Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gemäß § 3 Nr. 1
und 2 Pflichtversicherungsgesetz kann der Geschädigte seinen Schaden direkt bei dem Versicherer des Schädigers anmelden, der mit seinem Versicherten (dem Schädiger) als Gesamtschuldner haftet.
Da der Versicherer also selbst in Haftung genommen werden kann, steht ihm auch eine eigene Prüfungskompetenz zu.
Ihnen gegenüber folgt diese Kompetenz aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung, die Sie im Rahmen des Vertragaschlusses mit Ihrem Versicherer akzeptiert haben.
Wie Sie bereits festgestellt haben, heisst es dort:
"Der Versicherer gilt als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Person Ansprüche... zu befriedigen oder abzuwehren."
Demgemäß haben Sie Ihren Versicherer im Rahmen des Vertragsschlusses bevollmächtigt, in Ihrem Namen und mit Wirkung für Sie zu entscheiden, ob und in welcher Höhe Ansprüche reguliert werden.
Aufgrund dieser Vollmacht kann der Versicherer vollumfänglich autonom tätig werden und muss Sie nicht informieren bzw. Ihre Zustimmung einholen oder mit Ihnen Rücksprache halten.
Wenn Sie diese Entscheidung des Versicherers überprüfen möchten, sollten Sie um Übersendung des Kostenvoranschlags bitten, damit Sie zumindest wissen, welche Schadensdarlegung die Regulierungsgrundlage gebildet hat. Vielleicht macht der Kostenvoranschlag ein Schadensbild nachvollziehbar, dass mit dem bloßen Auge so nicht erkennbar war, so dass die Regulierung Ihres Versicherers nachvollziehbar wird.
Ich hoffe Ihnen auf diesem Weg eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jens Jeromin
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Jens Jeromin
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Sehr geehrter Herr Jeromin,
vielen Dank für Ihre überaus prompte Beantwortung meiner Frage.
Ihre Antwort hat mir geholfen da sie einige Aspekte angesprochen hat über die ich mir nicht im Klaren war.
Eine Sache will mir aber nicht in den Kopf u. ich hoffe Sie betrachten es nicht als unangemessen wenn ich deshalb noch eine Frage nachschiebe besser gesagt den angesprochenen Punkt der Pflichten der Versicherung gerne behandelt sehen würde.
Ich habe verstanden das die Versicherung das Recht hat in meinem Namen zu handeln ohne mich zu informieren oder mit mir Rücksprache zu halten.
Die Versicherung hat aber doch nicht nur Rechte sondern auch Pflichten, deren Erfüllung man auch in irgendeiner Form einfordern können muss. Es kann meinem Rechtsempfinden nach nicht sein das ich mich mit der Meldung des Vorfalles (ich vermeide es absichtlich das Wort Schaden zu nennen) in der Sache automatisch selbst entmündigt habe u. die Versicherung praktisch "Narrenfreiheit" besitzt und machen kann was für sie selbst am besten ist.
Wie sieht es mit der Pflicht der Versicherung aus möglicherweise oder gar voraussichtl. nicht gerechtfertige Ansprüche anzuzweifeln oder abzulehnen?
Ich meine noch eindeutiger als das augenscheinlich kein Schaden entstanden ist, ein Beweisfoto vorliegt und 2 Polizisten als
Zeugen vorhanden sind kann ein Fall ja eigentlich nicht liegen und wenn das schon nicht geeignet ist die Versicherung zu verpflichten einen Fall genauer zu betrachten (ich unterstelle jetzt einfach mal das ist nicht passiert), kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen in welchem Fall überhaupt die Voraussetzungen gegeben wären das eine Versicherung eine Forderung in Frage zu stellen u. ggf. abzulehnen hätte.
Da wohl jede Versicherung natürlich bestrebt sein wird den Aufwand der Abwicklung auf ein Minimum zu reduzieren und es bei Bagatellschäden (bei denen letztlich der Versicherungsnehmer dafür gerade stehen wird) für diese auf alle Fälle immer einfacher, sprich billiger, sein wird den Schaden zu regulieren statt anzuzweifeln, würde das bedeuten das bei allen Fällen in denen aufgrund der Höhe eines Schadens kein Gutachter erforderlich ist in JEDEM Fall gezahlt wird sobald ein Kostenvoranschlag vorliegt, ganz gleich ob tatsächl. ein Schaden entstanden ist oder nicht.
Ein Bagatellschaden würde also in der Praxis nie angezweifelt werden und derjenige der einen Kostenvoranschlag vorlegt wird automatisch immer Geld bekommen. Der Versicherungsnehmer wird dabei immer der Dumme sein, ganz egal ob und was passiert ist.
Ich würde daraus folgern in Zukunft so einen Vorfall besser nicht bei der Versicherung zu melden, da ich mir damit automatisch die
die Chance vertun würde die Angelegenheit selbst zu regeln.
P.S.:
Bevor ich meine ursprüngl. Frage gestellt habe, habe ich natürlich zuerst im Internet gesucht ob ich nicht vielleicht etwas finde das meinem Fall ähnelt u. das mir evtl. weiter helfen könnte. Da das nicht der Fall war habe ich meine Frage gestellt.
Während ich nun die obigen Zeilen formuliert habe, habe ich zufällig im Internet folgendes gefunden das nicht nur alle Kernpunkte meiner Zweifel anspricht, sondern auch meinem oben dargelegten subjektiven Rechtsempfinden ganz genau entsprechen und Ihrer fachl. Einschätzung eher widersprechen würde:
AG Erfurt, Urteil vom 16.03.2004 - 13 C 3998/03
(NJOZ 2004, 1231
)
Ein Kfz-Haftpflichtversicherer ist bei Bagatellschäden verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Regulierung des Gesamtschadens anzubieten. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, verletzt er eine vertragliche Nebenpflicht mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer Freistellung von dem aus diesem Unfallereignis herrührenden Prämienerhöhungen verlangen kann. Wendet der Versicherungsnehmer gegenüber seiner eigenen
Kfz-Haftpflichtversicherung ein, dass aus seiner Sicht kein Schaden am gegnerischen Fahrzeug entstanden sein kann, ist die Kfz-Haftpflichtversicherung verpflichtet, einen Sachverständigen zur Begutachtung einzuschalten.
Außerdem darf sich der Haftpflichtversicherer in einem solchen Fall nicht auf den Kostenvoranschlag einer Reparaturwerkstatt und auf die Schadensdarstellung des Geschädigten verlassen.
Obwohl meine Nachfrage nur einen Punkt betrifft, nämlich den der Erfüllung der Pflichten des Versicherers, auf den Sie wie ich meine zu wenig eingangen sind, ist das alles nun doch umfangreicher geworden als ich zunächst gedacht habe. Insbesondere nachdem ich das betreffende, oben zitierte Gerichtsurteil gefunden habe würde mich ein Kommentar von Ihnen sehr interessieren. Wenn Sie der Meinung sind das die ursprüngl. angebotene Betrag dafür nicht ausreichend ist oder dafür eine seperate Anfrage nötig ist, bitte ich Sie mir das mit einem konkreten Hinweis mitzuteilen und möchte mich schon jetzt dafür entschuldigen falls ich zu viel verlangt habe. Ich benutze diesen online Rechtsberatungs-Service (die Idee dazu finde ich übrigens fantastisch) zum 1. Mal u. tue mir sehr schwer einzuschätzen was wieviel Aufwand ist.
mit freundlichen Grüssen
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich auch Ihre Nachfrage.
Nach den bereits erwähnten allgemeinen Versicherungsbedingungen steht die alleinige Regulierungbefugnis ( § 10 Absatz 5) dem Versicherer zu.
Er hat dabei ein "pflichtgemäßes Ermessen" anzuwenden.
Dies ist die einzige Pflicht aus dem Vertragsverhältnis.
Bei der von Ihnen zitierten Entscheidung handelt es sich um eine einzelne Entscheidung eines Untergerichtes ohne Bestätigung durch Obergerichte, die im Gegenteil eine andere Sicht vertreten.
So verweise ich auf LG Mönchengladbach, 17.4.1998, Az. 2 S 29/98
(r + s 98, 271):
"Der Kfz-Haftpflichtversicherer ist auf Grund der ihm nach § 10 V AKB erteilten Regulierungsvollmacht befugt, die Schadenfeststellung und -regulierung nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen durchzuführen. Der Versicherungsnehmer kann die mit der Rückstufung im Schadenfall verbundenen Vermögensnachteile aus dem Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung (angeblich unsachgemäße Regulierung) nur dann vom Versicherer ersetzt verlangen, wenn dieser völlig unsachgemäß reguliert, insbesondere offensichtlich unbegründete Schadenersatzansprüche befriedigt hat."
ferner
LG Coburg, Az. 32 S 11/00:
Dem Versicherer steht ein Ermessen zu. Darin darf er auch prozesstaktische und wirtschaftliche Erwägungen einfliessen lassen. Natürlich muss er sich ein Bild vom Schadenshergang verschaffen, die Rechtslage prüfen und die Erfolgsaussichten abschätzen. Nur wenn eine solche Prüfung völlug unterbleibt, der Versicherer also "auf gut Glück" reguliert, muss der Versicherte die Regulierung nicht gegen sich geltend machen.
ferner
OLG Frankfurt, Urteil vom 18.12.2002, Az. 7 U 54/02
(VersR 2003, 588
)
"Die Leistungspflicht des Versicherers in der Haftpflichtversicherung umfasst die Prüfung der Haftpflichtfrage gem. §§ 149
, 150 VVG
, § 3 II Nr. 1 AHB. Sie ist auf die Befriedigung berechtigter bzw. die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche gerichtet. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherers, darüber zu entscheiden, ob die Ansprüche des Dritten als berechtigt anzuerkennen oder als unberechtigt abzuwehren sind."
Mit Blick auf die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung besteht daher lediglich die Pflicht des Versicherers sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben.
Ob er dies getan hat, kann ich aus der Ferne naturgemäß nicht beurteilen. Insoweit empfehle ich nochmals, um Einsicht in den Kostenvoranschlag zu nehmen, eventuell liegen diesem auch Lichbilder an. Denkbar ist, dass ein Schaden hinter der Stosstange entstanden ist, der äußerlich nicht erkennbar ist.
Selbstverständlich können Sie unter Hinweis auf das Erfurter Urteil von Ihrem Versicherer verlangen, dass dieser Ihnen gegenüber keine höheren Prämien geltend macht- die von mir zitierte Rechtsprechung stützt dies aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Jeromin
Rechtsanwalt