Gerne zu Ihrer Frage, die Sie unter „Frist für Schadensersatz durch Abrissschaden noch nicht verstrichen" eingestellt haben.
1. In der Tat können Abrissarbeiten einer Grenzwand nach § 823 Absatz 1 BGB
den Nachbarn zum Schadensersatz verpflichten, nämlich für die Schäden an Ihrer Außenwand und die Feuchtigkeitsschäden, selbst wenn es sich um eine unvermeidliche Folge des Abrisses handelt, so im Grundsatz der BGH, Urteil v. 18.12.2015, V ZR 55/15
.
2. Dieser Schadensersatzanspruch verjährt aber leider gem. § 195
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach 3 Jahren.
Wobei allerdings die Verjährung erst beginnt mit Kenntnis des Gläubigers über die den Anspruch begründenden Umstände bzw. ab dem Moment, in dem er grob fahrlässig diese Umstände nicht zur Kenntnis nimmt, § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB
.
Vorliegende beschreiben Sie einen Sachverhalt, dass Sie „gleich im Jahre 2010" bei dem Nachbarn in einer Besprechung Schadensbehebung gefordert haben".
Insofern muss man davon ausgehen, dass der Nachbar in Forderungsfall die Einrede der Verjährung erfolgreich erheben wird. Damit wäre die Forderung zwar nicht erloschen, aber mit einer Einrede behaftet.
Es bliebe dann nur noch die Hemmung der Verjährung nach den §§ 203 ff BGB
zu erwägen, wofür ich mangels Rechtsverfolgung im Sinne von § 204 BGB
(Klage, Mahnbescheid etc.) keine Anhaltspunkte sehe. Hier wäre z.B. die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach Nr. 7 des § 204 BGB
das Mittel der Wahl gewesen.
Damit würde nach § 209 BGB
der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Sie schildern dann, dass Sie im Jahr 2013 einen öffentlich bestellten Gutachter für Bauschäden beauftragt haben, ein Gutachten zu erstellen. Und dass Sie „ab 2010 mehrmals bei der Stadtverwaltung versucht haben, alte Unterlagen über unsere Grundstücksgröße und die alte Bauzeichnung zum Haus vom Archiv zu bekommen."
All diese Bemühungen könnten allerdings nur dann ein Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gem. § 203 BGB
bewirkt haben, wenn „zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände geschwebt hätten." Diese wurden aber damals beendet, als der Nachbar bestritt, dass er den Schaden zu verantworten hat.
Andere externe Bemühungen der geschilderten Art reichen hier nicht, wären bestenfalls ein Indiz (Prima-facie-Beweis), der von Ihrem Nachbar erschüttert werden könnte.
Selbstverständlich darf aber die Stadt den Denkmalschutz bzw. das ordnungsbehördliche Verfahren nicht missbräuchlich dazu verwenden, das Grundstück billig für ihre Zwecke erhalten.
Ich bedaure, vorliegend keine in Ihrem Sinne positive Auskunft erteilen zu können, weise aber darauf hin, dass dies eine erste Einschätzung aus der Ferne ohne jeglich Kenntnis aller Umstände vor Ort ist. Insofern kann eine vertiefte anwaltliche Beratung angezeigt sein, die ggf. auch eine potentielle Haftung des Sachverständigen einschließt, wenn dadurch die Verjährungshemmung durch ein selbständiges Beweisverfahren adäquat kausal unterbliebe wäre.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Vielen Dank für Ihre schnelle Beantwortung. Wie und wo kann ich das genannte Gutachten außer bei der Stelle, wo der öffentlich bestellte Gutachter seine öffentliche Bestellung bekommen hat, noch anderweitig überprüfen lassen? Ein Anwalt sagte mir, es würden immer wieder neue Ansprüche entstehen, da der Lehmgiebel jetzt frei liegt. Ein neuer Schaden ist schon eingetreten in dem sich Lehm herausgelöst hat. Zu der Mauer ob existent oder nicht, hat er keine Antwort gegeben.
Ein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter muss unparteiisch, unabhängig, weisungsfrei und gewissenhaft seine Aufgaben, auch gegenüber privaten Auftraggebern mit hoher Qualität und höchster Professionalität erfüllen. (Entnommen aus BV) Deshalb habe ich einen solchen Gutachter ausgewählt und ihm Glauben geschenkt, insbesondere seiner Behauptung: „Eine solche bisher gemeinsam genutzte Wand war hier nicht vorhanden." Dies war der Hauptgrund, dass ich kein selbstständiges Beweisverfahren angestrebt und nicht geklagt habe. Auch Äußerungen im Gutachten wie: „Nach den jüngeren Gerichtsentscheidungen sehe ich nur eine geringe Erfolgsaussicht." und „Aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen und bisherigen Erkenntnismöglichkeiten ist somit nicht abzuleiten, wer die Ursache für das Entstehen des jetzigen unzureichenden Zustands gesetzt hat und demzufolge die entsprechenden Kosten zu tragen haben könnte." Ist dies nicht eine rechtliche Beratung, da er zusätzlich mehrere Entscheidungen und Urteile des OLG Naumburg und Begründung des BGH in über zwei A4 Seiten ausführlich aufführte. Als ich ihn damit konfrontierte drohte er mir mit seinen Rechtsanwälten, wenn ich dies veröffentliche.
Falls sich herausstellen sollte, dass das Gutachten anfechtbar ist, weil fehlerhaft (Falls die Wand doch existiert, wie auf dem Bild ersichtlich(?) und der nicht gewünschten „beratenden rechtlichen Ausführungen", könnte ich dann Schadensersatz von ihm verlangen?
Wer kann das Gutachten von 2013 gerichtsfest prüfen?
Und gilt dafür wiederum eine Frist (2016 moniert)?
Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung der Nachfrage.
Mit freundlichen Grüßen
Gerne zu Ihrer Nachfrage:
Es ist mir nicht möglich, aus der Ferne das SV-Gutachten zu bewerten. Denn auch das vom mir eingangs zitierte Urteil des BGH hat zur Frage der Grenzwand vor Ort eine Differenzierung vorgenommen:
Zitat:Für eine nach dem Abriss erforderliche Außenisolierung des Nachbargebäudes ist der Eigentümer der Grenzwand nicht verantwortlich. Da eine Grenzwand die Grenze nicht überschreitet, ist sie nämlich - im Gegensatz zu einer auf der Grenze errichteten halbscheidigen Giebelwand nach einem Anbau
- keine Grenzanlage im Sinne der §§ 921 , 922 BGB ; infolgedessen ist ihr Eigentümer im Verhältnis zu seinem Nachbarn nicht gemäß § 922 Satz 3 BGB verpflichtet, die Funktionsfähigkeit der Grenzwand zu erhalten (Senat, Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 119/00 m.wN.
Es kommt also auf die tatsächlich vom SV vorgefundenen Verhältnisse vor Ort an und für welche Schäden in welcher Höhe Schadensersatz von Ihnen gefordert würde.
Wenn jetzt - wie Sie schreiben - "ein neuer Schaden schon eingetreten ist in dem sich Lehm herausgelöst hat", rechtlich Ihnen also erst jetzt zur Kenntnis im Sinne des § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB gelangt ist, wäre aktuell zu diesem Schaden die regelmäßige Verjährung noch nicht eingetreten.
Wohlgemerkt, muss aber zunächst klar sein, ob diese Haftung dem Grunde nach entsprechend der obigen Ausführungen besteht.
Dazu wäre dann ein selbständiges Beweisverfahren - auch fristen-hemmend - in Betracht zu ziehen.
Das ist zwar zunächst kostengünstiger, als eine Klage, muss aber dennoch wegen der von Ihnen vorzuschießenden Sachverständigenkosten sehr wohl überlegt und abgewogen werden.
Dann würde vom Gericht ein unabhängiger Sachverständiger bestellt werden, der - anders als von Ihnen geschildert - vor Gericht einen höheren "Beweiswert" hätte, als ein Privatgutachter, dessen Haftung im übrigen wegen eines falschen Sachverständigengutachtens i. d. R. gemäß § 634 a Abs. 1 Nr. 3 BGB in der 3-jährigen Regelverjährung (§ 199 BGB ) verjährt.
Aber nochmals: Das Prozesskostenrisiko muss sehr wohl abgewogen werden und sollte daher vor Ort anwaltlich vertiefter beraten werden, als das aus der Distanz überhaupt möglich ist.
Alles Gute zum Erfolg wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt