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Festnahme und Wohnungsdurchsuchung nach Drogenschnelltest von Drogerietabletten

| 20. November 2020 17:42 |
Preis: 38,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Ich stieg nachts 01.00 in München aus dem Zug und trank, noch im Bahnhof, den letzten Schluck aus der Bierflasche, was Polizisten sahen. Als ich aufs Fahrrad stieg, verlegten sie mir den Weg. Ihr Wortführer verbot mir das Fahren, da ich besoffen sei. Das bestritt ich, es war nur dieses eine Bier. Der Wortführer beschlagnahmte daraufhin das Fahrrad und ich mußte zur Wache mitkommen. Der Alkoholtest ergab erwartungsgemäß nur 0,1 Promille, aber der Wortführer gab sich krawallig und durchsuchte mein Reisegepäck.
Darin war eine Dose mit Melatoninkapseln. Ich antwortete ihm, daß es sich um ein legales Präparat handelt, keine Drogen.
Er war aber überraschend siegessicher, als er sie in ein anderes Zimmer mitnahm. 10 Minuten später kam er mit winzigen rot verschmierten Röhrchen wieder und dem Befund, daß der Drogenschnelltest bei 3 Kapseln "Kokain" ergeben hätte!
Lt. Hersteller ist das unvorstellbar. Er hat mir die Inhaltsstoffe gemailt: Füllstoff Reismehl, Kapselhülle Cellulose, Wirkstoff Melatonin (gibts in jeder Drogerie).

Der Wortführer untersuchte mich körperlich und veranlaßte, daß ich sofort halbnackt eingesperrt wurde, das Handy eingezogen und mein Wohnungsschlüssel aus der Jacke genommen. Mit diesem drang er ca. 01.50 samt vier hinzugezogenen Kollegen in meine Wohnung ein, wo mein Mann auf mich wartete. Fünf Mann, zwei Stunden, nur 37 qm. Das hinterlassene Chaos war groß. Mein Mann beschrieb jenen, der bei mir der Wortführer war, als Heißdüse und Treiber bei der Durchsuchung.
Sie fanden Bargeld, das sie einzogen - ohne sonstigen Beleg von Drogenhandel. Nach 04.00 kam ein anderer, mit vorher unbekannter Polizist zu mir an die Zelle: Er habe gerade einen zweiten Test mit den Kapseln gemacht und der sei negativ. Ob ich nicht exakt sagen könne, was in den Kapseln wirklich ist.
Trotz dieser offenbaren Zweifel wurde ich vormittags zur Blut-/Haarentnahme gefahren und zur Erkennungsdienstlichen Behandlung, mein Handy ist immer noch (der Vorfall ist 4 Tage her) weg, es wurde an die Kripo weitergegeben, um meinen kompletten Mail-/SMS-Verkehr zu überprüfen. Die Fahrer hatten den Bescheid erhalten, mich als Gefangenen zu behandeln. Während der Fahrt wurde dieser Bescheid zurück genommen, ich kam gegen 11 Uhr frei.

Meine Fragen:
1.: Die polizeiliche Aktion, die mit dem einbehaltenen Handy und Geld noch andauert, beruhte auf einem fahrlässig oder absichtlich manipulierten Test, was neben meinen Angaben auch die Testwiederholung durch den anderen Polizisten nahelegte. Ich möchte daher Strafanzeige erstatten, wegen der Unterschiebung von Drogen, falscher Beschuldigung und wegen der daraus abgeleiteten Folgen gegen mich. Zuhause in München würde die Anzeige aber bei den beteiligten Behörden landen und der Bock wird zum Gärtner.
1a) Kann ich für die Anzeige ins Nachbarland fahren (Thüringen) und sie dort aufnehmen lassen? Da wäre auch der oberste Dienstherr ein anderer und ohne Vertuschungsinteresse.
1b) Welche Tatbestände müssen in die Anzeige? Schlagworte reichen!
2.: In der Wohnung wurde eine "Geringe Menge" BtmG-Material gefunden. Kommt ein Beweiserhebungsverbot in Betracht? Es gab wohl einen Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft (nur mündlich vorgetragen), aber dessen Grundlage war eine mindestens grob fahrlässige Panne, ohne den dieser Durchsuchungsbefehl nicht hätte ausgestellt werden dürfen.
In diesem Fall würde sich ein Anwalt lohnen.
Zur Info: Ich bin Veranstalter im Bereich der elektronischen Musik. Es ist möglich, daß es bei der bayrischen StA und Polizei Leute gibt, die den Drogenhandel als zweite Seite dieser Medaille vermuten.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Zu 1a) Sie können nach Thüringen fahren und die Anzeige aufgeben. Die Polizei in Thüringen wird die Anzeige aufnehmen und Ihnen eine Vorgangsnummer geben. Anschließend werden diese feststellen, dass sie örtlich nicht zuständig sind und den Vorgang zur weiteren Bearbeitung an die Polizei in München weiterleiten, weil diese örtlich zuständig ist. Wenn Sie Glück haben, ist es innerhalb von München eine andere Polizeiwache, weil sich die Ermittlungen gegen Polizisten richten.

Zu 1b) Verfolgung Unschuldiger § 344 StGB und Freiheitsberaubung § 239 StGB sind die Straftaten, die angezeigt werden müssen. Eventuell noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde, wenn Sie nicht darüber belehrt wurden, dass Sie die Aussage verweigern können. Sehr wichtig: Sie müssen beim Amtsgericht München schriftlich Widerspruch gegen die Beschlagnahme des Handys und des Geldes einlegen und die Rückgabe beantragen.

Zu 2) Aus der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses folgt leider kein Beweisverwertungsverbot. Diese fruit of the poisonous tree doctrine gibt es nur im englischsprachigen Rechtsraum aber nicht im deutschen Recht. Das Gericht muss jedoch nachweisen, wem die gefundenen BtmG Substanzen gehören. Wenn die das nicht können, müssen die zu Gunsten eines jeden Bewohners annehmen, dass diese einem der anderen Bewohner gehören, was dann zum Freispruch eventuell auch schon vorher zur Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft führt. Das wird im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro reo) genannt.

Deshalb ist es wichtig, dass niemand Angaben zum Sachverhalt macht. Schweigen ist für alle in der Wohnung anwesenden das oberste Gebot!

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 20. November 2020 | 20:51

Eben erst hier diesen Kasten für die Nachfrage gesehen. P.S. ich wundere mich, wenn es heißt, daß die Angabe persönlicher Daten die Anonymität untergrabe, wenn Sie doch auf Ihrer Rechnung - offenbar über meine Kontodaten bei der Zahlung - eh meinen Namen stehen haben.
Hier meine Nachfrage (bereits per Mail geschickt):

Habe ich das richtig verstanden, daß eine in Thüringen gestellte Strafanzeige automatisch an die Münchner Polizei und Staatsanwaltschaft abgegeben wird? Ohne jede Kontrolle durch Thüringer Behörden? Die Frage war ja, wie ich verhindern kann, daß der Beklagte zum Ermittler, der Bock zum Gärtner wird.

Wenn eine Anzeige außerhalb von München ganz sinnlos ist: Sie schreiben, mit "Glück" könnte die Anzeige immerhin bei einer anderen Polizeiwache landen. Nun kann ich die Anzeige statt in Thüringen natürlich gleich bei einer "anderen" Münchner Polizeiwache machen, aber das ist ja die gleiche Behörde, das gleiche Präsidium. Als würde man die BVG umgehen können, wenn man statt am Kotti in der Prinzenstraße einsteigt. Es geht doch darum, das zu vermeiden
Ist es möglich - und sinnvoll! - direkt bei der Staatsanwaltschaft Anzeige einzureichen?
Ganz vielen Dank!

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 20. November 2020 | 21:24

Sehr geehrter Fragesteller,

Sie haben mich leider richtig verstanden. In Thüringen wird keine Endkontrolle gemacht. Beamte prüfen immer zuerst die Zuständigkeit und freuen sich, wenn sie dabei feststellen, dass sie ihren Büroschlaf nicht unterbrechen müssen, weil andere zuständig sind.

Eine Anzeige direkt bei der Staatsanwaltschaft ist möglich und hat den Vorteil, dass die Anzeige nicht irgendwo auf dem Dienstweg verloren geht. Die Staatsanwaltschaft macht auch zumindest theoretisch eine Endkontrolle, ob der Bock ein guter Gärtner war und kann Nachermittlungen anordnen.
Ob das gegen den Korpsgeist hilft, bleibt abzuwarten. Erfahrungsgemäß wird Fehlverhalten von Polizisten nicht ordnungsgemäß in der Akte protokolliert, niemand kann sich daran erinnern, dass ein Kollege etwas falsch gemacht hat und alle bestätigen sich gegenseitig, dass sie nach Recht und Gesetz gehandelt haben.
Als "bedenkenlose Berufslügner" oder "Wegelagerer" dürfen die trotzdem nicht bezeichnet werden, weil man sonst eine Verurteilung wegen Beleidigung riskiert. (Hamburg JR 97,521 für "bedenkenlose Berufslügner" und AG Gießen DAR 93,274 für "Wegelagerer")

Ich als beantwortender Anwalt sehe tatsächlich Ihren Namen aber adere, die Ihre Frage und die dazugehörige Antwort aufrufen, können Ihren Namen nicht sehen, solange Sie diesen nicht in Ihre Frage schreiben. Es geht darum, dass Unbeteiligte nicht wissen sollen, wer Sie sind.

Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die "uniformierten Freunde und Helfer", die man nicht als Wegelagerer oder bedenkenlose Berufslügner bezeichnen darf, nicht nur in München sondern auch in Berlin dafür sorgen, dass wir Strafverteidiger nicht arbeitslos werden. Denken Sie nur an die jährlich wiederkehrende revolutionäre 1. Mai Demo.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 20. November 2020 | 22:34

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