Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
aufgrund des von Ihnen dargelegten Sachverhaltes und vor dem Hintergrund Ihres Einsatzes beantworte ich Ihre Anfrage im Rahmen einer Erstberatung wie folgt:
Die von Ihnen angesprochene Insolvenzverschleppung ist in § 84 GmbHG
unter Strafe gestellt. Dieser lautet wie folgt:
§ 84 - GmbHG
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es
1. als Geschäftsführer unterläßt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen, oder
2. als Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 1 oder als Liquidator entgegen § 71 Abs. 4 unterläßt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen.
(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
Nach § 84 I Nr. 2 GmbHG
ist die verzögerte bzw. nicht erfolgte Antragsstellung durch Geschäftsführer einer GmbH somit nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unter Strafe gestellt.
Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die liquiden Mittel nicht ausreichen, um die fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu decken. Durch den BGH wurde im Jahr 2005 das Merkmal der Zahlungsunfähigkeit von der bloßen Zahlungsstockung wie folgt abgegrenzt und damit definiert:
- eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.
- Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird.
- Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldner 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
Des Weiteren hat der BGH entschieden, dass eine Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten für eine Zahlungseinstellung ausreicht und diese Zahlungsunfähigkeit begründet.
Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, § 19 II S. 2 InsO
. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist nach § 19 II 2 InsO
die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen wahrscheinlich ist.
Je nach der tatsächlichen Art und Höhe der fälligen Verbindlichkeiten und Ihrer konkreten „nicht so guten“ Bilanz sind beide Insolvenzeröffnungsgründe womöglich schon seit mehreren Wochen/Monaten/Jahren gegeben. Für die Zahlungsunfähigkeit aufgrund Zahlungseinstellung spricht jedenfalls die Nichtzahlung der Forderung aus April 06, es sei denn die Forderung ist unberechtigt. Dies und die konkrete Prüfung der Insolvenzgründe wäre im Einzelfall im Rahmen einer Mandatierung festzustellen.
Ein Insolvenzantrag ist nach dem Eintritt der Insolvenzgründe gem. § 64 GmbHG
„ohne schuldhaftes Zögern“, d.h. sofort zu stellen, es sei denn innerhalb der nächsten drei Wochen ist eine nachvollziehbare Besserung berechtigter Weise zu erwarten. § 64 GmbHG
lautet:
§ 64 - GmbHG
(1) 1Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. 2Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt.
(2) 1Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. 2Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 3Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.
Aus § 64 II GmbHG
können Sie somit ebenfalls entnehmen, dass sich die Geschäftsführer schadensersatzpflichtig machen, wenn Sie Zahlungen, die nicht ausnahmsweise nach S. 2 erlaubt sind, nach dem Vorliegen der Insolvenzgründe vornehmen.
Daher muss ich Ihnen auch von einer Begleichung der Verbindlichkeiten nach b) abraten. Dieses Vorgehen kann - je nach Ihrer Beteiligung an der Gesellschaft - unter anderem nach § 283c StGB
als Gläubigerbegünstigung strafbar sein.
Einen Sanierungsversuch sollten Sie aufgrund der geschilderten längeren schlechten Lage jedenfalls nur noch dann unternehmen, wenn dieser mit Sicherheit 150%ig erfolgreich sein wird, d.h. insbesondere sämtliche Gläubiger einbezogen und zustimmen werden bzw. die Insolvenzgründe durch Einlagen der Gesellschafter aufgehoben werden können. Dies hängt wiederum vom Einzelfall und den tatsächlichen Umständen ab. Beachten Sie jedoch, dass auch eine mögliche Sanierung die Geschäftsführer beim Vorliegen der Insolvenzgründe nicht von der benannten strafbewehrten Pflicht befreit, Insolvenzantrag zu stellen.
Sollten daher die oben aufgezeigten Insolvenzgründe vorliegen, muss ich Ihnen unbedingt raten, in unmittelbarer zeitlicher Nähe einen Insolvenzantrag über das Vermögen der GmbH zu stellen sowie ggf. rechtliche Beratung einzuholen.
Ich hoffe, dass Ihre Fragen in meinen Ausführungen zufrieden stellend beantwortet wurden und Ihnen eine erste Orientierung gegeben werden konnte. Andernfalls darf ich Sie auf die Möglichkeit einer für Sie kostenlosen Nachfrage hinweisen. Gerne stehe ich Ihnen auch bei der weiteren Wahrnehmung Ihrer Interessen zur Verfügung.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
http://www.ra-freisler.de
http://www.kanzlei-medizinrecht.net
Antwort
vonRechtsanwalt Martin P. Freisler
Wilhelmsstr. 3
55128 Mainz
Tel: 0 61 31 / 333 16 70
Web: https://www.ra-freisler.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Martin P. Freisler
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht
vielen dank für ihre ausführlichen informationen. nun habe ich noch eine frage:
bis zu der ersten nicht bezahlten rechnung haben wir unsere gmbh sauber und ordentlich geführt. top bilanzen. keine zahlungsprobleme... daraufhin haben wir einen gesellschafter gefunden der uns 100.000 euro darlehen für die gmbh zugesagt hat wenn er als gegenleistung 51 % anteile erhält. auf dieser neuen grundlage haben wir dann auf wunsch des neuen gesellschafters einen geschäftsplan für 3 jahre aufgestellt. danach sollte ich mich als geschäftsführer richten.
dieses habe ich auch gemacht. leider haben wir nie 100.000 euro erhalten. neue zusagen und termine wurden nicht eingehalten... die gmbh konnte natürlich die neuen kosten "kalkuliert auf 100.000" nicht tragen.... nun steh ich als geschäftsführer blöd da ... kann ich dieses bei der insolvenz angeben ? alles kann ich 100 % schriftlich belegen... besteht evtl. die möglichkeit dieses insolvenzproblem dem hauptgesellschafter "in die schuhe" zu schieben ?? beste grüße
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter selbstverständlich versuchen, ausstehende Einlagen bzw. sämtliche Forderungen der GmbHG geltend zu machen. Dazu würde dann auch die ausstehende Verpflichtung des "Dritten"-Gesellschafters gehören. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob diese werthaltig erscheint.
Je nach der tatsächlichen Lage, kann auch (noch) eine gerichtliche Geltendmachung der Einlage in Betracht kommen. Für die Beurteilung müssten jedoch die tatsächlichen Umstände vollständig ausgewertet werden.
Die wirtschaftlichen oder auch persönlichen Hintergründe berühren jedenfalls nicht die Pflicht der Geschäftsführer, bei Insolvenzreife innerhalb der benannten Frist Insolvenzantrag zu stellen.
Je nach Lage und Dauer einer berechtigten Aussicht auf die Einlage, und damit ggf. dem Wegfall einer Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung, ist dieser Sachverhalt bei der Beurteilung des Eintritts der Insolvenzgründe beachtlich.
Zur tatsächlichen Beurteilung der Lage und der rechtlichen Möglichkeiten, kann ich Ihnen daher wiederum nur raten, zeitnah Rechtsrat einzuholen sowie bei Vorliegen der Insolvenzgründe Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
Dabei stehe ich Ihnen jederzeit gerne unterstützend zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
www.ra-freisler.de
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter selbstverständlich versuchen, ausstehende Einlagen bzw. sämtliche Forderungen der GmbHG geltend zu machen. Dazu würde dann auch die ausstehende Verpflichtung des "Dritten"-Gesellschafters gehören. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob diese werthaltig erscheint.
Je nach der tatsächlichen Lage, kann auch (noch) eine gerichtliche Geltendmachung der Einlage in Betracht kommen. Für die Beurteilung müssten jedoch die tatsächlichen Umstände vollständig ausgewertet werden.
Die wirtschaftlichen oder auch persönlichen Hintergründe berühren jedenfalls nicht die Pflicht der Geschäftsführer, bei Insolvenzreife innerhalb der benannten Frist Insolvenzantrag zu stellen.
Je nach Lage und Dauer einer berechtigten Aussicht auf die Einlage, und damit ggf. dem Wegfall einer Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung, ist dieser Sachverhalt bei der Beurteilung des Eintritts der Insolvenzgründe beachtlich.
Zur tatsächlichen Beurteilung der Lage und der rechtlichen Möglichkeiten, kann ich Ihnen daher wiederum nur raten, zeitnah Rechtsrat einzuholen sowie bei Vorliegen der Insolvenzgründe Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
Dabei stehe ich Ihnen jederzeit gerne unterstützend zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
www.ra-freisler.de
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter selbstverständlich versuchen, ausstehende Einlagen bzw. sämtliche Forderungen der GmbHG geltend zu machen. Dazu würde dann auch die ausstehende Verpflichtung des "Dritten"-Gesellschafters gehören. Dabei kommt es jedoch darauf an, ob diese werthaltig erscheint.
Je nach der tatsächlichen Lage, kann auch (noch) eine gerichtliche Geltendmachung der Einlage in Betracht kommen. Für die Beurteilung müssten jedoch die tatsächlichen Umstände vollständig ausgewertet werden.
Die wirtschaftlichen oder auch persönlichen Hintergründe berühren jedenfalls nicht die Pflicht der Geschäftsführer, bei Insolvenzreife innerhalb der benannten Frist Insolvenzantrag zu stellen.
Je nach Lage und Dauer einer berechtigten Aussicht auf die Einlage, und damit ggf. dem Wegfall einer Zahlungsunfähigkeit / Überschuldung, ist dieser Sachverhalt bei der Beurteilung des Eintritts der Insolvenzgründe beachtlich.
Zur tatsächlichen Beurteilung der Lage und der rechtlichen Möglichkeiten, kann ich Ihnen daher wiederum nur raten, zeitnah Rechtsrat einzuholen sowie bei Vorliegen der Insolvenzgründe Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
Dabei stehe ich Ihnen jederzeit gerne unterstützend zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
www.ra-freisler.de