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Ärztliche Verpflichtung von sich aus zur Krankheitsfindung beizutragen ?

| 17. April 2015 02:05 |
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Generelle Themen


Beantwortet von

Rechtsanwältin Liubov Zelinskij-Zunik, M.mel.

Zusammenfassung

Vorsorgeuntersuchung in der JVA

Sehr geehrte Anwälte,

§ 101 stvollzg besagt das die Anstalt Zwangsmaßnahmen unter gewissen Voraussetzungen durchführen "kann"
Sie muss es also nur dann, wenn der Gefangene nach dem Paragraphen nicht selbstbestimmt sich verhält.
Gilt daher im Umkehrschluss auch bei fehlender Zwangsmaßnshme, obwohl sie geboten erscheint, eine gewisse Verantwortung die dann ein Arzt theoretisch verletzten würde, wenn er einen Gefangenen trotz deutlicher Anzeichen sozusagen sterben lassen würde ?
Würde sich darauf eine strafbare Handlung ergeben und wenn ja, aufgrund welcher Gesetze oder Urteile gründet sie ?

Zweitens :
Inwieweit muss der Gefangene sich selbst zu möglichen Krankheiten äußern bzw. selbst entdeckte Veränderungen (Knoten am Hals oder veränderte Muttermale etc) selbst melden ?
Muss sich der Häftling also genauestens mitteilen oder gibt es sozusagen auch für Ärzte eine Art Amtsermittlungsgrundsatz oder eine Form der Ermittlung die man zB bei Richtern kennt wenn es heißt Sachverhaltsaufklärung oder "von Amts wegen" etc.
Gibt es also eine Pflicht des Arztes seine Untersuchung nach einem vergebenen Maßstab zu protokollieren und wenn ja, ergibt sich dies aus dem Gesetz ?
Nach den Regeln der ärzlichen Kunst ( s Antwort von Fork Titel Behandlung ) gilt außerhalb der jva eine gründliche Untersuchung
In einer jva sind aber an den Punkt Einschränkungen bzgl der Vorsorgeuntersuchungen zu finden
Gilt dies auch für offensichtliche Krankheiten oder solche die der Gefangene glaubt festgestellt zu haben ?

Drittens:
Lt. der EGMR Rechtssprechung zu Art. 2 EMRK und Art. 3. EMRK ist es in Ausnahmen sogar nötig und bei lebensbedrohlichen Krankheiten offenbar sogar gegeben, dass ein Arzt handeln muss. ( https://books.google.de/books?id=okTVBQAAQBAJ&pg=PA171&lpg=PA171&dq=recht+auf+ärztliche+versorgung+egmr+art+2+emrk&source=bl&ots=ScAtSSDhJU&sig=iT4k-gOLXcyTC9vaPk6M_2chqZk&hl=de&sa=X&ei=-0swVZfHMY7raLDagNgJ&ved=0CCsQ6AEwAw#v=onepage&q=recht%20auf%20ärztliche%20versorgung%20egmr%20art%202%20emrk&f=false) Merten Papier
s. Fußnote 39 auf S. 171.
Gilt dies dann auch für Strafgefagene im Sinne der EMRK, und ist es so, dass anhand Art. 2 und 3 auch eine Verpflichtung zur ordnunggemäßen Untersuchung bei Verdacht auf Krankheit abgeleitet werden kann ? (lege artis)

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. § 101 stvollzg besagt das die Anstalt Zwangsmaßnahmen unter gewissen Voraussetzungen durchführen "kann"
Sie muss es also nur dann, wenn der Gefangene nach dem Paragraphen nicht selbstbestimmt sich verhält.
1. Gilt daher im Umkehrschluss auch bei fehlender Zwangsmaßnahme, obwohl sie geboten erscheint, eine gewisse Verantwortung die dann ein Arzt theoretisch verletzten würde, wenn er einen Gefangenen trotz deutlicher Anzeichen sozusagen sterben lassen würde ?

