Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworte.
Das Ergebnis des Verlustrücktrages hält das Finanzamt in einem gesonderten Verlustfeststellungsbescheid fest - das ist der sog. »verbleibende Verlustvortrag« für das jeweils folgende Jahr ohne zeitliche Begrenzung (§ 10 d Abs. 4 EStG
). Wurde der Verlust des laufenden Jahres vollständig im Vorjahr verrechnet, ergibt sich ein verbleibender Verlustvortrag von € 0, andernfalls in Höhe des übrig gebliebenen Verlustes. Dieser steht Ihnen dann für einen Verlustvortrag zur Verfügung.
Eine gesonderte Verlustfeststellung ist aufgrund einer Gesetzesänderung seit 2007 nach Ablauf der vierjährigen (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO
) bzw. siebenjährigen (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO
) Feststellungsfrist (Verjährungsfrist) für den Veranlagungszeitraum nicht mehr möglich, in dem der Verlust entstanden ist (§ 10 d Abs. 4 Satz 6 EStG
). Nach geänderter BFH-Rechtssprechung ist diese gesetzliche Neuregelung auch für vor 2007 entstandene Verluste anwendbar (BFH, Urteil vom 17.09.2008, Az.: IX R 70/06
).
Ein verbleibender Verlustvortrag ist vom Finanzamt auch dann gesondert festzustellen, wenn Sie zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet sind und auch freiwillig keine abgeben (BMF-Schreiben vom 30.11.2007, BStBl. 2007 I S. 825). Im Mantelbogen Seite 1 oben ist dann nur das Kästchen »Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages« anzukreuzen.
Der festgestellte, nach dem Rücktrag evtl. noch verbleibende Verlustbetrag - oder bei Verzicht auf einen Verlustrücktrag der gesamte Verlustbetrag - wird vom Finanzamt zwingend mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Folgejahres bis zu einer Million Euro (bei zusammen veranlagten Ehegatten bis zum doppelten Betrag) verrechnet, und zwar vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen (§ 10 d Abs. 2 EStG
). Verfassungsgemäß ist, dass der Verlust zwingend auch in solche Veranlagungszeiträume vorgetragen wird, in denen der Steuerpflichtige nur ein Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags hat (BFH-Urteil vom 26.7.2005, XI B 93/03
).
Bleibt bei hohen Verlustvorträgen nach der Verrechnung noch etwas übrig, wird dieser Überhang weiter vorgetragen und bis zu 60 % des Gesamtbetrages der Einkünfte jedes Folgejahres ausgeglichen. Kann im Folgejahr der Verlustvortrag nicht vollständig verrechnet werden, geht er in den Verlustfeststellungsbescheid dieses Jahres ein. Der Verlustvortrag kann im Gegensatz zum Verlustrücktrag von Ihnen nicht begrenzt werden.
Damit das Finanzamt den Verlustvortrag vornimmt, müssen Sie im Mantelbogen Seite 2 unten in der Zeile 55 das Kästchen »Es wurde ein verbleibender Verlustvortrag...festgestellt« ankreuzen. Ferner ist in jedem Folgejahr, in das der zum 31.12. des Vorjahres gesondert festgestellte Verlust vorgetragen wird, im Mantelbogen auf der Seite 1 oben zusätzlich das Kästchen »Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages« anzukreuzen.
Vor diesem Hintergrund kann ich Ihre Fragen daher zusammenfassend wir folgt beantworten:
1. Der für das Jahr 2002 festgestellt verbleibende Verlustvortrag kann auf Gewinn 2006 und abhängig vom verbleibenden Verlustvortrag auf das Folgejahr angerechnet werden.
2. Sofern Ihr zuständiges Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag für 2003 und 2004 nicht gesondert festgestellt hat, obwohl Sie nicht verpflichtet waren eine Steuererklärung abzugeben, können Sie dies durch Einreichung eines Antrages (Mantelbogen S. 1: "Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages") erwirken. Das Finanzamt muss den Verlustvortrag zwingend vornehmen. § 10d Abs. 4 S. 1 EStG
ist eine SOLL-Vorschrift. Dem Finanzamt steht insoweit keinen Ermessensspielraum zu.
3. Eine Korrektur des Feststellungsbescheides für das Jahr 2005 ist insoweit nicht notwendig. Die vom Finanzamt vorzunehmende Feststellung des verbleibenden Verlusvortrages führt diese "Korrektur" herbei.
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