Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gern wie folgt beantworten möchte:
Ihr erster Fragenkomplex richtete sich danach, ob die Auffassung des Jobcenters richtig ist, dass Sie mit Ihrem Freund eine Einstandsgemeinschaft bilden, obwohl Sie keine Leistungen von Ihrem Freund erhalten.
Nach Ihren Informationen fällt es leider ausgesprochen schwer, diese Feststellung des Jobcenters zu widerlegen.
Grund hierfür ist § 7 Abs. 3a SGB II
. Damit gibt der Gesetzgeber dem Jobcenter u.a. das Recht, eine Einstandsgemeinschaft zu vermuten, wenn die Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben
3. …
4. …
Damit steht erst einmal eine Vermutung für eine Einstandsgemeinschaft, die Sie widerlegen müssen.
Das wäre u.U. noch möglich, was die Ziffer 1 betrifft, da nach der Rechtsprechung allein das Zusammenleben nicht ausreicht. Zusätzlich müssten Sie auch gemeinsam wirtschaften, was Ihnen das Jobcenter nachweisen müsste. Nach Ihren Angaben ist Ihr Problem aber ja offenbar gerade, dass Sie nicht gemeinsam wirtschaften.
Allerdings leben Sie mit einem gemeinsamen Kind zusammen. Als Vater des Kindes ist Ihr Freund diesem gegenüber gem. § 1601 BGB
unterhaltsverpflichtet. Vor diesem Hintergrund lässt sich nur schwer argumentieren, dass keine Einstandsgemeinschaft vorliegt. Denn würden Sie getrennt leben, hätten Sie Anspruch auf Unterhalt für Ihr Kind in bar – dann kann es nicht sein, dass sein Einkommen jetzt keine Rolle spielt.
Zusätzlich haben Sie erwähnt, dass Sie beide mietfrei wohnen. Ich kann das nicht ganz einordnen, vermute aber, dass dies einen familiären Hintergrund hat. Soweit Sie beide gleichermaßen von dieser Wohnsituation profitieren, spricht dies ebenfalls eher für eine Einstandsgemeinschaft.
Grundsätzlich ist die Frage, ob Ihr Freund verantwortlich für Ihren Lebensunterhalt und den Ihres Sohnes ist, nach meiner jetzigen Einschätzung mit Ja zu beantworten.
Allerdings nicht in jedem Fall – jedenfalls nicht, wenn er dafür nicht aufkommen kann.
Hier wird man jedoch differenzieren müssen – soweit Ihr Freund das Geld zur „Befriedigung eigener Bedürfnisse" einsetzt, wird er hier unter Umständen Abstriche machen müssen. Es heißt ja nicht ganz umsonst „Einstandsgemeinschaft" und spiegelt die Erwartung der Gesellschaft wieder, dass Menschen, die sich nahe stehen, auch füreinander einstehen, bevor sie Hilfe von der Allgemeinheit bekommen.
Allerdings haben Sie auch erwähnt, dass von dem Einkommen Ihres Freundes Schulden bezahlt werden. Solche Verpflichtungen werden in vollem Umfang angerechnet, wenn die Schulden vor dem gemeinsamen Zusammenleben entstanden sind.
Das bedeutet, dass der Nettolohn nicht nur um den nach § 11 b SGB II
bereinigte Betrag in vollem Umfang angerechnet werden darf.
Ich würde Ihnen deswegen empfehlen, noch einmal zu überprüfen, ob Sie dem Jobcenter in diesem Punkt alle relevanten Informationen zur Verfügung gestellt haben. Ganz besonders die zusätzlichen Belastungen, die Ihr Freund zu tragen hat und wegen der er Sie nicht unterstützen kann.
Da ich nicht weiß, um welche Verpflichtungen es geht und ihren Umfang nicht kenne, lässt sich schwer prognostizieren, ob sich dadurch eine Änderung in der Auffassung des Jobcenters ergeben kann.
