Gerne zu Ihren Fragen, die deutlich den klassischen Konflikt zwischen nachlassgerichtlicher und grundbuchrechtlicher Betrachtung aufzeigen, wobei unterschiedliche Anforderungen an die Form des Nachweises der Rechtsnachfolge gestellt werden.
Das Nachlassgericht beurteilt die Erbfolge materiell inhaltlich; das Grundbuchamt hingegen formell und grundbuchrechtlich. Diese Ämter agieren funktional unabhängig, auch wenn sie organisatorisch unter dem gleichen Dach des Amtsgericht geführt werden.
Das Nachlassgericht hat in Ihrer telefonischen (!?) Auskunft (die schon deshalb materiell wenig belastbar wäre) erklärt, dass ein Erbschein nicht erforderlich sei. Diese Einschätzung bezieht sich in der Regel auf Situationen, in denen ein notarielles Testament oder Erbvertrag vorliegt (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO), der eine eindeutige Erbeinsetzung enthält. In diesen Fällen genügt zur Legitimation vor dem Grundbuchamt regelmäßig die beglaubigte Abschrift mit Eröffnungsvermerk.
Das Grundbuchamt prüft jedoch strikt, ob aus dem vorgelegten Dokument (hier die beiden (?! - schon das ein Unsicherheitsfaktor) Erbverträge) tatsächlich eine Erbenstellung eindeutig hervorgeht – und nicht lediglich ein Vermächtnis.
Wenn – wie offenbar bei Ihnen – in den Erbverträgen nicht ausdrücklich Sie und Ihr Geschwisterteil als Erben eingesetzt, sondern lediglich als Vermächtnisnehmer hinsichtlich des Hauses benannt wurden, dann liegt formal-rechtlich keine Erbfolge im Sinne des § 35 GBO vor, sondern lediglich ein Vermächtnis nach § 2174 BGB.
Ein Vermächtnis verschafft - wie Sie ja wissen - keine dingliche Rechtsposition, sondern nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Übertragung des Eigentums (Herausgabevermächtnis).
Daher hat das Grundbuchamt formaljuristisch Recht, wenn es eine Auflassung und Erbschein fordert. Denn:
Ohne eindeutige Erbeneinsetzung ist der Grundbuchvollzug nicht ohne Erbschein möglich.
Für eine Eintragung aufgrund eines Vermächtnisses ist die Mitwirkung der Erben erforderlich (§§ 873, 925 BGB), was wiederum die Feststellung ihrer Person mittels Erbschein oder notarieller Erbausschlagungserklärungen aller übrigen Erben voraussetzt.
Mithin liegt der Kern des Problems in § 35 Absatz 1 Satz 2 GBO (fett unterlegt).
Zitat:§ 35 GBO
(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen.
Dieses "kann" ist justiziabel, was dann wiederum zum Nachlassgericht führt.
Ihre angefragte Alternative: Beantragung eines gemeinschaftlichen Erbscheins
Wenn eine Einigung über die Erfüllung des Vermächtnisses mit anschließender notarieller Auflassung nicht möglich oder zu aufwendig ist, empfehle ich:
- Beantragung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für Sie und Ihr Geschwisterteil. Das ist in Ihrem Fall besonders naheliegend, weil bzw. wenn:
- Sie gesetzliche Erben sind (nur Sie zwei),
- Es keine Streitigkeiten gibt,
- Der Erbschein kostengünstiger ist als in komplexeren Erbfällen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen