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Fahrt vom Wohnsitz zum regelmäßigen Arbeitsort / Dienst- oder Privatfahrt?

20. Mai 2011 19:17 |
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Steuerrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin,
sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

wir sind ein im Großraum NRW tätiges Intensivpflegeunternehmen und versorgen mit speziell geschulten Intensivpflegekräften dauerbeatmungspflichtige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung rund um die Uhr. Diese außerklinische Intensivpflege dient der Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Vitalfunktionen unserer Patienten und wird regelmäßig vollständig von den jeweils zuständigen Pflege- und Krankenkasse finanziert, mit denen wir entsprechende Versorgungsverträge auf Grundlage des fünften und elften Sozialgesetzbuches unterhalten.

Nehmen wir die Versorgung eines intensivpflegebedürftigen Patienten am Ort X auf, stellen wir zur intensivpflegerischen Versorgung des Patienten kurzfristig 4 bis 5 Pflegekräfte am jeweiligen Ort der Versorgung in Vollzeit ein. Dabei wird regelmäßig ein zweckbefristeter Anstellungsvertrag gem. TzBfG geschlossen, der z.B. mit Tod des Patienten oder Beendigung des Versorgungsvertrages (z.B. auch bei Genesung des Patienten) endet. Anders ist die Versorgung grundsätzlich nicht sicherzustellen, da insbesondere die hohen Personalkosten andernfalls erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bei Beendigung der Versorgung darstellen würden.

Im Arbeitsvertrag ist als Arbeitgeber unsere GmbH mit ihrem Firmensitz aufgeführt. Es heißt ferner im Arbeitsvertrag, dass der regelmäßige Arbeitsort ausschließlich der Ort der Patientenversorgung ist und der jeweilige Mitarbeiter auch ausschließlich zur Versorgung des jeweiligen Patienten eingesetzt werden darf.

Nun zum steuerrechtlichen "Problem":

Der zunehmende Pflegenotstand zwingt uns dazu, teilweise Pflegekräfte einzustellen, die bei einer Vollzeitstelle an 15 Diensten im Monat (12-Stunden-Schichten) eine Entfernung von bis zu 200 Km zum Patientenwohnsitz zurücklegen. Die jeweilige Pflegekraft hält sich dann 12 Stunden beim Patienten auf, bis sie von einer Kollegin bzw. einem Kollegen abgelöst wird. Zahlreiche Menschen benötigen immer wieder unsere Hilfe, damit eine Versorgung in häuslicher Umgebung überhaupt erst ermöglicht wird.

Der Mitarbeiter erhält aufgrund des Risikos, das er aufgrund des zweckbefristeten Anstellungsvertrages mitträgt, eine überdurchschnittliche Vergütung. Zusätzlich stellen wir den Mitarbeitern, gerade bei einer größeren Entfernung zwischen Wohnsitz und Ort der Patientenversorgung, häufig einen Dienstwagen zur Verfügung. Dazu unterschreibt der Mitarbeiter eine Dienstwagenvereinbarung, in der u.a. vereinbart ist, dass das Fahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Fahrten genutzt werden darf. Private Fahrten sind zu dokumentieren und werden mit 30 cent pro Km dem Mitarbeiter in Rechnung gestellt und vom Lohn/Gehalt abgezogen.

Unser Steuerberater ist nun der Meinung, dass es sich bei der Fahrt vom Wohnsitz des Mitarbeiters zum Ort der Patientenversorgung (die Mitarbeiter nehmen das Fahrzeug dann mit nach Hause) um eine dienstliche Fahrt handele. Unser Büro wird von den Mitarbeiter in der Regel überhaupt nicht aufgesucht. Der Arbeitsort ist in der Regel auch nicht wechselnd.

Ich habe nun als Geschäftsführer schon lange schlaflose Nächte und finde zu dieser Aussage einfach keine rechtlich fundierte Erklärung. Ich bin der Meinung, dass es sich hier doch um eine private Fahrt (Wohnsitz <-> Arbeitsort) handeln könnte mit der Folge, dass wir eigentlich verpflichtet wären, jeweils nach der 1 % - Regelung zu versteuern.

Wie ist hier die Rechtslage?

Kann ich mich, sollte ich richtig liegen, sogar wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben?

Würde ich richtig liegen, wäre die ganze Versorgung jedoch schlichtweg nicht realisierbar. Zahlreiche Menschen müssten zwangsläufig in stationären Einrichtungen untergebracht werden. Kein Mitarbeiter würde eine Anfahrt von z.B. 200 Km auf eigene Kosten in Kauf nehmen und dann erst gar keinen Arbeitsvertrag mit uns begründen. Auch wäre die Versteuerung nach 1 % Methode derart teuer (bei so einer Entfernung), dass dann ebenfalls eine Versorgung fast unmöglich wäre.

Es gibt einige ähnliche Intensivpflegeunternehmen wie wir und alle verfahren nach meiner Kenntnis genau so wie wir, stellen also einen Dienstwagen für die Fahrt vom Wohnsitz des Mitarbeiters bis zum Ort der Versorgung (des Patienten) zur Verfügung, ohne dass die 1 % Regelung zur Anwendung gelangt. Diese Mitbewerber haben teilweise deutlich mehr Mitarbeiter als wir, z.B. teilweise mehr als 1000 Mitarbeiter bei den bundesweiten Intensivpflegeunternehmen.

Wie ist hier zu verfahren und wie ist das "Problem" zu lösen, damit überhaupt eine solche Versorgungsform ermöglicht wird? Hat unser Steuerberater Recht und wenn ja auf welcher rechtlichen Grundlage basierend oder gibt es doch Zweifel?

Eine Mandatierung zur Erstellung einer steuerrechtlich konformen Vereinbarung mit den Mitarbeitern o.ä. ist nicht ausgeschlossen, sofern es einen gangbaren Lösungsweg für unser Problem gibt.

Ergänzend möchte ich noch mitteilen, dass wir in der Regel keine Mitarbeiter bei der Beendigung einer Versorgung kündigen. Es ist zumeist möglich, die jeweiligen Mitarbeiter in anderen Versorgungen an anderen Standorten einzusetzen. Dann wird jedoch wieder ein neuer zweckbefristeter Arbeitsvertrag für den dann jeweiligen Patienten geschlossen. Innerhalb des jeweiligen Anstellungsvertrages ist (s.o.) ein nicht wechselnder - insofern regelmäßiger - Arbeitsort festgelegt. Ist die Tätigkeit insofern z.B. mit der Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters zu vergleichen und wenn ja, ist in diesem Fall evtl. eine Dienstfahrt in der beschriebenen Konstellation gegeben?

Vielen Dank!

20. Mai 2011 | 20:25

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller:

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:

Kann der Arbeitnehmer das Kfz. auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen, erhöht sich der nach Satz 2 ermittelte private Nutzungswert (1% des Preises) monatlich für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um 0,03 vH des Listenpreises iSd. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (Nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 EStG k).

Eine isolierte Pauschalbewertung nach Satz 3 ohne die Anwendung von Satz 2 muss aber dann möglich sein, wenn das Fahrzeug lediglich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, nicht aber für sonstige Privatfahrten überlassen wird (Seitz, DStR 1996, 1 [3]; Lademann/Steiner, § 8 Rn. 109).

Hier ist vertraglich geregelt, dass das Auto nicht privat benutzt werden darf. Es ist somit den Geldvorteil der Überlassung des Autos mit 0,03 x einfache Entfernung in Km. pro Monat zu versteuern.

Entscheidend hier ist jedoch tatsächlich, ob die Fahrten zw. Wohnung des Arbeitnehmers und Wohnung des Kunden als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen sind. Denn nur in diesem Fall ist diese Regelung anwendbar.

Ich stimme insoweit der Ansicht Ihres Steuerberaters zu:

Regelmäßige Arbeitsstätte ist nach der Rspr. des BFH jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, dh. fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb (BFH v. 9.7.2009 - VI R 21/08 , BStBl. II 2009, 822 , mwN; v. 17.6.2010 - VI R 35/08 , BFH/NV 2010, 1912 , mwN).

Die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgeber ist aber nicht die regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmer (BFH v. 4.4.2008 - VI R 85/04 , BStBl. II 2008, 887 ). Hier sollte trotz privater Einrichtung (Wohnung des Kunden) dieser Grundsatz anwendbar sein.

Eine auswärtige Tätigkeitsstätte, die selbst keine regelmäßige Arbeitsstätte ist, wird nach der Rspr. des BFH auch nicht durch bloßen Zeitablauf von 3 Monaten zur regelmäßigen Arbeitsstätte bzw. zum Tätigkeitsmittelpunkt iSd. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 (BFH v. 19.12.2005 - VI R 30/05 , BStBl. II 2006, 378 ).

Im Endergebnis sollte sich um eine dienstliche Fahrt handeln, dem Außendienst vergleichbar.

Sprechen Sie Ihren Steuerberater an und fragen Sie nach der Begründung seiner Annahme, es handele sich um Dienstfahrten. Ich vermute, Sie bekommen die von mir ausgeführte Erklärung.

Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen.


Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
Fachanwalt für Migrationsrecht

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