Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre gestellte Frage beantworte ich wie folgt:
Rein rechtlich sind die Ausgleichszahlung, der Anspruch auf Erstattung des Flugpreises und die Forderung nach Erstattung der Mehrkosten für den Ersatzflug nicht identisch. Der Ausgleichsanspruch ergibt sich aus Art. 7 VO (EG) 261/2004. Der Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises ergibt sich aus Art. 8 I a) VO (EG) 261/2004. Der Anspruch auf anderweitigen Beförderung folgt aus Art. 8 I b) VO (EG) 261/2004. Beachten Sie bitte, dass die Rückerstattung des Flugpreises und die anderweitigen Beförderung sich gegenseitig ausschließen, da Sie sonst umsonst fliegen würden.
Mit der Ausgleichszahlung sind nicht pauschal sämtliche Ansprüche abgegolten. Art. 12 VO (EG) 261/2004 schließt weitere Schadensersatzansprüche des Fluggastes nicht aus. Allerdings kann das Luftfahrtunternehmen eine Anrechnung auf eine anerkannte Ausgleichszahlung vornehmen. Wenn das Luftfahrtunternehmen eine Anrechnung vornimmt, ist das Gericht hieran gebunden; vgl. Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, Rz. 1033. Die Anrechnung erfolgt regelmäßig.
Hinsichtlich der Ausgleichszahlung besteht die Möglichkeit für das Luftfahrtunternehmen, ggf. gem. Art. 5 III VO (EG) 261/2004 nachzuweisen, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Ob und in welchem Umfang das Unternehmen Vorsorge bei Erkrankung getroffen hatte oder hätte treffen müssen, wird vermutlich zu klären sein.
Bezüglich der Erstattung der anderweitigen Flugkosten gilt Folgendes: es bestand ein Anspruch auf eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Diese Pflicht könnte verletzt worden sein, da keine anderweitigen Flüge angeboten wurden. Aus dieser Pflichtverletzung kann ein Schadensersatzanspruch resultieren, der jedoch nicht in jedem Fall automatisch aus der Annulierung folgt. Ich verweise insoweit auf die aktuelle Presseerklärung des BGH zum Urteil vom 25.03.2010, Xa ZR 96/09
. Der BGH verweist zu dieser Frage an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung zurück. Maßgeblich ist der Einzelfall, so dass ich eine Prognose hier noch nicht abgeben kann. Sie sollten die Ansprüche jedenfalls vorsorglich anmelden.
Die Anmeldung Ihrer Ansprüche hat gegenüber dem Luftfahrtunternehmen zu erfolgen und zwar möglichst schriftlich. Für den Ausgleichsanspruch ist die Nichtbeförderung mitzuteilen. Für den Schadensersatzanspruch sind Sie beweispflichtig und müssen die Pflichtverletzung wegen der fehlenden Ersatzbeförderung und die Höhe der Ersatzbeförderungskosten und ggf. die Vergleichbarkeit der Reisebedingungen nachweisen.
Im Reisevertragsrecht gibt es eine Frist zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen binnen einem Monat. Die VO (EG) 261/2004 sieht diese kurze Frist nicht vor. Die Ansprüche können daher erst nach Ihrer Rückkehr geltend gemacht werden.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten hilfreichen Überblick in der Sache verschafft zu haben. Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Dies kann im Rahmen einer weiteren Mandatserteilung erfolgen. Dazu können Sie unter der oben hinterlegten Adresse Kontakt mit mir aufnehmen oder Sie schreiben mir einfach eine eMail unter anwalt.matthes@googlemail.com .
Mit freundlichen Grüßen
Matthes
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Guido Matthes
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