Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre ausführliche Schilderung. Der Umgang mit übermäßigen Toilettengängen ist arbeitsrechtlich tatsächlich nicht ganz einfach, zumal es sich hier um Auszubildende handelt, die zudem noch unter dem besonderen Schutz des Berufsbildungsgesetzes stehen. Dennoch gibt es Handlungsmöglichkeiten.
1. Toilettenpausen als Arbeitszeit?
Grundsätzlich gelten Toilettengänge als Teil der persönlichen Bedürfnisse und sind Arbeitszeit. Es gibt dazu keine gesetzliche Regelung, aber die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein normaler Umfang zulässig ist. Arbeitgeber dürfen Toilettengänge nicht generell verbieten oder zeitlich exakt begrenzen, allerdings sind exzessive und missbräuchliche Toilettennutzung nicht mehr durch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gedeckt (§ 241 Abs. 2 BGB).
2. Besonderheiten bei Auszubildenden
Auszubildende stehen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) unter besonderem Schutz. Eine Kündigung ist – insbesondere nach Ablauf der Probezeit – nur aus wichtigem Grund gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zulässig. Dies setzt ein erhebliches Fehlverhalten voraus und erfordert in der Regel mehrere einschlägige Abmahnungen, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Die Dokumentation des Fehlverhaltens ist entscheidend.
3. Dokumentation der Toilettenzeiten
Die Einführung eines Systems zur Erfassung der Toilettenzeiten ist nicht ohne Weiteres zulässig, da es sich hierbei um ein sensibles Persönlichkeitsrecht handelt (Recht auf Intimsphäre, Art. 2 Abs. 1 GG). Eine lückenlose Überwachung (z. B. durch Kamera oder minutengenaue Erfassung der Klotürnutzung) wäre datenschutzrechtlich unzulässig (§ 26 BDSG i.V.m. Art. 88 DSGVO).
Zulässig ist jedoch eine indirekte Erfassung, etwa über das bestehende Stempelsystem, sofern dadurch ersichtlich wird, wann produktiv gearbeitet wird und wann nicht. Wenn sich hieraus über Wochen ergibt, dass zwei bestimmte Azubis systematisch erhebliche Arbeitszeit durch wiederholte Toilettengänge ohne gesundheitlichen Grund verlieren, kann dies als Pflichtverletzung gewertet werden.
Auch eine manuelle Erfassung durch eigene Wahrnehmung ist zulässig.
4. Abmahnung bei Arbeitszeitverstoß
Sie können eine verhaltensbedingte Abmahnung aussprechen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Pflichtverletzung: Exzessive Toilettenpausen ohne erkennbaren Grund stellen eine Pflichtverletzung dar (Störung des Betriebsablaufs, Missachtung der betrieblichen Ordnung).
- Nachweisbarkeit: Durch Stempeldaten, Beobachtungen von Kollegen (Zeugenaussagen), ggf. schriftliche Stellungnahmen der Fachausbilder.
- Verhältnismäßigkeit: Vorherige Gespräche, Ermahnungen und klare Kommunikation der Erwartungen (z. B. per Gesprächsprotokoll) müssen dokumentiert sein.
5. Konkrete Empfehlungen für Sie
- Gesprächsprotokolle führen: Fassen Sie vergangene Gespräche schriftlich zusammen und lassen Sie sich deren Inhalt von den Azubis bestätigen.
- Ergänzung der Hausordnung / betrieblichen Hinweise: Eine Richtlinie zum Umgang mit exzessiven Pausen (z. B. "regelmäßige Toilettenpausen ja, aber keine wiederholten langen Abwesenheiten ohne Mitteilung") kann den Rahmen verdeutlichen.
- Indirekte Erfassung: Nutzen Sie das Stempelsystem zur Dokumentation der Netto-Arbeitszeiten und führen Sie eine tabellarische Übersicht für die betroffenen Azubis.
- Abmahnung vorbereiten: Falls das Verhalten trotz Gesprächen anhält, können Sie mit Unterstützung der Personalabteilung eine formgerechte Abmahnung aussprechen. Diese sollte klar das beanstandete Verhalten, die Pflichtverletzung, die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bei Wiederholung und eine Aufforderung zur Verhaltensänderung enthalten.
6. Bei weiterer Eskalation: Kündigung
Kommt es trotz mehrfacher Abmahnungen zu keiner Änderung, kann ggf. ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vorliegen. Die Hürde ist hoch, aber ein anhaltender massiver Arbeitszeitmissbrauch trotz einschlägiger Abmahnungen und Betriebsstörung könnte genügen.
Fazit
Auch wenn Toilettenpausen grundsätzlich zur Arbeitszeit gehören, sind missbräuchliche und exzessive Nutzungen – insbesondere mit Ankündigung und provozierendem Verhalten – abmahnfähig. Eine sorgfältige Dokumentation und klare Kommunikation sind hier entscheidend. Ich empfehle eine Abstimmung mit der Personalabteilung zur Einführung einer Dokumentationsroutine und bei Bedarf die Vorbereitung einer formellen Abmahnung.
Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt
Antwort
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