Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Richtig, zunächst wäre dafür eine Satzungsänderung herbeizuführen.
Allerdings habe ich Zweifel, ob eine derartige elektronische Abstimmung ohne Weiteres gültig ist, da sie an die nachfolgenden Bedingungen geknüpft ist.
Die Stimmabgabe ist eine empfangsbedürftige, bedingungsfeindliche Willenserklärung, es gelten die §§ 104
ff. Bürgerliches Gesetzbuch.
Das Stimmrecht ist persönlich auszuüben; eine Abstimmung unter telefonischer Zuschaltung einzelner Mitglieder ist z. B. unzulässig.
Zudem ist nach dem Gesetz die Stimmabgabe "in" also während der Mitgliederversammlung notwendig, was ans sich eine Stimmabgabe vor der Mitgliederversammlung ausschließt.
Jedoch habe ich im Rahmen einer ersten Recherche z. B. folgendes Satzungsbestimmung eines Vereins gefunden:
"Die Beschlussfassung kann auch auf Initiative des Vorstandes durch ein geeignetes elektronisches Abstimmungstool im geschützten Mitgliederbereich der Internetseite des Vereins erfolgen, sofern die Satzung dies nicht ausschließt. Bei elektronischer Abstimmung sind die Mitglieder mindestens vier Wochen vor Abstimmungstermin unter Nennung des Abstimmungsgegenstandes und notwendigen Erläuterungen davon schriftlich oder per elektronischer Post in Kenntnis zu setzen."
Die elektronische Form ist in § 126a BGB
geregelt:
"Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen."
Die qualifizierte elektronische Signatur wird wegen des mit ihr verbundenen Kosten- und technischen Aufwands nur von wenigen professionellen Kreisen genutzt, weshalb dieses zu überlegen wäre.
Nach meiner Prüfung ist jedenfalls eine elektronische Abstimmung denkbar, nach den Maßstäben des § 126a BGB
.
Wenn in der Satzung dazu nichts geregelt ist, ist eine Beschlussfassung außerhalb der Mitgliederversammlung nach § 32 Abs. 2 BGB
nur einstimmig möglich. Jedes Mitglied muss seine Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich (§ 126 BGB
) oder in elektronischer Form (§ 126a BGB
) erklären.
Die Satzung kann auch eine Beschlussfassung in einer Online-Mitgliederversammlung vorsehen.
Aus § 32 Abs. 2
i. V. m. § 40 BGB
folgt, dass die Satzung auch generell eine virtuelle Mitgliederversammlung vorsehen kann.
Satzungsregelungen über eine Online-Mitgliederversammlung müssen die Abläufe dieser Versammlungen so gestalten, dass nur Vereinsmitglieder und deren Vertreter, soweit eine Vertretung zulässig ist, teilnehmen und ihre Stimme abgeben können.
Denkbar ist aber ein Gleichheitsverstoß soweit einige Mitglieder keinen Internetzugang haben und ihnen auch nicht zumutbar ist, sich einen entsprechenden Zugang (und sei es auch nur durch Besuch eines Internetcafés) zu beschaffen.
Doch kann das nur gelten, wenn die virtuelle Mitgliederversammlung nachträglich eingeführt wird, da Gründer und Beitretende sich bewusst auf die in der Satzung geregelte Form der Mitgliederversammlung einlassen.
Nochmals zu Ihren Ausgangsfragen:
Rechtlich denkbar und möglich ist also eine derartige Konstruktion unter den vorgenannten Voraussetzungen.
Gleichwohl ist es unbedingt anzuraten, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Satzungsänderung nochmals gesondert von einem Anwalt prüfen und ggf. erstellen zu lassen.
Das ist für eine bestmögliche Rechtssicherheit unerlässlich.
Technisch müsste die qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz eingeführt werden.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Ich danke Ihnen herzlich!
Darf ich noch kurz folgende Rückfrage stellen:
Wenn ich Sie richtig verstehe, wäre also eine Stimmabgabe(unabhängig von der Frage, ob sie nun elektronisch erfolgt) vor Durchführung der Versammlung ohnehin nicht möglich?
Nochmals vielen Dank
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
ja, sagen wir mal so, dann macht die Mitgliederversammlung wenig Sinn mehr bzw. nach § 32 Abs. 2 BGB
muss "Einstimmigkeit" erzielt werden, was ggf. sehr schwierig sein kann.
Es müsste dann schon entweder
- eine virtuelle Mitgliederversammlung
- oder eine Beschlussfassung außerhalb der Mitgliederversammlung
stattfinden.
Letzteres ist dann ein rein schriftliches Verfahren, was auch mit der elektronischen Form möglich ist.
Ich würde dann, um dieses auf eine Linie zu bringen eine virtuelle Mitgliederversammlung einführen.
Also ganz ausgeschlossen ist die vorherige Stimmabgabe nicht. Bei mangelnder Einstimmigkeit oder fehlender virtueller Mitgliederversammlung geht es aber nicht, soweit die Satzung dazu ganz konkret nichts anderes regelt.
§ 32 Abs. 2 BGB
enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken insoweit, als bei Einverständnis aller Mitglieder auf jegliche Förmlichkeit verzichtet werden kann. Die Satzung kann auch Mehrheitsbeschlüsse im Wege schriftlicher Abstimmung zulassen.
Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt