Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
das Handeln des Finanzamtes könnte hier je nach konkreter Ausstattung und Umgebung der Wohnung nach durchaus rechtmäßig sein und den Vorgaben des § 76 Bewertungsgesetz entsprechen.
Zitat:§ 76 Bewertung
(1) Der Wert des Grundstücks ist vorbehaltlich des Absatzes 3 im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 bis 82) zu ermitteln für
1. Mietwohngrundstücke,
2. Geschäftsgrundstücke,
3. gemischtgenutzte Grundstücke,
4. Einfamilienhäuser,
5. Zweifamilienhäuser.
(2) Für die sonstigen bebauten Grundstücke ist der Wert im Wege des Sachwertverfahrens (§§ 83 bis 90) zu ermitteln.
(3) Das Sachwertverfahren ist abweichend von Absatz 1 anzuwenden
1. bei Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach Absatz 1 zu bewertenden Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern unterscheiden;
2. bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke der in § 75 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Grundstücksarten, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 geschätzt werden kann;
3. bei Grundstücken mit Behelfsbauten und bei Grundstücken mit Gebäuden in einer Bauart oder Bauausführung, für die ein Vervielfältiger (§ 80) in den Anlagen 3 bis 8 nicht bestimmt ist.
Falls das Finanzamt hier intern zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei der Wohnung eine Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren nicht angemessen ist, wäre also die abweichende Bewertung zulässig. Wenn sich die Wohnung mit den anderen in dem Gebäude befindlichen Wohnung nicht vergleichen läßt, z.B. weil es die einzige vermietete Wohnung ist oder aus sonstigen Gründe kein Vergleich möglich ist, wäre dies im Einzelfall zulässig. Allerdings ist dies eigentlich die Ausnahme.
Sie können jetzt also das Finanzamt darauf hinweisen, dass Sie für die Wohnung auch das Ertragswertverfahren für angebracht halten. Dies sollten Sie insbesondere dann tun, wenn die Wohnung eine vergleichsweise geringe Miete einbringt und bei einem Verkauf einen sehr guten Ertrag erbringen würde. Sie können zudem auch nach der Motivation des Finanzamtes fragen.
Theoretisch könnten Sie sogar Klage dagegen erheben, dass nicht das eigentlich vorgesehene Ertragswertverfahren zu Anwendung kommt. Die Rechtsprechung stellt hier relativ hohe Anforderungen an die Begrünung des Finanzamtes, siehe z.B. Bundesfinanzhof II R 12/04:
Zitat:Zur Ausfüllung der in § 76 Abs. 3 Satz 1 BewG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe "besondere Gestaltung", "besondere Ausstattung" und "wesentliche Unterscheidung" bedarf es zunächst der Feststellung, ob das zu beurteilende Objekt --gemessen an den Verhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt-- besondere Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale aufweist, die es von der Mehrzahl der Zweifamilienhäuser unterscheidet. Sodann ist in einem weiteren gedanklichen Schritt abzuwägen, ob diese Merkmale zu einer wesentlichen Unterscheidung führen. Beide Subsumtionsschritte verlangen jeweils eine Wertung (BFH-Urteile vom 11. November 1998 II R 17/97, BFH/NV 1999, 593 ; vom 7. November 2000 II R 45/99, BFH/NV 2001, 583 ).
b) Das FG ist in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze und auf der Grundlage der --von ihm zu Unrecht als letztlich nicht maßgeblich angesehenen-- Verhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt ausdrücklich zum Ergebnis gelangt, der Wert des Objekts der Klägerin sei im Sachwertverfahren zu ermitteln. Dies ergebe sich aus den besonderen Ausstattungsmerkmalen des Objekts (Schwimmbad, Treppen in Naturstein, Isolierverglasung, teilweise eingebaute Wandschränke, Fußböden aus Solnhofer Platten und zwei offene Kamine in Naturstein) sowie aus der Größe und Gestaltung des Wohnzimmers.
Später können Sie auch immer noch unabhängig von der letztlich angewandten Methode gegen den Wertansatz Einspruch erheben werden. Dann wird der Wert durch einen Gutachter ermittelt. In der Regel wird die Schätzung des Finanzamtes aber eher unter dem tatsächlichen Wert liegen, es sei denn das Gebäude bzw. die Wohnung ist außerordentlich baufällig/sanierungsbedürftig.
Empfehlenswert ist es daher eigentlich vor der Beauftragung des Gutachters erstmal abzuwarten, zu welchem Ergebnis das Finanzamt kommt. Wenn dieser Wert mit Ihren Vorstellungen übereinstimmt, können Sie sich die Kosten einsparen.
Im Ergebnis sollten Sie also zunächst überlegen, ob nicht vielleicht das Sachwertverfahren eventuell sogar günstiger ist (wenn z.B. die Miete relativ hoch, das Objekt aber alt ist. Wenn Sie denken bei dem Ertragswert besser wegzukommen können Sie das Finanzamt entsprechend darauf hinweisen und auch gegen diese Entscheidung sowie gegen den später (unabhängig mit welcher Methode) ermittelten Wert vorgehen.
Ich hoffe Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben und wünschen Ihnen noch einen schönen Tag und viel Erfolg beim weiteren Vorgehen.
Mit freundlichen Grüßen,
RA Fabian Fricke