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Gemeinfreiheit von Musiknoten / Recht zur Neuveröffentlichung

| 8. Juni 2011 21:45 |
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Urheberrecht, Markenrecht, Patentrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Felix M. Safadi

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit einigen Jahren sammle ich Noten eines bestimmten Komponisten, der in den 1860er Jahren verstorben ist. Nach meinem Verständnis unterliegen seine Werke also seit etwa 1930 nicht mehr dem Urheberrecht und sind gemeinfrei.
Ich möchte nun (entweder bei BoD.de oder bei einem kleinen Musikverlag) eine Auswahl seiner Klavierlieder neu veröffentlichen. Dazu habe ich sie (mittels einer Notationssoftware) neu gesetzt und zum Teil in andere Tonarten transponiert. Ich beabsichtige also nicht, das originale Noten(druck)bild irgendeiner bestehendem Notenausgabe zu verwenden.
Die entsprechenden Werke sind meines Wissens schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr im Druck erschienen (mit Ausnahme einiger Reprints, siehe unten).

Einer der Verlage, die die Lieder damals erstveröffentlicht haben, antwortete mir auf diesbezügliche Nachfrage:
"Sie können, unter der Voraussetzung, dass Sie keine geschützten Ausgaben verwenden, eine Sammlung mit (Name des Komponisten)-Liedern im Eigenverlag herausgeben."

Die Vorlagen, die ich für die Neuausgabe heranziehen will, stammen aus den folgenden Quellen:

1. Notendrucke, die ich antiquarisch gekauft habe, darunter
a) Erst- oder Frühdrucke vor 1860
b) Noten-Sammelbände, die vor dem ersten Weltkrieg erschienen sind und seit einigen Jahren von einem US-amerikanischen Verlag als Reprint (Faksimile der Originalausgabe) herausgegeben werden

2. Kopien aus Bibliotheken, darunter
a) selbst angefertigte Kopien aus Quellen wie in 1 b)
b) von den Bibliotheken für mich gegen Entgelt angefertigte Digitalisate (Scans) von Vorlagen wie in 1 a)
c) von Bibliotheken frei und öffentlich zum Download angebotene Scans, ebenfalls von Vorlagen wie in 1 a)

Nun meine Fragen:

1. Was genau sind in diesem Zusammenhang "geschützte Ausgaben"?

2. Muss ich die Bibliotheken, aus denen meine Kopie-Vorlagen stammen oder die die Digitalisate für mich angefertigt haben bzw. diese bereitstellen, ausdrücklich um Erlaubnis für eine solche Form der Weiterverwertung bitten?

3. Ich kann natürlich nicht ganz sicher ausschließen, dass irgendein Verlag nach 1940 nicht doch in irgendeiner Form Noten eines der betreffenden Lieder herausgegeben hat, auch wenn mir das (aufgrund des Angebotes in Antiquariaten bzw. Bibliotheken) äußerst unwahrscheinlich erscheint. Könnte ein solcher Fall rechtliche Folgen für mich haben?


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!






Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes wie folgt Stellung:

Sie müssen beim Urheberrechtsschutz von Werken der Musik Folgendes unterscheiden:

Musikwerke werden durch Töne ausgedrückt. Der Urheberrechtsschutz entsteht hier bereits mit der „Äußerung" bzw. Darbietung des Musikstücks, es muss also nur zu Gehör kommen, ohne dass es dazu einer Fixierung des Musikstücks in Noten bedarf. Insoweit endet der Urheberrechtsschutz heute 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (= Komponist als Schöpfer des Musikwerks), vgl. § 64 UrhG . Für die Werke des betreffenden Komponisten galt sogar noch die frühere Schutzdauer von 50 Jahren. Was das rein akustisch wahrnehmbare „Klanggebilde" angeht, können Sie das heute nach Belieben nutzen.

Vom Schutzgegenstand her ist die reine Fixierung eines Musikstücks in Noten nicht vom vorgenannten Klanggebilde zu unterscheiden, sondern es handelt sich bloß um eine andere Erscheinungsform ein und desselben Musikwerks. Die schriftliche Fixierung ist also ein unselbstständiges Hilfsmittel der Visualisierung des Musikwerks. Im Regelfall genießt die Niederschrift in Noten daher keinen eigenen Urheberrechtsschutz. Sie können die Werke des Komponisten daher selbst unter Verwendung des Original-Notendruckes neu herausgeben.

Etwas anderes würde gelten, wenn etwa eine besondere grafische Gestaltung des Notenbildes dieses zusätzlich etwa zu einem Werk der bildenden Künste machen würde oder aber ein individueller erläuternder Text durch die Verlage hinzugekommen wäre (Sprachwerk), den Sie dann natürlich nicht 1 zu 1 übernehmen dürften. Das hat der Verlag vermutlich mit „geschützte Ausgabe" gemeint. Dieser ggf. zusätzliche Schutz würde sich dann aber NUR auf die besondere individuelle Gestaltung bzw. die hinzugefügten Texterläuterungen erstrecken, nicht jedoch auf das Musikwerk selbst und seine notwendige Fixierung.

Hier wären die jeweiligen Vorlagen im Einzelfall darauf hin zu untersuchen, ob Ihnen ein eigener Urheberrechtsschutz zukommt, bspw. durch besondere individuelle Gestaltungen des Notenbildes. Liegen solche zusätzlichen individuellen geistigen Schöpfungen aber nicht vor, müssten Sie sich über mögliche Urheberrechtsverletzungen keine Gedanken machen.

Ich hoffe, Ihnen hiermit einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben, und wünsche Ihnen für Ihr Vorhaben alles Gute und viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Felix M. Safadi
Rechtsanwalt

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Allgemeine Hinweise:

Bitte erlauben Sie mir noch den obligatorischen Hinweis, dass es sich bei dieser Antwort lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des allein auf Ihren Angaben basierenden Sachverhalts handelt. Eine solche ERSTberatung kann und will eine umfassende Begutachtung und den Gang zum Anwalt nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen weiterer Angaben kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.

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