Guten Tag,
ausweislich Ihrer Schilderung gibt es mehrere Punkte, die zu prüfen sind, da der Übergang des Risikos und der Abschluss eines Kaufvertrages unklar erscheinen.:
Nach meinem Verständnis wurde Ihr ursprünglich geleastes Jobrad gestohlen, wiedergefunden und an Sie zurückgegeben.
Da der Leasingvertrag nicht wieder aufgenommen werden konnte und die zugehörige Versicherung das Fahrrad abholen sollte – was jedoch nicht geschah –, übernahm ein Händler das Fahrrad und wollte es Ihnen verkaufen.
Aufgrund von Beschädigungen wurde vereinbart, dass eine Fahrradwerkstatt den Schaden schätzt, um sich auf einen Kaufpreis zu einigen.
Es bestand zwar Kaufinteresse, aber es kam noch zu keinem verbindlichen Kaufvertrag, da die Preisfindung noch nicht abgeschlossen war.
Nachdem Sie das Fahrrad zur Begutachtung in die Werkstatt gebracht hatten, hielten Sie während eines 3-4-stündigen Zwischenstopps in der Stadt das Fahrrad (ordentlich angekettet) unter eigener Obhut – und es wurde erneut gestohlen.
Weder Ihre eigene Versicherung noch die Versicherung des Händlers übernehmen den Schaden, und Sie haben keine separate Fahrradversicherung.
Nun fordert der Händler 1.300 € zur „Begleichung" des Schadens.
Wer trägt grundsätzlich das Risiko?
Im deutschen Kaufrecht gilt – sofern nichts anderes vereinbart wurde – dass das Risiko für zufällige Schäden oder Verlust grundsätzlich mit dem Gefahrübergang auf den Käufer übergeht. Der Zeitpunkt des sogenannten „Gefahrübergangs" ist entscheidend und richtet sich meist danach, wann das Fahrrad dem Käufer übergeben wird.
Bei einem voll abgeschlossenen Kaufvertrag geht das Risiko in der Regel mit der Übergabe auf den Käufer über. Wenn also bereits ein verbindlicher Kaufvertrag bestand und das Fahrrad übergeben wurde, läge das Risiko beim Käufer.
Wenn noch kein verbindlicher Kaufvertrag zustande gekommen ist, hat sich der Vertrag noch nicht vollständig gefestigt und der Händler könnte noch das Risiko tragen. Gerade wenn nur ein Kaufinteresse vorlag und Sie das Fahrrad zur Begutachtung erhielten, ist unklar, ob – und ab wann – das Risiko bereits auf Sie übergegangen ist.
Da sich die Parteien lediglich auf eine Bewertung des Schadens geeinigt haben und noch keine abschließende Preisvereinbarung bzw. ein Kaufvertrag vorliegt, ist auch der Zeitpunkt des Risikoübergangs unklar.
Nutzung und Verwahrung:
Während des 3-4-stündigen Stopps in der Stadt hatten Sie das Fahrrad in Ihrem Gewahrsam – allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend geregelt, ob Sie bereits als Käufer auftreten oder ob der Händler das Risiko noch trägt.
Der Händler stellt Ihnen nun eine Rechnung für 1.300 €, was er als Schadensersatz bzw. Kaufpreis ansetzt. Es stellt sich die Frage, ob Sie diesen Betrag zahlen müssen oder ob – aufgrund des unvollständigen Vertragsabschlusses – das Risiko noch beim Händler liegt.
Mögliches weiteres Vorgehen:
Schauen Sie sich alle schriftlichen und elektronischen Kommunikation, Angebote, und Vereinbarungen genau an. Wurde Ihnen etwa schriftlich ein verbindlicher Kauf zugesichert oder blieb es bei einer unverbindlichen Absichtserklärung?
Klärung des Risikoübergangs:
Klären Sie, ab welchem Zeitpunkt – nach Ihrer Auffassung – das Risiko des Fahrrads auf Sie übergegangen sein sollte. War es bereits bei der Übergabe aus der Werkstatt oder erst später?
Wenn noch kein verbindlicher Kaufvertrag vorlag, könnte argumentiert werden, dass das Risiko weiterhin beim Händler bzw. der Versicherung liegen muss!