Es tut mir Leid, dass ich Ihnen keine positivere Antwort geben kann. Ich hoffe, dass ich Ihnen trotzdem ein wenig weiterhelfen konnte. Wenn etwas unklar geblieben ist, stehe Ihnen gerne über die kostenlose Nachfragefunktion weiter zur Verfügung.
Rein vorsorglich, aber immer wieder wichtig: Bei den hier gegebenen Antworten handelt es sich regelmäßig lediglich um eine erste Orientierung für Sie, um Ihnen einen Eindruck von der rechtlichen Lage zu vermitteln. Die „klassische" Erstberatung bei einem Anwalt kann nur bei ganz konkreten Fragen ersetzt werden, denn häufig ergeben sich später weitere Punkte. Auch können manche Tatsachen und Umstände, die nicht erwähnt wurden oder gar nicht zutreffen, zu einer völlig anderen rechtlichen Bewertung führen.
Aber wenn Sie bisher zufrieden waren und weitergehenden Beratungsbedarf haben, können Sie sich gern direkt bei mir melden.
Mit freundlichen Grüßen
Jörn Blank
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Jörn Blank
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Rechtsanwalt Jörn Blank
Sehr geehrter Herr Blank,
erstmal vielen Dank für die schnelle Antwort!
Ich habe jetzt die Verpflichtungszahlungen meines Freundes zusammen gestellt:
1. Kreditratenzahlung: 157€ monatl.
2. Kreditratenzahlung: 138,70€ monatl. (Auto)
3. Kreditrate: 230€ monatl. ( UMSCHULDUNG: ist während dem Zusammenleben entstanden , alle alten Kredite, die vor dem Zusammenleben entstanden sind wurden ausgezahlt, dafür hat er jetzt eine neue einzelne Kreditrate)
4. Ratenzahlung: 100€ monatl. (Eltern haben ihm damals 5000€ geliehen, wurde mündlich vereinbart, dass er das Geld monatlich abbezahlt, war vor ca. 2 Jahren, schriftlichen Vertrag kann man ja noch nachträglich erstellen, falls dieser nötig ist)
Fitnesscentergebühr: 50,00€ monatl.
Handyvertrag: 30,00€ monatl. (Grundgebühr)
Öffentliche Verkehrsmittel: 192€ (Weg Zur Arbeit & zurück)
Haftpflichtversicherung: 11,39 monatl. (wird vierteljährlich berechnet 34,15€)
Kfz-Versicherung: 56,28€ monatl. (wird vierteljährlich berechnet 168,85€)
Fondrente: 32,17€ monatl.
Berufsunfallversicherung: 27,83€ monatl.
Entgeldabrechnung der Bank: 5 - 10 € monatl.
GEZ Gebühr: 18€ monatl. (wird vierteljährlich berechnet ca. 54€)
ADAC Beitrag: 8,23€ monatl. (wird jährlich berechnet 98,70€/ haben wir während dem Zusammenleben zusammen abgeschlossen)
WertgarantieVersicherung: 5,20€ monatl. (wird jährlich berechnet 61,95€)
Müllgebühren: 13,25 € monatl. (Jahresgebühr liegt bei 159€)
Hundesteuer: 8 € monatl. (Jahresgebühr liegt bei 96€)
Alles ohne zusätzliche Angaben wurde vor dem Zusammenleben abgeschlossen. Bausparvertrag monatl. von 75€ und Sparrate fürs Sparbuch von 100€ habe ich nicht mitgezählt.
Das Jobcenter rechnet mit einem Einkommen von 1923,23€ wegen der Einkommenbescheinigung, weil das Urlaubsgeld in dem zu berechnetem Monat dazu gekommen ist. Auf der Bescheinigung steht aber DEUTLICH, dass so und so viel Euro Urlaubsgeld dazu gekommen ist!
Das Jobcenter schreibt, dass das oben genannte Einkommen berücksichtigt wurde, obwohl aus den Kontoauszügen ersichtlich ist, dass er ein Einkommen zw. 1700€ - 1800€ hat, aber dies würde am Ergebnis der Berechnung nichts ändern würde.
