Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die Begriffe "Anschaffungskosten" und "Herstellungskosten" sind aus § 255 Handelsgesetzbuch (HGB
) abzuleiten. Diese handelsrechtlichen Begriffsdefinitionen sind auch für das Steuerrecht maßgeblich. Der Begriff der "anschaffungsnahen Aufwendungen" ist hingegen ein speziell steuerrechtlicher Begriff und in § 6 Abs. 1 Nr. 1a
Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Fallen Aufwendungen nicht unter eine dieser Begriffsdefinitionen, handelt es sich um sofort abzugsfähigen (§ 11 Abs. 2 EStG
, Ausnahme: § 82 b EStDV
) Erhaltungs- bzw. Modernisierungsaufwand oder sog. Schönheittsreparaturen.
Der Begriff der Herstellungskosten ist definiert in § 255 Abs. 3 Satz 1
Handelsgesetzbuch (HGB). Danach sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die getätigt werden, um ein Gebäude über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich zu verbessern.
Eine Ausnahme vom sofortigen Werbungskostenabzug für Schönheitsreparaturen gilt, wenn mehrere Arbeiten durchgeführt werden, die jede für sich betrachtet zwar als Schönheitsreparatur zu bewerten ist, sie aber in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden, wie dies bei der Modernisierung einer Wohnung im Ganzen und von Grund auf der Fall ist.
Es ist verständlich, dass Sie im Zweifel sind, wie die von Ihnen ausgeführten Arbeiten zu werten sind, aber ich würde sie tatsächlich als anschaffungsnahe Aufwendungen ansehen. Es wurde ja doch schon einiges ersetzt und erneuert, und abgesehen von der Höhe der Aufwendungen muss man den Gesamtzusammenhang sehen und sich auch fragen, ob (objektiv betrachtet) jemand eingezogen wäre, ohne dass diese Maßnahmen zur Sanierung und Modernisierung sowie zur Gefahrenbeseitigung durchgeführt worden wären.
Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bilden jedenfalls nach § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB
unabhängig von ihrer Höhe Herstellungskosten, wenn sie für eine Erweiterung oder zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung des Gebäudes führen. Aufwendungen für ein Bündel von Maßnahmen, die für sich genommen teils Anschaffungskosten oder Herstellungskosten, teils Erhaltungsaufwendungen darstellen, sind demnach insgesamt als Anschaffungskosten oder Herstellungskosten zu beurteilen, wenn die Arbeiten im sachlichen Zusammenhang stehen.
Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören – unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung – auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von 3 Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten). Insoweit enthält die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedarf (BFH, Urteil v. 14.6.2016, IX R 15/15
, BStBl 2016 II S. 996
).
Weitere Hinweise zur steuerlichen Behandlung finden sich in R 21.1 EStR (Erhaltungs- und Herstellungsaufwand) sowie im BMF-Schreiben vom18. Juli 2003, IV C 3 – S 2211 – 94/03, BStBl 2003 I S. 386, zur Abgrenzung von Anschaffungs-/Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen bei Gebäuden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben weitergeholfen zu haben, und verbleibe mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
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