Sehr geehrter Fragestellerin,
nach Ihrer Schilderung liegt ein wirksamer Vollstreckungstitel aus dem Jahr 2014 vor, der ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die Forderung wurde 2023 an die X-VerwaltungsGmbH abgetreten, die nunmehr die Forderung durch die X-InkassoGmbH geltend macht. Sie haben die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Zinsen erhoben, woraufhin diese herausgerechnet wurden. Die Abtretungserklärung und eine Vollmacht wurden Ihnen vorgelegt, wobei die genaue Forderungshöhe in der Abtretung nicht beziffert ist.
Im Folgenden beantworte ich Ihre Fragen im Einzelnen:
1. Form und Inhalt der Abtretungserklärung
Rechtliche Anforderungen an die Abtretungserklärung
Eine Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB) bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, es sei denn, das zugrundeliegende Rechtsgeschäft verlangt eine bestimmte Form. Für die Wirksamkeit der Abtretung ist es ausreichend, dass die Forderung bestimmbar ist. Die Forderung muss so genau bezeichnet werden, dass kein Zweifel darüber besteht, welche Forderung abgetreten wurde. Dies kann durch Angabe des Schuldners, des Gläubigers, der Forderungshöhe, des Grundes und/oder durch Bezugnahme auf ein Aktenzeichen oder einen Titel erfolgen.
Das Aktenzeichen eines Vollstreckungsbescheids genügt in der Regel zur Bestimmbarkeit der Forderung, wenn daraus eindeutig hervorgeht, um welche Forderung es sich handelt. Die genaue Bezifferung der Forderung in der Abtretungserklärung ist nicht zwingend erforderlich, sofern die Forderung durch die weiteren Angaben (z.B. Aktenzeichen, Name des Schuldners, Name des Gläubigers) eindeutig identifizierbar ist.
Fazit zur vorgelegten Abtretungserklärung
Die Ihnen vorgelegte Abtretungserklärung ist rechtlich ausreichend, sofern sie die wesentlichen Angaben enthält, die eine eindeutige Zuordnung der Forderung ermöglichen (Name des Schuldners, Name des ursprünglichen Gläubigers, Aktenzeichen des Titels, Datum der Abtretung). Die fehlende Bezifferung der Forderungshöhe ist unschädlich, solange die Forderung durch die übrigen Angaben bestimmbar ist.
2. Anspruch auf Vorlage der Beauftragung der Inkassofirma
Sie können grundsätzlich verlangen, dass das Inkassounternehmen seine Beauftragung durch die X-VerwaltungsGmbH nachweist. Dies dient Ihrer Rechtssicherheit, dass das Inkassounternehmen tatsächlich berechtigt ist, die Forderung im Namen der neuen Gläubigerin geltend zu machen. In der Praxis genügt hierfür eine entsprechende Vollmacht oder eine Bestätigung der X-VerwaltungsGmbH, dass die X-InkassoGmbH mit der Durchsetzung der Forderung beauftragt wurde.
Ein Anspruch auf eine Kopie des konkreten Inkassovertrages besteht jedoch nicht. Es reicht aus, wenn das Inkassounternehmen eine schriftliche Bestätigung oder eine Vollmacht vorlegt, aus der sich die Beauftragung ergibt.
3. Verwirkung der Forderung
Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Sie setzt voraus, dass der Gläubiger über einen längeren Zeitraum keine Maßnahmen zur Durchsetzung der Forderung ergriffen hat (Zeitmoment) und der Schuldner darauf vertrauen durfte, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht wird (Umstandsmoment).
Im Fall titulierten Forderungen wird die Verwirkung jedoch von der Rechtsprechung sehr restriktiv gehandhabt. Allein der Zeitablauf von 10 Jahren ohne Vollstreckungsversuch reicht in der Regel nicht aus, um Verwirkung anzunehmen. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die beim Schuldner das berechtigte Vertrauen begründen, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht wird. Ein bloßes Telefonat mit dem ursprünglichen Gläubiger, das nicht belegbar ist, wird in der Regel nicht ausreichen, um Verwirkung erfolgreich einzuwenden.
4. Vergleichsangebot
Es steht Ihnen selbstverständlich frei, ein Vergleichsangebot zu unterbreiten, etwa 1.000 oder 1.200 Euro zu zahlen, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und unter Verzicht auf die Vorlage weiterer Unterlagen. Ein solches Angebot kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn Sie die Angelegenheit endgültig beenden möchten und das Inkassounternehmen zu einem Nachlass bereit ist. Es empfiehlt sich, das Angebot ausdrücklich als Vergleichsangebot ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht zu formulieren und sich die Erledigung der Angelegenheit schriftlich bestätigen zu lassen.
5. Zusammenfassung und Empfehlung
Die Abtretungserklärung ist rechtlich ausreichend, sofern die Forderung durch die Angaben (Schuldner, Gläubiger, Aktenzeichen) eindeutig bestimmbar ist.
Sie können eine Bestätigung der Beauftragung der Inkassofirma verlangen, aber keine Kopie des Inkassovertrages.
Die Verwirkung der titulierten Forderung ist nach 10 Jahren ohne weitere Maßnahmen grundsätzlich nicht anzunehmen, sofern keine besonderen Umstände vorliegen.
Ein Vergleichsangebot ist jederzeit möglich und kann zur endgültigen Erledigung führen.
Sollten Sie weitere Nachweise oder Unterlagen benötigen, können Sie diese weiterhin anfordern. Für die endgültige Klärung empfiehlt sich, die Kommunikation mit dem Inkassounternehmen schriftlich zu führen und sich etwaige Vergleiche oder Erledigungen bestätigen zu lassen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
Breite Straße 22
40213 Düsseldorf
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Web: https://www.kanzlei-tank.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!!
Im ersten Schreiben heißt es wörtlich:
„unsere Kundin, die VerwaltungsGmbH, hat uns mit der Geltendmachung der nachfolgenden gegen Sie titulierten Forderung beauftragt:
VB, AG, AZ
Die titulierte Forderung wurde von dem Urspr.gläuber an unsere Kundin abgetreten und von dieser käuflich erworben.
Zuvor wurde die Forderung von der Firma ABC bzw. von den Rechtsanwälten RST geltend gemacht und tituliert."
Die Anwälte sind im VB als Vertreterin des Ursprungsgläubigers genannt.
Über die ABC bzw. die RST bzw. deren Vollmachten liegt nichts vor.
Erscheint Ihnen dieses Konstrukt plausibel oder sollte diesbezüglich im Hinblick auf ggfs vorliegende Formfehler noch nachgehakt werden?
Sie schildern, dass das Inkassounternehmen im ersten Schreiben mitteilt, im Auftrag der VerwaltungsGmbH zu handeln, welche die titulierte Forderung vom ursprünglichen Gläubiger erworben habe. Zuvor seien die Forderung und die Titulierung durch die Firma ABC bzw. die Rechtsanwälte RST betrieben worden. Über die Bevollmächtigung der ABC und der RST liegen Ihnen keine Nachweise vor.
Nachfolgend erhalten Sie eine rechtliche Einschätzung zur Plausibilität dieses Konstrukts und zu etwaigen formellen Anforderungen.
1. Plausibilität des Forderungsübergangs
Grundsätzlich ist es rechtlich zulässig, dass eine Forderung mehrfach abgetreten und von verschiedenen Dienstleistern (Inkassounternehmen, Rechtsanwälten) geltend gemacht wird. Auch der Verkauf einer titulierten Forderung ist möglich. Entscheidend ist, dass die Abtretung wirksam erfolgt ist und die aktuelle Gläubigerin (hier: VerwaltungsGmbH) die Forderung tatsächlich erworben hat.
Die Tatsache, dass die Forderung zunächst von ABC und dann von RST geltend gemacht wurde, ist nicht ungewöhnlich. Es ist üblich, dass Gläubiger im Verlauf der Forderungsdurchsetzung verschiedene Dienstleister beauftragen. Die Titulierung durch RST als Vertreterin des ursprünglichen Gläubigers im Vollstreckungsbescheid ist ebenfalls gängige Praxis.
2. Formelle Anforderungen und Nachweispflichten
a) Nachweis der Abtretung
Sie haben das Recht, sich die Abtretung der Forderung nachweisen zu lassen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn Sie sicherstellen möchten, dass Sie an die richtige Partei leisten und schuldbefreiend zahlen. Eine formlose Abtretungserklärung, die die Forderung hinreichend bestimmt bezeichnet, genügt in der Regel. Die Vorlage der Abtretungserklärung durch die VerwaltungsGmbH ist daher ausreichend, sofern die Forderung eindeutig identifizierbar ist.
b) Nachweis der Beauftragung des Inkassounternehmens
Das Inkassounternehmen muss auf Verlangen nachweisen, dass es von der VerwaltungsGmbH mit der Geltendmachung der Forderung beauftragt wurde. Eine schriftliche Bestätigung oder Vollmacht genügt. Ein Anspruch auf Vorlage des vollständigen Inkassovertrages besteht nicht.
c) Nachweis der Bevollmächtigung früherer Vertreter (ABC, RST)
Für die aktuelle Geltendmachung der Forderung ist es nicht erforderlich, dass das Inkassounternehmen die früheren Bevollmächtigungen der ABC oder der RST nachweist. Maßgeblich ist, dass die Titulierung im Namen des ursprünglichen Gläubigers erfolgte und der Titel wirksam ist. Die im Vollstreckungsbescheid genannten Vertreter (hier: RST) sind im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens als bevollmächtigt anzusehen, sofern keine Anhaltspunkte für eine fehlende Vertretungsbefugnis bestehen.
3. Mögliche Formfehler und deren Bedeutung
Ein Formfehler könnte nur dann relevant werden, wenn die Abtretungserklärung unzureichend ist (z.B. die Forderung nicht hinreichend bestimmt ist) oder das Inkassounternehmen keine Beauftragung durch die VerwaltungsGmbH nachweisen kann. Solange die Abtretungserklärung und die Beauftragung des Inkassounternehmens vorliegen und die Forderung eindeutig identifizierbar ist, bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit des Forderungsübergangs.
Die fehlende Vorlage von Vollmachten der ABC oder RST ist für die aktuelle Durchsetzung der Forderung nicht entscheidend, solange der Titel wirksam ist und die aktuelle Gläubigerin ihre Berechtigung nachweist.
4. Empfehlung zum weiteren Vorgehen
Fordern Sie vom Inkassounternehmen weiterhin die Nachweise über die Abtretung und die Beauftragung durch die VerwaltungsGmbH an, sofern diese noch nicht vollständig vorliegen.
Die Vorlage von Vollmachten der früheren Vertreter (ABC, RST) ist nicht erforderlich, solange der Titel wirksam ist und keine Anhaltspunkte für eine unrechtmäßige Vertretung bestehen.
Sollten sich aus den vorgelegten Unterlagen Unklarheiten hinsichtlich der Forderungshöhe oder des Forderungsübergangs ergeben, können Sie gezielt nachfragen.
5. Zusammenfassung
Das von Ihnen geschilderte Konstrukt ist grundsätzlich plausibel und entspricht der üblichen Praxis bei der Durchsetzung und dem Verkauf von titulierten Forderungen. Formfehler sind nicht ersichtlich, sofern die aktuelle Gläubigerin und deren Bevollmächtigung nachgewiesen werden. Die Nachweise früherer Bevollmächtigungen sind für die aktuelle Forderungsdurchsetzung nicht erforderlich.