Sehr geehrte Ratsuchende,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage, zu der ich auf der Grundlage Ihrer Schilderung und Ihres Einsatzes gerne wie folgt Stellung nehme:
I. Wenn ich Sie richtig verstehe, bezieht sich die Rechnung über 913,14 Euro allein auf den in Ihrem Namen erhobenen Widerspruch.
Nimmt man hierfür einen Gegenstandswert von 15.000 Euro an, so beträgt die bei einer insgesamt durchschnittlichen Angelegenheit angemessene Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) in der Tat 735,80 Euro netto. Darüber hinaus ist jedenfalls eine Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 Euro netto zu zahlen.
De "Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten" (Nr. 7000 VV RVG) hängt dagegen nicht vom Gegenstandswert ab, sondern wird nach Seiten berechnet. Deshalb kann ich ohne weitere Informationen nicht sagen, ob die Rechnung insoweit richtig ist.
Die sog. Aktenversendungspauschale (Nr. 9002 KV GKG) beträgt an sich je Sendung 12,00 Euro. Gegen die angesetzten Kosten von 6,00 Euro wird sich deshalb - sofern die Akte der Kollegin tatsächlich überlassen wurde - nicht einwenden lassen.
II. Fraglich ist allerdings, ob der Gegenstandswert von 15.000,00 Euro korrekt angesetzt wurde.
Auch das kann ich mangels weiterer Informationen nicht abschließend beurteilen, weil Sie leider nur von einer "Staatsprüfung" sprechen. Es aber darauf hingewiesen, daß der "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (2004) einen Gegenstandswert von 15.000,00 Euro nur bei einer den Vorbereitungsdienst abschließenden Staatsprüfung sowie einer abschließenden ärztlichen oder pharmazeutische Prüfung vorsieht. Demgegenüber soll der Gegenstandswert bei einer das Studium abschließenden Staatsprüfung oder einer vergleichbaren ärztlichen/pharmazeutische Prüfung 7.500,00 Euro betragen.
III. Daß telefonisch "vage" eine Pauschale von 400 Euro vereinbart wurde, führt schon deshalb nicht zu einer wirksamen Vergütungsvereinbarung, weil es an der in § 3a RVG
vorgeschriebenen Textform fehlt.
Zu prüfen wäre aber, ob die Kollegin Sie vor Übernahme des Auftrags darauf hingewiesen hat, daß sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (vgl. § 49b Abs. 5 BRAO
). Ist das nicht geschehen, könnten Sie einen Anspruch auf Schadensersatz haben.
IV. Grundsätzlich können Sie einen mit der Kollegin geschlossenen Vertrag jederzeit kündigen (§ 627 Abs. 1 BGB
) und einen anderen Anwalt beauftragen. Ein neuer Anwalt wird Ihnen im Rahmen von Prozeßkostenhilfe aber nur beigeordnet, wenn dadurch der Staatskasse keine höheren Kosten entstehen, oder ein wichtiger Grund einen Anwaltswechsel erforderte.
Ich hoffe, daß diese Auskunft Ihnen weiterhilft. Bitte nutzen Sie bei Bedarf die Möglichkeit, hier eine kostenlose Nachfrage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Trettin
Rechtsanwalt
Nein, es wurde nicht darauf hingewiesen, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, sondern ausschließlich auf den Aufwand für den Widerspruch verwiesen. Für das Klageverfahren wurde mir eine Pauschale von 1000 Euro genannt.
Wie sieht ein Anspruch auf Schadensersatz aus und wie macht man ihn geltend?
Ich wurde auch nicht über die Möglichkeit eines Beratungskostenbeihilfeantrages (bzw. Prozesskostenbeihilfeantrages) informiert; diesen hätte ich bei meinem damaligen Einkommen sicherlich bewilligt bekommen.
Selbst jetzt -bei Hartz IV-Bezug- wurde ich über die staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten nicht beraten. Die Anträge auf Beratungskostenbeihilfe und Prozesskostenbeihilfe stellte ich auf Anraten einer Freundin.
I.d.R. ist es hier in der Region zumindest (bei anderen Anwälten) so, dass derartige Widerspruchsverfahren mit ca. 400 Euro veranschlagt werden. Daher erschein mir die telefonische Auskunft über eine 400 Euro-Pauschale einleuchtend.
Wie da eine Rechnung über mehr als das Doppelte zustande kommen kann, ist und bleibt fraglich.
Offensichtlich möchte man da wohl noch einmal kräftig abkassieren bevor man genötigt ist, für den staatlichen Minimalsatz zu arbeiten.
Sehr geehrte Ratsuchende,
ein Schadensersatzanpruch setzt voraus, daß Ihnen tatsächlich ein (materieller) Schaden entstanden ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß der - gebotene - Hinweis, die Gebühren würden nach dem Gegenstandswert berechnet, für sich genommen eher nichtssagend ist. Denkbar ist aber z. B., daß Sie den Hinweis zum Anlaß genommen hätten, nach der Höhe des Gegenstandswerts und den damit verbundenen Gebühren zu fragen, und nach entsprechender Auskunft von einer Beauftragung ganz abgesehen hätten. In diesem Fall bestünde Ihr Schaden in den zu zahlenden Anwaltskosten.
Ob die Kollegin Sie auf die Möglichkeit der Beratungs- und Prozeßkostenhilfe hätte hinweisen müssen, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Auch insoweit ist aber ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich denkbar.
Sie können mir gerne per E-Mail Ihre Telefonnummer zukommen lassen. Ich werde mich dann mit Ihnen in Verbindung setzen, damit wir die Angelegenheit kurz besprechen können.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Trettin
Rechtsanwalt