Ja, selbstverständlich

2. Würde sich darauf eine strafbare Handlung ergeben und wenn ja, aufgrund welcher Gesetze oder Urteile gründet sie ?

Ja,
§ 323c StGB
Unterlassene Hilfeleistung

„Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft."
Typischer Fall ist, wenn der Arzt im Rahmen seines Dienstes von den Umständen
einer Erkrankung erfährt und nichts unternimmt bzw. nicht alles Erforderliche unternimmt.

3. Inwieweit muss der Gefangene sich selbst zu möglichen Krankheiten äußern bzw. selbst entdeckte Veränderungen (Knoten am Hals oder veränderte Muttermale etc) selbst melden ?
Muss sich der Häftling also genauestens mitteilen oder gibt es sozusagen auch für Ärzte eine Art Amtsermittlungsgrundsatz oder eine Form der Ermittlung die man zB bei Richtern kennt wenn es heißt Sachverhaltsaufklärung oder "von Amts wegen" etc.
Es gibt keine Pflicht des Arztes, von sich aus tätig zu werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine Erkrankung bestehen (z. B. Mitteilungen Dritter (Verwandte, Bekannte), Gewichtabhnahme, Appetitlosigkeit, Husten usw).

4. Gibt es also eine Pflicht des Arztes seine Untersuchung nach einem vergebenen Maßstab zu protokollieren und wenn ja, ergibt sich dies aus dem Gesetz ?

Eine Dokumentationspflicht ist nur für Behandlungsvertrag (der in der JVA nicht gegeben ist) in § 630f BGB geregelt. Danach gilt:


„(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen".

Für die Behandlung in der JVA kann das analog gelten. Auch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes (630f BGB) wurde eine solche Pflicht anerkannt.

5. Nach den Regeln der ärzlichen Kunst ( s Antwort von Fork Titel Behandlung ) gilt außerhalb der jva eine gründliche Untersuchung
In einer jva sind aber an den Punkt Einschränkungen bzgl der Vorsorgeuntersuchungen zu finden
Gilt dies auch für offensichtliche Krankheiten oder solche die der Gefangene glaubt festgestellt zu haben ?

M. E. hat der Gefangene auch ein Recht zur Vorsorgeuntersuchung wie alle andere. Denn durch den Freiheitsentzug wird ihm eben nicht das Recht auf Gesundheit entzogen oder beschränkt. Eine Ungleichbehandlung ist hier nicht gerechtfertigt. Zumal sind die für gesetzlich Versicherte Patienten vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen laut Krankenkassen notwendig, um die Krankheiten vorzubeugen. Ich bin der Auffassung, dass ein Gefangener in einem gebotenen Maß, auch wenn keine Anhaltspunkte für eine Erkrankung vorliegen das Recht hat, von der JVA zu verlangen, dass eine Vorsorgeuntersuchung (auch extern) auf seine Kosten durchgeführt wird. Das wäre z. B. der Fall, wenn mit der baldigen Entlassung nicht zu rechnen ist.

6. Gilt dies dann auch für Strafgefagene im Sinne der EMRK, und ist es so, dass anhand Art. 2 und 3 auch eine Verpflichtung zur ordnunggemäßen Untersuchung bei Verdacht auf Krankheit abgeleitet werden kann ? (lege artis)
Das ist m. E. auch ohne Rechtsprechung des EGMR eindeutig der Fall.




Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 17. April 2015 | 08:08

Vielen Dank
Ich habe zwei Nachfragen :

Erstens ist natürlich der Bereich der Mitteilung von Krankheiten sehr schwammig.
Die Frage war daher eher, ob der Arzt auch bei "kruden Gerede" also z.b bei eine Betroffenen der aber Laie ist, auch einzugehen hat.
Ein Arzt ist ja "vom Fach" dass heisst er erwartet eig. eine deutliche Mitteilung der Krankheit, oder auf deutsch gesagt, sagt er sich vielleicht, dass er ja gerade in der JVA nicht jeder "Kleinigkeit" nachgehen kann.

Daher auch die Frage, ob ein Betroffener sich deutlich und detailliert über seine möglichen Krankheiten äußern muss oder ob der Arzt bei einem Verdacht sozusagen selber weiter nachforschen muss, ob denn wirklich eine Krankheit vorliegt ( daher auch der vielleicht schräge Vergleich mit dem " von Amts wegen " oder ob der Arzt selbst ermitteln muss)
Es gibt ja auch die Verpflichtung von StA die Wahrheit zu erforschen, daher die Frage, ob es so was ähnliches bei Ärzten auch gibt

Zweitens bitte ich noch auf den Bereich der EMRK näher einzugehen, wenn ihnen bekannt, hätte ich dazu gern zumindest eine Individualbeschwerde oder ein Urteil bzw. grundsätzlich gewusst, ob der Art. 2 und 3 der EMRK hier übrhaupt für meine Frage relevant sein könnte.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 17. April 2015 | 08:51

Sehr geehrte Fragestellerin,
gerne beantworte ich Ihre Nachfragen:

1. Die Frage war daher eher, ob der Arzt auch bei "kruden Gerede" also z.b bei eine Betroffenen der aber Laie ist, auch einzugehen hat.
Ja, der Patient hat selbstverständlich kein Fachwissen und beschreibt seine Symptome laienhaft, z. B. unvollständig

Ein Arzt ist ja "vom Fach" dass heisst er erwartet eig. eine deutliche Mitteilung der Krankheit, oder auf deutsch gesagt, sagt er sich vielleicht, dass er ja gerade in der JVA nicht jeder "Kleinigkeit" nachgehen kann.

Nein, der Arzt muss auf jede Beschwerde reagieren


Daher auch die Frage, ob ein Betroffener sich deutlich und detailliert über seine möglichen Krankheiten äußern muss oder ob der Arzt bei einem Verdacht sozusagen selber weiter nachforschen muss, ob denn wirklich eine Krankheit vorliegt ( daher auch der vielleicht schräge Vergleich mit dem " von Amts wegen " oder ob der Arzt selbst ermitteln muss)
Es gibt ja auch die Verpflichtung von StA die Wahrheit zu erforschen, daher die Frage, ob es so was ähnliches bei Ärzten auch gibt

Ja, der Arzt muss nachforschen, Befunde ergeben, Untersuchungen durchführen. Ich denke, hier geht es nicht um die Frage „ob" (das ist eindeutig zu bejahen), sondern „wie", sprich in welchem Umfang. D.h. welche Befunde muss der Arzt bei bestimmten Beschwerden erheben. Dazu gibt es für viele Fälle Leitlinien. Ohne Ihren konkreten Fall zu kennen, kann ich Sie nur auf die Seite mit Leitlinien aufmerksam machen:
http://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html
Für JVA gelten sie auch


2. Zweitens bitte ich noch auf den Bereich der EMRK näher einzugehen, wenn ihnen bekannt, hätte ich dazu gern zumindest eine Individualbeschwerde oder ein Urteil bzw. grundsätzlich gewusst, ob der Art. 2 und 3 der EMRK hier übrhaupt für meine Frage relevant sein könnte.
In juristischen Datenbanken ist leider kein für Sie relevantes Urteil zu finden.

Freundliche Grüße Zelinskij RAin

Bewertung des Fragestellers 17. April 2015 | 10:43

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Offenbar gilt § 630 in Teilen nicht analog, sondern anders, es scheint sich um ein öffentlich rechtliches Unterordnungsverhältnis zu handeln ( gemäß Artikel 34 GG i.V.m. § 839 BGB)
Daher kann ich hier nicht ganz beurteilen, ob das falsch ist, es ist aber in Teilen nicht 100% korrekt detaillier, wobei es wohl aufs selbe rauskommt und die Anwältin eine gute Antwort, wenngleich, wie ich bemerkte durch eine Antwort, mit Abstrichen zu machen ist.
Sollte die Anwältin Ihre Antwort in einer ergänzenden Antwort hier im Portal verbessern bin ich gern bereit volle Sterne zu geben.

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Stellungnahme vom Anwalt:

Sehr geehrter Fragesteller, so wie ich sehe, hat sich der Kollege Grübnau-Rieken auch der Meinung angeschlossen.
MfG Zelinskij