Schriftliche Stellungnahme an den Händler:
Senden Sie dem Händler eine schriftliche Rückmeldung, in der Sie – unter Berufung auf den noch nicht geschlossenen Kaufvertrag und die damit fehlende klare Risikoübernahme – um eine Konkretisierung der Vertragsbedingungen bitten. Verlangen Sie, dass der genaue Zeitpunkt des Gefahrübergangs schriftlich festgehalten wird.
Viele Grüße
Antwort
vonRechtsanwalt Valentin Becker
Meisenweg 14
41239 Mönchengladbach
Tel: 01722456077
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Valentin-Becker-__l108658.html
E-Mail:
Hallo, vielen Dank für die Antwort. Sie haben den Sachverhalt korrekt wiedergegeben.
Es gab noch keinen Kaufvertrag, auch keinen mündlichen. Daher sollte das Risiko eigentlich auch noch nicht übergangen sein auf mich.
Die entscheidende Frage für mich ist, ob ich durch den Stopp in der Stadt verantwortlich gemacht werden kann, den Schaden zu tragen? Wenn ich weiter gegen die Forderung vorgehe, zur Not mit dem Anwalt, kommen weitere Kosten auf mich zu. Vor allem wenn die realistische Chance besteht, dass ich final tatsächlich das Fahrrad bezahlen muss, dann lohnt es sich für mich nicht, Geld in die Abwehr der Forderung zu bezahlen.
Die entscheidende Frage ist also, ob Ihr Zwischenstopp in der Stadt dazu führen könnte, dass Ihnen das Risiko für den Diebstahl auferlegt wird.
Hatte Ihr Zwischenstopp eine rechtliche Auswirkung auf das Risiko?
Da kein Kaufvertrag bestand, dürfte das Risiko grundsätzlich beim Händler geblieben sein. Die Tatsache, dass Sie mit dem Fahrrad unterwegs waren, ändert daran nicht automatisch etwas, es sei denn:
Es gab eine ausdrückliche Absprache, dass Sie das Fahrrad nur für den direkten Werkstattbesuch nutzen durften.
Sie hätten das Fahrrad grob fahrlässig verwahrt, z. B. ohne Schloss oder an einem unsicheren Ort (was hier nicht der Fall war, da es angekettet war).
Da der Händler Ihnen das Fahrrad zur Begutachtung überlassen hat, ohne klare Regeln zur Nutzung festzulegen, trägt er weiterhin das Risiko – es sei denn, er kann beweisen, dass Sie fahrlässig oder vertragswidrig gehandelt haben.
Lohnt sich der Widerstand gegen die Forderung?
Wenn Sie gegen die Forderung vorgehen, haben Sie gute Chancen, nicht zahlen zu müssen. Da es keinen Kaufvertrag gab, müsste der Händler nachweisen, dass Sie in einer Art „Obhutspflicht" waren und den Diebstahl hätten verhindern müssen – was angesichts Ihrer ordnungsgemäßen Sicherung schwierig ist.
Die Kosten einer anwaltlichen Vertretung hängen vom Streitwert (1.300 €) ab. Falls der Händler auf Zahlung klagt und Sie verlieren, müssten Sie nicht nur die 1.300 €, sondern auch Anwalts- und Gerichtskosten zahlen. Falls Sie gewinnen, trägt der Händler die Kosten.
Insgesamt erscheint mir aber das Prozesskostenrisiko bei dem Streitwert von 1.300€ noch überschaubar:
https://www.juris.de/jportal/nav/services/prozesskostenrechner/index.jsp
Wenn Sie Risiken vermeiden wollen, könnten Sie schriftlich widersprechen und betonen, dass kein Kaufvertrag vorlag und das Risiko nicht bei Ihnen lag.
Falls der Händler nicht nachgibt, eine außergerichtliche Einigung vorschlagen (z. B. eine Teilzahlung).
Falls der Händler nicht nachgibt und eine Klage droht, könnten Sie dann entscheiden, ob Sie lieber zahlen oder mit anwaltlicher Vertretung weiterkämpfen.
Entsprechende Anwaltskontakte für Vertragsrecht finden Sie etwa hier auf dieser Plattform oder auch unter:
https://anwaltauskunft.de/anwaltssuche
Viele Grüße