Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Entziehung Minderjähriger (§ 235 StGB)
Nach § 235 StGB wird bestraft, wer eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List einem Elternteil entzieht oder vorenthält. Für Kinder unter 14 Jahren ist auch die Entziehung ins Ausland oder das Vorenthalten im Ausland strafbar. Im vorliegenden Fall ist das Kind 12 Jahre alt, sodass die Vorschriften des § 235 Abs. 2 StGB einschlägig sein können.
Allerdings ist zu beachten, dass bei gemeinsamem Sorgerecht beide Elternteile grundsätzlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam ausüben. Verlässt ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteils mit dem Kind dauerhaft den Familienwohnsitz, überschreitet er das ihm zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dies kann eine Verletzung des Sorgerechts darstellen.
Ob eine Strafbarkeit nach § 235 StGB vorliegt, hängt davon ab, ob die Wegnahme des Kindes mit Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List erfolgte.Grundsätzlich ist für Kinder über 14 Jahren zwingend eines dieser qualifizierenden Merkmale erforderlich. Bei Kindern unter 14 Jahren reicht das Entziehen oder Vorenthalten im Ausland aus. Da das Kind 12 Jahre alt ist, könnte bereits das dauerhafte Verbringen an einen unbekannten Ort ohne Zustimmung des anderen Elternteils den Tatbestand erfüllen, insbesondere wenn das Kind ins Ausland verbracht oder dort vorenthalten wird.
2. "Hirnwäsche" und psychische Beeinflussung
Die im Sachverhalt geschilderte "Hirnwäsche" ist rechtlich schwer zu fassen. Eine gezielte psychische Beeinflussung des Kindes, um es dem anderen Elternteil zu entfremden, kann familienrechtlich relevant sein, insbesondere im Rahmen von Sorgerechts- oder Umgangsverfahren. Strafrechtlich ist eine solche Beeinflussung jedoch nur dann relevant, wenn sie mit den in § 235 StGB genannten Mitteln (Gewalt, Drohung, List) erfolgt und zur Entziehung oder Vorenthaltung des Kindes führt.
3. Weitere Straftatbestände
Andere Straftatbestände wie Nötigung (§ 240 StGB) oder Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) könnten nur dann einschlägig sein, wenn das Kind gegen seinen Willen festgehalten oder zu einer Handlung gezwungen wurde. Aus dem Kontext ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass dies hier der Fall war.
4. Zivilrechtliche Konsequenzen
Unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung liegt bei gemeinsamem Sorgerecht ein Verstoß gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht vor, wenn ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen das Kind dauerhaft an einen anderen Ort verbringt. Dies kann familiengerichtliche Maßnahmen nach sich ziehen, etwa die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den zurückbleibenden Elternteil.
Fazit:
- Wurde das Kind ohne Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils dauerhaft an einen anderen Ort verbracht, liegt ein Verstoß gegen das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht vor.
- Strafrechtlich kommt eine Strafbarkeit nach § 235 StGB in Betracht, insbesondere wenn das Kind unter 14 Jahre alt ist und ins Ausland verbracht oder dort vorenthalten wird, oder wenn die Wegnahme mit Gewalt, Drohung oder List erfolgte.
- Die "Hirnwäsche" ist strafrechtlich nur relevant, wenn sie als List im Sinne des § 235 StGB zu werten ist.
- Zivilrechtlich kann der andere Elternteil die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Rückführung des Kindes beim Familiengericht beantragen.
Eine abschließende strafrechtliche Bewertung hängt von den genauen Umständen ab, insbesondere davon, ob Gewalt, Drohung oder List angewendet wurden und ob das Kind ins Ausland verbracht wurde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine Strafbarkeit nach § 235 StGB eher zweifelhaft, ein familienrechtlicher Verstoß aber wahrscheinlich.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
12. August 2025
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12:20
Antwort
vonRechtsanwalt Deniz Altundag
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