Der Durchschnitt der letzten 3 Lohnüberweisungen beträgt jedoch 1787,67€, also kann maximal von 1800€ Einkommen ausgegangen werden! (hoffe ich)
Brechnet man jetzt alles neu, mit einem Einkommen von 1800€ abzüglich eines Freibetrages (laut Jobcenter 393,34€, weiß nicht, ob das am Einkommen angepasst werden muss), abzüglich der Regelleistung 328€ (Lebensunterhalt für meinen Freund selbst) und abzüglich der genannten Zahlungsverpflichtung bleibt kein Einkommen mehr übrig, sogar ein Minus von 9,84€.
So müsste dem Jobcenter doch klar sein, dass er nicht noch den Lebensunterhalt von uns mitfinanzieren kann. Er müsste mich sogar zusätzlich noch krankenversichern, das ist doch gar nicht möglich!
Ich hoffe, Sie können anhand der Angaben genauer einschätzen, was das Jobcenter dazu sagen wird. Vielleicht können Sie mir noch den Paragraphen nennen, in dem drin steht, dass bei Schulden und etc. nicht nur der Freibetrag abgezogen werden darf, sondern auch das berücksichtigt werden muss.
Vielen vielen Dank!!! Sie sind mir wirklich eine sehr große Hilfe ;-)
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Fragestellerin,
zunächst einmal vielen Dank für die freundliche Bewertung. Ich hoffe, ich kann dem auch bei der Beantwortung Ihrer Nachfrage gerecht werden.
Wegen des Einkommens, dass das Jobcenter zugrunde gelegt hat: Einkommen wird grundsätzlich in dem Monat angerechnet, in dem es „zufließt" (§ 11 Abs. 3 SGB II
). Insoweit ist nichts daran auszusetzen, wenn es für den aktuellen Monat das Urlaubsgeld berücksichtigt. Wenn sich im Verhältnis zum Bedarf Ihrer Einstandsgemeinschaft noch ein Überschuss ergibt, dann kann das Jobcenter diesen Überschuss auch auf den Folgemonat anrechnen.
Was natürlich nicht geht, ist, den Betrag zu nehmen und als Einkommen in jedem Monat gleich anzusetzen. Insoweit ist Ihre Hoffnung berechtigt, dass sich jedenfalls im Ergebnis (der Rechenweg ist etwas anders) eine Art durchschnittliches Einkommen ergibt und die Monate mit weniger Gehalt berücksichtigt werden müssen.
Was den Freibetrag angeht, hatte ich die einschlägige Norm des § 11 b SGB II
bereits genannt. Wenn das Jobcenter ein zu hohes Einkommen berücksichtigt hat, wird dieser vermutlich etwas sinken, da sich der Freibetrag teilweise prozentual vom Bruttolohn ausgehend berechnet.
Einen Paragraphen, der besagt, dass die früher entstandenen Schulden Ihres Freundes von dem zur Verfügung stehenden Einkommen abgezogen werden müssen, gibt es leider nicht. Allerdings auch keinen, der das Gegenteil besagen würde. Dies ist vielmehr die „Stunde der Gerichte". Und in diesem Fall hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 28.10.2005 (Az.: S 37 AS 4925/05
) entschieden, dass solche Tilgungsraten vom Einkommen nach § 11 SGB II
abzusetzen sind.
Damit ist zwar nicht gesagt, dass andere Gerichte nicht anders entscheiden würden – allerdings ist die Argumentation des Gerichtes durchaus überzeugend.
Zum Hintergrund: Wenn ein Leistungsempfänger Schulden hat, wird das grundsätzlich nicht berücksichtigt. Das Standardargument: Würde man die Schulden berücksichtigen, müsste die Allgemeinheit für private Verbindlichkeiten aufkommen.
In dem Fall einer eheähnlichen Bedarfsgemeinschaft, die auch erst seit einem Jahr besteht, entsteht der Wille zum gegenseitigen Einstehen aber erst. Rechtlich sind Sie hierzu jetzt auch bereits gezwungen, weil eine Einstandsgemeinschaft besteht. Würde man zu diesem immer noch relativ frühen Zeitpunkt auch noch die Tilgungsraten des nichtbedürftigen Teils der Einstandsgemeinschaft ignorieren, könnte der sich (hoffentlich) entwickelnde „Einstandswille abgewürgt" werden.
Eine ähnliche Argumentation (aber anderer Fall) findet sich auch in einem Urteil des SG Chemnitz vom 08.12.2005 (Az. S 6 AS 260/05
).
Ob sich allerdings auch bei Anrechnung der Tilgungsraten ein Bedarf ergibt, kann ich auch nach Ihren zusätzlichen Angaben nicht beurteilen.
Denn zum einen gehören einige der Positionen bereits zu den Dingen, die vom Regelsatz bezahlt werden müssten, bzw. können nicht vom verfügbaren Einkommen abgezogen werden. Beispielsweise Fitnessstudio oder Handyrechnung. Hier mögen die entsprechenden Verträge früher geschlossen worden sein, aber die Zahlungsverbindlichkeit entsteht jeden Monat neu.
Zum anderen werden auch andere Posten nicht vollständig in Abzug gebracht werden können. So ist in den 393 €, die das Jobcenter als Freibetrag ausgerechnet hat, bereits ein Grundfreibetrag in Höhe von 100 € enthalten. Damit sind beispielsweise Fahrkosten zur Arbeit pauschal ausgeglichen. Sie können zwar die höheren Kosten geltend machen – aber davon wird der Grundfreibetrag wieder abgezogen, den Ihr Freund sowieso bekommen würde. In diesem konkreten Fall erhöht sich der Freibetrag deshalb nicht um 192 €, sondern nur um 92 €.
Unabhängig davon sollten Sie jedoch Widerspruch gegen den Bescheid einlegen, auf das o.g. Urteil verweisen und unter Beifügung weiterer Belege eine Neuberechnung erwirken.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Norden
Jörn Blank
Rechtsanwalt
Sehr geehrte Fragestellerin,
Sie haben zwar (noch) nicht die kostenlose Nachfragefunktion genutzt, aber eine Sache ist mir beim zweiten Lesen meines Textes aufgefallen, bei der ich nicht sicher bin, ob mir selbst klar wäre, was ich damit meine.
Es handelt sich um den Satz "Das bedeutet, dass der Nettolohn nicht nur um den nach § 11 b SGB II
bereinigte Betrag in vollem Umfang angerechnet werden darf." Aus diesem Satz müssten Sie die Worte "in vollem Umfang" streichen, damit er einen Sinn ergibt.
Ich möchte dies noch einmal ausführlicher erklären:
Gemäß § 11 b SGB II
werden bereits per Gesetz Beträge von dem vom Jobcenter zu berücksichtigenden Einkommen abgezogen. Beispielsweise die Steuern, Krankenversicherung, Beiträge für die Altersvorsorge, um nur die Wichtigsten zu nennen. Aber auch eine Pauschale von 20, bzw. 10 Prozent des monatlichen Einkommens, § 11 b Abs. 3 SGB II
.
Zumindest wegen der letzgenannten Pauschale dürfte das für das Jobcenter relevante Einkommen Ihres Freundes bei unter 1.700 € liegen.
Von diesem Betrag muss das Jobcenter dann die Verpflichtungen (z.B. Raten wegen Schulden)Ihres Freundes abziehen, die bereits vor Ihrem Zusammenleben bestanden haben.
Ob das Jobcenter dann einen Bedarf zu Ihren Gunsten errechnet, kann ich natürlich immer noch nicht beurteilen - das hängt im Wesentlichen davon ab, wieviel Ihr Freund für die "Befriedigung eigener Bedürfnisse" verbraucht.
Ich hoffe damit, eine kleine Unklarheit bereits im Vorwege ausgeräumt zu haben und wünsche Ihnen alles Gute.
Beste Grüße aus dem Norden
Jörn Blank
Rechtsanwalt