Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
zu 1.:
Einen Wohnsitz in Deutschland benötigen Sie nicht.
Sie benötigen aber in jedem Fall eine Niederlassung, also eine feste Adresse, über die Sie erreichbar sind. Faktisch könnte dies auch eine reine Postanschrift sein. Der formale Akt der Gewerbeanmeldung wird so im Zweifel funktionieren. Ob dies aber langfristig sinnvoll ist, ist fraglich. Gerade als Handwerker müssen Sie, etwa um in die Handwerksrolle eingetragen zu werden, eine tatsächliche Niederlassung haben, von der aus Sie ihr Gewerbe in Deutschland betreiben. Niederlassung bedeutet: eine auf Dauer angelegte, feste Einrichtung, wie einer Produktionsstätte, Lager- oder Büroräume.
zu 2.
Voraussetzung für das Splittingverfahren ist grundsätzlich, dass beide Ehegatten in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, § 26 EStG
.
Unbeschränkt in Deutschland einkommensteuerpflichtig ist, wer dort seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hat, § 1 EStG
.
Bei Ihnen ist die Situation äußerst komplex, weshalb ich in jedem Fall vor der Umsetzung Ihrer Entscheidung empfehle, sich nochmals über diese Erstberatung hinausgehende, exakt auf Ihren Einzelfall zugeschnittene Beratung einzuholen.
Denn: Ob Sie in Deutschland unbeschränkt einkommensteurpflichtig wären, hängt konkret vor Ihren Plänen ab. Sie schreiben, dass Ihr Wohnsitz in Italien bleiben soll. Ich vermute, dass Sie deshalb in Itlaien leben bleiben wollen, und in Deutschland nur eine Postanschrift haben wollen? Dann wären Sie im Zweifel wohl nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Wickeln Sie Ihre Geschäfte dann über die postalische Firma in Deutschland ab, hätten Sie unter Umständen beschränkt steuerpflichtige Einnahmen aus der deutschen "Betriebsstätte" gemäß § 49 EStG
.
Dann könnten Sie gemäß § 1 Abs. 3 EStG
einen Antrag stellen, "wie eine unbeschränkt natürliche Personen behandelt zu werden", wenn Ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen, sie also keine weiteren wesentlichen, in Italien zu versteuernde Einkünfte hätten.
Lägen diese Voraussetzungen vor, und stellten Sie den Antrag nach § 1 Abs. 3 würde es übrigens nicht schaden, dass Ihre Frau in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Es gälte dann die Fiktion der unbeschränkten Steuerpflicht von EU-Familienangehörigen des § 1a EStG
.
Sie sehen: Theoretisch wäre es tatsächlich möglich, zu der Anwendung des Splittingstarifs zu gelangen. Hierfür müssten aber zahlreiche Voraussetzungen vorliegen, die wiederrum an anderer Stelle Nachteile bringen können. Entscheidungen in diesem Bereich sollten gut durchdacht und abgewogen werden.
zu 3:
Voraussetzung für die Geltendmachung einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten ist das tatsächliche Vorliegen von 2 Wohnungen, also ein tatsächlich bestehender Doppelhaushalt.
Ein doppelter Haushalt liegt nur
vor, wenn Sie außerhalb des Ortes, an dem Sie einen eigenen Hausstand unterhalten, beschäftigt sind und auch am Beschäftigungsort wohnen.
Unschädlich ist es, wenn Sie den Haupthausstand
aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegen und darauf in einer Wohnung
am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt
begründen, von dem aus Sie Ihrer Beschäftigung
weiter nachgehen.
Statt den Kosten für eine doppelte Haushaltsführung könnten Sie auch die Kosten für die Familienheimfahrten steuerlich geltend machen, soweit diese tatsächlich angefallen sind.
Auch dies gilt jedoch nur eingeschränkt, wenn Sie in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig sind.
Beziehen Sie mehr als 90 % Ihrer Geamteinkünfte im Kalenderjahr aus Deutschland, haben Sie aber auch hier wieder die Wahl des § 1 Abs. 3, sich wie einen beschränkt Steuerpflichtigen behandeln zu lassen.
zu Frage 4:
Eltern, die im Ausland wohnen und in Deutschland nach dem Einkommensteuergesetz nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, können nur unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld erhalten. Dafür müssten Sie beispielsweise
in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit stehen. Dies ist wohl nicht der Fall.
Auch hier gilt wieder: Anknüpfungspunkt ist die unbeschränkte Steuerpflicht.
Insgesamt sollte Sie also Ihre Planungen so ausrichten, dass Sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig werden. Dies können Sie ohne Wohnsitz in Deutschland oder ständigen Aufenthalt dort eigentlich nur, wenn Sie eine Betriebsstätte, also eine Niederlassung gründen. Die Einkünfte, die Sie über diese Niederlassung generierten, wären dann beschränkt steuerpflichtige Einkünfte. Sind diese Ihre Haupteinnahemquelle, könnten Sie zu einer Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtigem optieren und die entsprechenden Vorzüge erhalten.
Insgesamt handelt es sich, wie bereits oben angedeutet, um eine sehr komplexe Fragestellung. Ich empfehle deshalb nochmals eindringlich, vor der Umsetzung Ihrer Absichten sich nochmals fachlichen Rat in einem persönlichen Gespräch einzuholen. Derart komplexe Sachverhalte können nur auf den ganz konkreten Einzelfall und die jeweilige Lebenssituation hin umfassend und für Sie optimal beantwortet werden.
Ich hoffe trotzdem, Ihnen mit meinen Ausführungen einen ersten Überblick verschafft haben zu können, wie er im Rahmen einer Erstberatung möglich ist und bedanke mich nochmals für die Anfrage.
Bitte beachten Sie, dass diese Webseite lediglich dazu dient, Ihnen einen erste Einschätzung zur Rechtslage zu liefern. Eine ausführliche und persönliche Beratung soll und kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Außerdem kann das Fehlen oder Hinzufügen wesentlicher Angaben im Sachverhalt zu einer anderen rechtlichen Einschätzung führen.
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Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Baur
Hallo Hr. Baur, vielen Dank für Ihr Bemühen und für die ausführlichen Antworten.
Was bedeutet "zu 90% der dt. Einkommensteuer unterliegend"?
Vielen Dank!
Danke für die Nachfrage!
Diese beantworte ich wie folgt:
Die 90%-Regelung ergibt sich aus § 1 III EStG
.
Hintergrund ist der Folgende:
Die unbeschränkte Steuerpflicht ist Voraussetzung für wesentliche steuerliche Vorteile, wie etwa das Splittingverfahren und das Kindergeld.
Hiervon soll profitieren, wer seine Einkünfte im Wesentlichen im Quellenstaat Deutschland erwirtschaftet. Dies sieht der Gesetzgeber dann als gegeben an, wenn 90 % der Gesamteinkünfte (Welteinkommen) einer Person aus Deutschland stammen.
Der deutschen Steuer unterliegen bei Personen, die in Deutschland keinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben, im Wesentlichen die in Deutschland erwirtschafteten Einkünfte im Sinne des § 49 EStG
, also zum Beispiel die Einkünfte aus einer in Deutschland unterhaltenen Betriebsstätte oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die in Deutschland ausgeübt oder verwertet wird.