Sehr geehrter Fragesteller,
auf Grundlage Ihrer Angaben zum Sachverhalt lässt sich folgendes sagen, wobei ich Ihnen vor einem eventuellen Beschreiten des Rechtsweges eine umfassende rechtliche Prüfung aller vorhandener Fakten im Detail empfehle, wozu Ihr Rechtsberater auch die Bauakten und den Bebauungsplan einsehen muss:
1) Die Baugenehmigung einschließlich zugehöriger Befreiung aus 1995 ist mangels Umsetzung eindeutig erloschen, wenn sie nicht vom Bauamt alle drei Jahre verlängert wurde. Davon ist wohl angesichts des Zeitablaufs und der damaligen Rückbauverfügung nicht auszugehen. Mangels wirksamer Baugenehmigung besteht dann auch kein Bestandsschutz. Ungeachtet dessen könnte die damalige Baugenehmigung den Umbau aus der Zeit nach 2006 nicht legitimieren.
2) Wegen Fehlens der Baugenehmigung ist das Gebäude aber nur dann (formell) rechtswidrig, wenn es genehmigungsbedürftig ist. Ein Wochenendhaus im festgesetzten Wochenendhausgebiet wäre nach Punkt 8.2 der Anlage zu § 60 NBauO verfahrensfrei und bedürfte keiner Baugenehmigung. Wenn allerdings Ihr Nachbar das Gebäude tatsächlich dauerhaft nutzt, ist es kein Wochenendhaus und daher genehmigungsbedürftig. Die Frage der Rechtswidrigkeit wegen fehlender Genehmigung hängt also wohl von der Beweislage ab.
3) Für Sie kommt es aber vor allem darauf an, ob die Anlage Ihres Nachbarn (materiell) rechtswidrig ist, weil sie nachbarschützende Vorschriften verletzt, auf die Sie sich als Nachbar berufen können. Ein Bestandsschutz stünde ja nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls für die von Ihnen angenommene Verletzung des Abstandsflächenrechts. Wenn Sie ebenfalls innerhalb des Wochenendhausgebietes liegen, haben Sie auch einen sogenannten Gebietserhaltungsanspruch darauf, dass auch der Nachbar die Nutzugsart Wochendhaus einhält. Keinen Anspruch haben Sie aber auf die Einhaltung sonstiger baurechtlicher Vorschriften.
4) Wenn Sie demnach nachbarschützende Rechte geltend machen können (Abstandsflächen, Gebietserhaltung), können Sie diese Rechte sowohl im Zivilrechtsweg gegen den Nachbarn als auch im Verwaltungsrechtsweg gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend machen. Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile, die in jedem Fall im Einzelnen abzuwägen sind. In der Regel wählt man den Verwaltungsrechtsweg.
Auf dem Verwaltungsrechtsweg müssten Sie zunächst Nachbarbeschwerde bei der Bauaufsicht einlegen (was Sie vielleicht schon getan haben) und ein Einschreiten verlangen. Wenn dies abgelehnt wird, können Sie dagegen Widerspruch einlegen und bei dessen Zurückweisung vor dem Verwaltungsgericht klagen. Da nach Ihren Andeutungen wohl eher ein Widerwille der Behörde zu erwarten ist, kann das dauern. Daher besteht durchaus die Möglichkeit eines Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, das allerdings nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn Sie einen eindeutigen Abstandsflächenverstoß belegen können.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Hinweisen behilflich sein.
Mit besten Grüßen
Diese Antwort ist vom 12.04.2017 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Martin Schröder
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Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
danke für Ihre erste Einschätzung.
Gemäß der mir vorliegenden Baugenehmigung handelt es sich um ein Genehmigungspflichtiges Bauobjekt gem. § 68 NBauO.
Ich habe Sie recht verstanden, das die damals ausgegebene Baugenehmigung untergegangen ist und damit auch die darin inkludierte Befreiung. Diese Befreiung besagte, das über die Baugrenze hinaus die Erweiterung bis auf 3 Meter an unser Grundstück zugelassen wird obwohl hier ein Abstand laut Bebauungsplan von 7 Metern einzuhalten wäre.
Hier ist, neben dem Anspruch aus der Gebietserhaltung, drittschützende Wirkung vorhanden.
Der Nachbar wohnt in einem ausgewiesenen Sondergebiet nach § 10 BauNVo - hier Wochenendhausgebiet - in dem nach allgemeiner Rechtssprechung bis zum OVG hin Dauerwohnen nicht zulässig ist.
Da es sich ja - ausgehend von keiner vorhandenen Baugenehmigung um einen "Schwarzbau" handelt, bin ich ja als Nachbar, schon aufgrund der unzulässigen Nutzung, dahingehend beeinträchtigt, das von diesem Objekt permanent Lärm ausgeht und das 7 Tage die Woche.
Würde es Ihnen helfen Ihre getätigte Aussage zu fundamentieren wenn ich Ihnen per Email eine Kopie des Bebauungsplanes sowie der damals erteilten Genehmigung zukommen lassen würde ? Nötigenfalls auch gegen Erhöhung des "Einsatzes" ?
Mir fehlt aber in meiner zuerst gestellten Fragekonstellation die Erklärung dazu, ob die Baugnehmigung nicht schon deshalb rechtlich nicht zulässig war und somit ungültig, da es aufgrund der darin enthaltenen Befreiung keinen schriftlichen Antrag dazu gab ? Da hierzu ein schriftlicher Antrag zwingend vorgeschrieben ist - gleich wie bei der Beantragung der Baugenehmigung - um Rechtsgültigkeit zu erlangen, ist die logische Folgerung daraus - kein schriftlicher Befreiungsantrag - keine Rechtsgültigkeit diesbezüglich und/oder sogar der kompletten Baugenehmigung.
Mit freundlichen Grüßen
Die aktuell geltende NBauO stammt aus 2012. 1995 und 2006 galten andere Vorschriften, es gab auch früher die Genehmigungsfreiheit in bestimmten beplanten Bereichen noch nicht. Die Aussage, die Sie der alten Baugenehmigung entnehmen, ist also wahrscheinlich nicht mehr gültig.
Die Abstandsflächenvorschriften, auf die Sie sich berufen können, ergeben sich aus der NBauO. Danach würden wahrscheinlich 3 Meter genügen. Ob die Abstandsverkürzung nach Bebauungsplan nachbarschützend wirkt, ist nach der Rechtsprechung eine Frage des Einzelfalles und wäre genau zu prüfen.
Gegen unzulässige Lärmbelästigung können Sie sich natürlich auch wehren, aber das ist keine Frage der baurechtlichen Zulässigkeit, sondern der immissionsschutzrechtlich zu würdigenden Nutzung.
Eine antragsbedürftige Befreiung ohne erforderliche Schriftform des Antrages wäre zwar rechtswirdig, aber gleichwohl wirksam, wenn sie bestandskräftig wird. Darauf kommt es aber in Ihrem Fall nicht an, wenn die Baugenehmigung sowieso erloschen ist.
Sie können mir die Unterlagen gern auf meine Kanzleimailadresse senden.
Mit besten Grüßen