Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich ist derjenige beweisbelastet, der sich auf Bestandsschutz in Gestalt einer früheren Baugenehmigung beruft.
Die Genehmigung des Anbaus ist nicht zugleich eine Genehmigung des Altbestandes; andererseits stellt es in der Tat ein gewichtiges Indiz dar, dass der eingezeichnete Altbestand genehmigt war, lagen die Bauvorlagen doch der Behörde vor und wurden mindestens einer ergänzenden Betrachtung unterzogen. Leider ist das aber noch kein Beweis; selbst ein Anscheinsbeweis würde nicht genügen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 1979 - IV C 86.76
-, juris, Rz. 15). Ob der Grundstückseigentümer weitergehend mit der Vernichtung des Behördenarchivs durch einen Brand argumentieren kann, ist eher zweifelhaft, da die Genehmigungsurkunde dem Bauherrn übergeben wurde und diesem (oder den Rechtsnachfolgern) eigentlich u.a. zur Beweisführung vorliegen muss.
Hilfsweise ist immer noch an Bestandsschutz aufgrund materieller Baurechtmäßigkeit zu denken, wenn nämlich das Gebäude entweder im Zeitpunkt seiner Errichtung oder zumindest später über einen hinreichend langen Zeitraum dem materiellen Recht entsprochen hatte. Das könnte ein "Rettungsanker" sein und bedürfte akribischer chronologischer Prüfung, wenn sich die Behörde nicht vom Vorhandensein einer Baugenehmigung überzeugen lässt. Liegt aktuell Genehmigungsfähigkeit vor, kann ohne weiteres ein Bauantrag gestellt und eine (neue) Baugenehmigung erteilt werden. Dazu bedarf es einer Bauaufzeichnung des vorhandenen Bestandes.
Um den Anbau müssen Sie sich jedenfalls keine Sorgen machen. Er ist genehmigt, gerade auch (in den zugehörigen Bauvorlagen) in Hinblick auf ein Hauptgebäude. Der Anbau genießt Bestandsschutz.
In Hinblick auf die Rechtssicherheit ist es angezeigt, das Thema offensiv mit der Bauaufsichtsbehörde zu besprechen. Ergebnis einer Verhandlung könnte sein, dass das Bestehen einer Baugenehmigung von der Behörde anerkannt, eine neue Genehmigung auf Antrag erteilt oder jedenfalls eine Duldung ausgesprochen wird. Wenn Sie jetzt schon den Kaufvertrag abschließen wollen, sollten Sie sich ein entsprechendes Rücktrittsrecht einräumen lassen - Details sollten mit dem beurkundenden Notar besprochen werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
24.09.2019
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22:11
Antwort
vonRechtsanwalt Gero Geißlreiter
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