Sehr geehrter Fragesteller,
die von Ihnen geschilderte Konstellation, dass die Schuldnerin einen Zahlungsmittler einsetzt, ist rechtlich umstritten. Daher lohnt es sich durchaus, der Forderung zu widersprechen. Bei der anschließenden Anfechtungsklage sollten Sie sich dann anwaltlich beraten lassen.
Wird ein Anfechtungsgegner als bloße Zahlstelle des Schuldners tätig, ist der Leistungsmittler an dem Zahlungsvorgang nur in dieser technischen Funktion als Zahlstelle beteiligt, ohne einen eigenen Vorteil zu erlangen. Sofern sich hingegen die Mitwirkung des Anfechtungsgegners nicht in der Erledigung von Zahlungsvorgängen erschöpft, sondern er über die allgemein geschuldeten Dienstleistungen einer Zahlstelle hinaus im Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt, kann aus dieser Mitwirkung in Verbindung mit der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden (MünchKomm-InsO/Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 49a). In dieser Weise könnte der Streitfall gelagert sein. Dann wäre sogar eine Anfechtung nach § 133 denkbar.
Sie wussten von dem Insolvenzantrag und davon, dass die Konten gesperrt waren und voraussichtlich auch, dass es weitere Insolvenzgläubiger gab, deren Aussicht auf eine Quote durch Ihre Zahlung verringert wurden, weil Sie der Insolvenzmasse die fraglichen Beträge durch Zahlung an einzelne Gläubiger vorenthalten haben.
Es geht hierbei weniger um den zu unrecht Begünstigten, sondern um die benachteiligten anderen Insolvenzgläubiger. In der Höhe Ihrer eigenen Forderungen als Insolvenzgläubiger können Sie für die logische Sekunde, in der Sie im Besitz des Geldes waren, auch als Begünstigter in Betracht kommen. Entscheidend ist aber auch, dass letztlich Dritte (Krankenkasse usw.) die Gelder erhalten haben und wahrscheinlich auch erkennbar als Zahlungen Ihrer Tochter (wenn auch über Sie). Daher sehe ich eine Chance, dass Sie bzw. Ihre Tochter mit dem IV spricht und diesen bittet, die Beträge per Anfechtung von diesen Gläubigern zur Masse zu ziehen. In der Regel kennen professionelle Gläubiger wie die Knappschaft solche Fälle und zahlen.
Zu Ihren weiteren Fragen: Bin ich unrechtmäßig begünstigt, obwohl ich die Zahlung zur Begleichung von Verbindlichkeiten meiner Tochter verwendet habe? Eine Zahlung des Zahlungsmittlers des Insolvenschuldners wird als Zahlung des Schuldners selbst betrachtet. Entscheidend ist hier, dass die Zahlung bei dem Dritten (also der Krankenkasse usw) auch als Zahlung Ihrer Tochter erkennbar war.
Sind Zinsen für ca 1,4 Jahre angemessen und forderbar?
Zinsen kann der IV ab dem Moment fordern, zu dem die Forderung fällig ist. Welches Ereignis dem 13.2.2014 zu Grunde liegt, kann ich allerdings nicht beurteilen.
Meine Empfehlung ist daher insgesamt, zunächst mit dem IV den Sachverhalt zu erörtern. Widersprechen Sie dennoch schriftlich vorsorglich der Forderung unter Hinweis darauf, dass Sie das Geld an Gläubiger weitergeleitet haben. Die konkrete Beleglage (Überweisungen und alle Dokumente, die mit den Zahlungen zusammen hängen) sollte sich dann ein Kollege vor Ort unbedingt zwecks genauer Prüfung ansehen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Dr. Koch,
vielen Dank für Ihre Antwort und die (leider für mich nicht ermutigende) Ergänzung!
In dem BGH-Urteil (BGH-Urteil vom 26. April 2012 · Az. IX ZR 74/11
) wird unter [17] ausgeführt:"...Der uneigennützige Verwaltungstreuhänder ist unter diesen Umständen gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet ... "
Nach § 421 BGB
kann der Gläubiger die Leistung nach Belieben von jedem Schuldner ganz oder z.T. fordern. Im Verhältnis untereinander sind die Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen verpflichtet (§ 426 BGB
).
Bedeutet das, dass der IV es ablehnen kann, die Zahlungsempfänger (Knappschaft usw) zur Erstattung der Zahlungen aufzufordern?
Hat angesichts des oa BGH-Urteils ein Widerspruch gegen die Anfechtung überhaupt noch Aussicht auf Erfolg?
Vielen Dank für Ihre Antwort im voraus!
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Fragesteller,
der Fall des BGH Urteils ist ja etwas anders gelagert als Ihrer, weil es um einen Verwaltungstreuhänder als zahlende Stelle geht. Es ist gut denkbar, dass sich die hierzu ergangene Rechtsprechung auf Ihren Fall übertragen lässt. Es lässt sich aber nicht vorsehen, ob das konkrete in Ihrem Fall zuständig Gericht Sie und die Knappschaft usw. als Gesamtschuldner betrachten würde. Wäre dies der Fall, lägen Sie mir Ihrer Einschätzung richtig und der IV könnte sich aussuchen, von welchen Schuldner er Zahlung verlangt.
Es wird unter anderem auf die Beleglage ankommen, ob ein Zuwehrsetzen gegen die Anfechtungsklage Erfolgt hat. Es ist aus meiner Sicht erforderlich, dass sich ein Insolvenzrechtler die Unterlagen hierzu ansieht und Daten und zum Beispiel Verwendungswecke der einzelnen Buchungsbelege bzw. Kontoauszüge prüft. Ferner sollte festgestellt werden, ob die Dinge, die Sie hier schildern (dass Sie vom Insolvenzverfahren und weitern Gläubigern usw. wussten) auch dem IV bekannt sind und ob er dies ggf. belegen kann. Ein belastbares Ja oder Nein zu der Erfolgsaussichten kann ich Ihnen daher leider ohne umfassende Prüfung der Belege und Unterlagen nicht mitteilen.
Nur zu Ihrer Information darf ich Sie auf die Rubrik "Beauftrag einen Anwalt" hinweisen. Diese ist - im Gegensatz zu "Frag einen Anwalt" - dafür vorgesehen, konkrete Einzelfälle zu prüfen und Dokumente hochzuladen.
Mit freundlichen Grüßen
Hier finden Sie ein Urteil des BGH, mit dem ein (nicht identischer aber) in Teilen vergleichbarer Fall beurteilt wurde: https://openjur.de/u/383800.html
BGH · Urteil vom 26. April 2012 · Az. IX ZR 74/11