontozugriff grundsätzlich erst nach Vorlage eines Erbnachweises gewähren. Ein privatschriftlicher Erbnachweis reicht dabei regelmäßig nicht aus.
Die Kreditinstitute handeln hierbei rechtmäßig, da sie nur so vor unberechtigtem Zugriff Dritter geschützt sind (nach meiner Erfahrung ständige Praxis und bestätigt nach BGH)
Lediglich laufende Nachlassverbindlichkeiten (z.B. Beerdigungskosten) können im Ausnahmefall gegen Vorlage geeigneter Belege und einer gemeinsamen Erklärung aller - ausnahmsweise auch mehrheitlich) bekannten Erben beglichen werden. Für höhere Aufwendungen wie vorliegend Heizöl als laufende Unterhaltungskosten besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch auf Freigabe des Kontos ohne Erbnachweis. Nach meiner Erfahrung aber im Rahmen der Kulanz des Backoffice der Bank möglich, sofern notwendige Wintersicherung des Objekts glaubhaft gemacht wird.
Wichtig ist allerdings die Abgrenzung zwischen materieller Rechtslage und bankrechtlicher Praxis:
Materiellrechtlich dürfen solche Aufwendungen vom Nachlasskonto beglichen werden, wenn sie notwendig sind, um Schaden vom Nachlass abzuwenden.
Bankpraktisch wird die Bank aber ohne Erbnachweis regelmäßig nicht eigenständig Gelder freigeben, da sie sich nicht sicher sein kann, ob die handelnden Personen wirklich Erben sind. Ist aber Verhandlungssache auf der Basis von Glaubhaftmachung.
Ergebnis: Die Sparkasse darf die Zahlung verweigern, bis ein Erbnachweis vorgelegt wird. Praktikabel wäre hier ggf. eine Zwischenlösung über gemeinsames Nachlasskonto oder Vorschussfinanzierung durch die Erben.
5. Zusammenfassendes Ergebnis
Ein Verkauf ohne aktuellen Erbnachweis nach der Mutter ist nicht möglich.
Der alte Erbschein belegt nur die Erbfolge nach dem Vater und reicht nicht aus.
Die Generalvollmacht des Bruders ist nicht ausreichend, da sie weder öffentlich beglaubigt noch notariell beurkundet ist.
Das Grundbuch muss vor dem Verkauf berichtigt werden.
Die Sparkasse handelt rechtmäßig, wenn sie ohne neuen Erbnachweis keinen Zugriff gewährt. Ausnahmen zu baulichen Sicherung des Objekts wäre Verhandlungssache.
Mein Votum ersetzt keine umfassende anwaltliche Prüfung der Originalurkunden und Grundbuchlage. Es beruht ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Angaben und dient einer ersten rechtlichen Einschätzung nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Eine verbindliche Beurteilung setzt die Einsicht in den Erbscheinantrag, das Grundbuchblatt sowie ggf. die Vollmachtsurkunde voraus. Ich denke dennoch, Ihre Fragen hilfreich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Bedarf nutzen Sie die Nachfrageoption.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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