Willkommen beim Original und Testsieger.
Online seit 2004, mit über 140.000 Fragen & Antworten. 
00.000
Bewertungen
0,0/5,0
Günstige Rechtsberatung für alle.
Anwalt? Mitmachen

Ausgedehnte Toilettenzeiten der Auszubildenden stören mittlerweile Betriebsfrieden

24. März 2025 18:45 |
Preis: 45,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Ich bin Ausbilder in einem Unternehmen mit 70 Mitarbeitenden und wir sind in der Industrie für die Herstellung von Blechteilen tätig.

Aktuell habe ich 6 Azubis in der Ausbildung, jedoch machen 3 davon in den letzten 12 Monaten sehr viele Probleme.
Sowohl im Betrieb als auch in der Schule gab es deshalb schon einiges an Ärger und auch Abmahnungen. Die Lehrer haben schon nach wenigen Wochen berichtet, dass sie noch nie so respektlose Auszubildende hatten und die drei auch auf Strafen wie Nachsitzen etc. ganz gelassen reagieren. Leider nehmen die betroffenen Azubis auch die bisherigen Abmahnungen durch das Unternehmen locker, weil sie für eine Kündigung dreimal für das selbe Vergehen abgemahnt werden müssten, was natürlich noch nicht der Fall war, sie das genau wissen und darauf achten.

Nun haben sich vor ein paar Monaten zwei der schwierigen Azubis etwas neues ausgedacht, was auch die restlichen Azubis & Kollegen belastet, verärgert und zu erheblichen Unruhen in der Mannschaft sorgt. An machen Tagen ist der Betriebsfrieden dadurch erheblich angekratzt.

Die zwei gehen mehrmals täglich für 10-20 Minuten auf die Toilette und verplempern so ihre Arbeitszeit. An guten Tagen sind das 1-2 Stunden und das seit Wochen/Monaten. Laut den Kollegen wird dann am Handy gezockt, von Kabine zu Kabine geredet und diskutiert oder auch "entspannt" ohne überhaupt ein Geschäft zu verrichten.

Die Kollegen die die Teile fertigen, müssen deshalb immer wieder warten (normale Pinkelpause und auch eine länger Pause sind eingetaktet und nie ein Problem, auch wenn man mal an einem Tag krankheitsbedingt öfters muss weil das dann die Kollegen ausgleichen), die Projekte dauern auf einmal viel länger wodurch die Kalkulationen nicht mehr stimmen und die Kollegen die den Azubis zugeordnet sind um ihnen die verschiedenen Tätigkeiten beizubringen und zu lehren haben keine Lust mehr, da Sie nur noch am warten sind und die zwei dann wohl eigentlich null Bock haben wenn sie da sind. Zudem machen sie unter den Kollegen auch kein Hehl daraus, dass sie die Toilette als Pause während der Arbeitszeit nutzen.

Mehrere Gespräche mit den Auszubildenden gab es dazu schon, aber die sind am nächsten Tag auch wieder vergessen.
Ich hatte dazu ein Gespräch mit unserer Personalabteilung, da in meinen 13 Jahren als Ausbilder sowas noch nie vorgekommen ist, jedoch wurde mir dort auch gesagt, dass es damit keine Erfahrungen oder Ideen gibt. Insbesondere seien Toilettenpausen rechtlich sehr schwierig und nicht genau gesetzlich geregelt, sodass die Personalabteilung nichts tun möchte.

Wie kann man diese extremen Toilettenpausen rechtlich wieder in den Griff bekommen und wie dürfen diese Dokumentiert werden? Gibt es eine Möglichkeit abzumahnen und welche Nachweise werden benötigt?
Wir haben sowieso ein Stempelsystem für unsere Aufträge, aber die Toilettenpausen haben wir bisher nie irgendwie erfasst.

Ich bin mir selbst bewusst, dass Toilettenpausen in einem normalen Umfang nötig sind und nutze diese ja auch selbst. Es gibt auch mal Tage, da sitze ich 15 Minuten auf dem Klo und verrichte mein Geschäft aber das ist dann nicht 6 mal am Tag der Fall... Irgendeine Lösung muss ich finden, bevor das aus den Fugen gerät und wäre über rechtliche Unterstützung zu den obigen Fragen sehr dankbar, damit ich das mit der Personalabteilung klären und dann handeln kann.

24. März 2025 | 20:32

Antwort

von


(907)
Ahrberger Weg 12
31157 Sarstedt
Tel: 050668659717
Web: https://www.rhm-rechtsanwalt.de
E-Mail:
Diesen Anwalt zum Festpreis auswählen Zum Festpreis auswählen

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für Ihre ausführliche Schilderung. Der Umgang mit übermäßigen Toilettengängen ist arbeitsrechtlich tatsächlich nicht ganz einfach, zumal es sich hier um Auszubildende handelt, die zudem noch unter dem besonderen Schutz des Berufsbildungsgesetzes stehen. Dennoch gibt es Handlungsmöglichkeiten.

1. Toilettenpausen als Arbeitszeit?

Grundsätzlich gelten Toilettengänge als Teil der persönlichen Bedürfnisse und sind Arbeitszeit. Es gibt dazu keine gesetzliche Regelung, aber die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein normaler Umfang zulässig ist. Arbeitgeber dürfen Toilettengänge nicht generell verbieten oder zeitlich exakt begrenzen, allerdings sind exzessive und missbräuchliche Toilettennutzung nicht mehr durch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gedeckt (§ 241 Abs. 2 BGB).

2. Besonderheiten bei Auszubildenden

Auszubildende stehen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) unter besonderem Schutz. Eine Kündigung ist – insbesondere nach Ablauf der Probezeit – nur aus wichtigem Grund gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zulässig. Dies setzt ein erhebliches Fehlverhalten voraus und erfordert in der Regel mehrere einschlägige Abmahnungen, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Die Dokumentation des Fehlverhaltens ist entscheidend.

3. Dokumentation der Toilettenzeiten

Die Einführung eines Systems zur Erfassung der Toilettenzeiten ist nicht ohne Weiteres zulässig, da es sich hierbei um ein sensibles Persönlichkeitsrecht handelt (Recht auf Intimsphäre, Art. 2 Abs. 1 GG). Eine lückenlose Überwachung (z. B. durch Kamera oder minutengenaue Erfassung der Klotürnutzung) wäre datenschutzrechtlich unzulässig (§ 26 BDSG i.V.m. Art. 88 DSGVO).

Zulässig ist jedoch eine indirekte Erfassung, etwa über das bestehende Stempelsystem, sofern dadurch ersichtlich wird, wann produktiv gearbeitet wird und wann nicht. Wenn sich hieraus über Wochen ergibt, dass zwei bestimmte Azubis systematisch erhebliche Arbeitszeit durch wiederholte Toilettengänge ohne gesundheitlichen Grund verlieren, kann dies als Pflichtverletzung gewertet werden.

Auch eine manuelle Erfassung durch eigene Wahrnehmung ist zulässig.

4. Abmahnung bei Arbeitszeitverstoß

Sie können eine verhaltensbedingte Abmahnung aussprechen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- Pflichtverletzung: Exzessive Toilettenpausen ohne erkennbaren Grund stellen eine Pflichtverletzung dar (Störung des Betriebsablaufs, Missachtung der betrieblichen Ordnung).

- Nachweisbarkeit: Durch Stempeldaten, Beobachtungen von Kollegen (Zeugenaussagen), ggf. schriftliche Stellungnahmen der Fachausbilder.

- Verhältnismäßigkeit: Vorherige Gespräche, Ermahnungen und klare Kommunikation der Erwartungen (z. B. per Gesprächsprotokoll) müssen dokumentiert sein.

5. Konkrete Empfehlungen für Sie

- Gesprächsprotokolle führen: Fassen Sie vergangene Gespräche schriftlich zusammen und lassen Sie sich deren Inhalt von den Azubis bestätigen.

- Ergänzung der Hausordnung / betrieblichen Hinweise: Eine Richtlinie zum Umgang mit exzessiven Pausen (z. B. "regelmäßige Toilettenpausen ja, aber keine wiederholten langen Abwesenheiten ohne Mitteilung") kann den Rahmen verdeutlichen.

- Indirekte Erfassung: Nutzen Sie das Stempelsystem zur Dokumentation der Netto-Arbeitszeiten und führen Sie eine tabellarische Übersicht für die betroffenen Azubis.

- Abmahnung vorbereiten: Falls das Verhalten trotz Gesprächen anhält, können Sie mit Unterstützung der Personalabteilung eine formgerechte Abmahnung aussprechen. Diese sollte klar das beanstandete Verhalten, die Pflichtverletzung, die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bei Wiederholung und eine Aufforderung zur Verhaltensänderung enthalten.

6. Bei weiterer Eskalation: Kündigung

Kommt es trotz mehrfacher Abmahnungen zu keiner Änderung, kann ggf. ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG vorliegen. Die Hürde ist hoch, aber ein anhaltender massiver Arbeitszeitmissbrauch trotz einschlägiger Abmahnungen und Betriebsstörung könnte genügen.

Fazit

Auch wenn Toilettenpausen grundsätzlich zur Arbeitszeit gehören, sind missbräuchliche und exzessive Nutzungen – insbesondere mit Ankündigung und provozierendem Verhalten – abmahnfähig. Eine sorgfältige Dokumentation und klare Kommunikation sind hier entscheidend. Ich empfehle eine Abstimmung mit der Personalabteilung zur Einführung einer Dokumentationsroutine und bei Bedarf die Vorbereitung einer formellen Abmahnung.

Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Hussein Madani
Rechtsanwalt


ANTWORT VON

(907)

Ahrberger Weg 12
31157 Sarstedt
Tel: 050668659717
Web: https://www.rhm-rechtsanwalt.de
E-Mail:
RECHTSGEBIETE
Arbeitsrecht, Sozialrecht, Kaufrecht, Miet- und Pachtrecht, Vertragsrecht
Durchschnittliche Anwaltsbewertungen:
4,8 von 5 Sternen
(basierend auf 119006 Bewertungen)
Aktuelle Bewertungen
5,0/5,0
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Antwort war schnell und gut nachvollziehbar. Vielen Dank. ...
FRAGESTELLER
5,0/5,0
Vielen Dank, einer der Besten hier, wenn nicht sogar der Beste! Immer wieder gerne! ...
FRAGESTELLER