Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Kurz vorab zu Rechtslage: Es existieren hier zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, aus denen sich die Pflicht Ihres ehemaligen Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung ergeben kann: erstens der von Ihnen unterzeichnete Aufhebungsvertrag und zweitens der Sozialplan, dessen Wirksamkeit ich voraussetze. Der Aufhebungsvertrag begründet einen vertraglichen Zahlungsanspruch, der Sozialplan, welcher die Wirkung einer Betriebsvereinbarung hat (§ 112 Absatz 1 Satz 3 BetrVG
) begründet, ähnlich wie ein Gesetz, einen unmittelbaren Anspruch auf die im Sozialplan geregelten Leistungen. Auf dieser Grundlage sind Ihre Fragen zu betrachten:
Wird die Differenz/Nachzahlung mit dem Bruttomonatsgehalt von 1.800€ oder 3.000€ berechnet?
Da der Sozialplan für Sie günstiger ist als die zuvor geschlossene vertragliche Abfindungsvereinbarung, gilt ersterer für Ihre Ansprüche auf Abfindung. Es stellt sich damit die Frage, auf welche Höhe des Bruttogehaltes bei der Anwendung der Sozialplanregelungen auf Ihren Fall abzustellen ist. Da dies nicht ausdrücklich festgelegt ist, bedürfen die Bestimmungen der Auslegung. Hierbei ist abstrakt gesagt der objektive Erklärungswert des Begriffes "Bruttomonatsgehalt" zu ermitteln, der sich nach seinem Wortlaut, der Systematik im Rahmen des Arbeitsrechtes und dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Bestimmungen des Sozialplanes richtet. Konkret könnte hier insbesondere auf die Bestimmungen §§ 9
, 10 KSchG
verwiesen werden. Aus diesen ergibt sich für den Fall einer Auflösung eines Arbeitsvertrages im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, dass zur Bestimmung des für die Abfindungshöhe einschlägigen Bruttomonatsgehaltes auf den Zeitpunkt abzustellen ist, an dem das Arbeitsverhältnis bei fristgerechter Kündigung geendet hätte (vergleiche § 10 Absatz 3 KSchG
und § 9 Absatz 2 KSchG
). Auf Ihren Fall angewendet hieße das, dass zur Berechnung der Abfindung aus dem Sozialplan auf das im Juli geltende höhere Bruttomonatsgehalt abzustellen wäre.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Auslegung einer Betriebsvereinbarung in Form eines Sozialplanes eine Rechtsfrage ist, über die im Streitfall das Arbeitsgericht endgültig zu entscheiden hat.
Wird die „Turboprämie" bei der Höhe der Abfindung nicht weiter beachtet bzw. außen vor gelassen?
Im Aufhebungsvertrag ist die Rede von einer höheren "gesamten Summe / Gesamtsumme", bei deren Vorliegen sich die Abfindungssumme abweichend vom Aufhebungsvertrag nach der Regelung des Sozialplanes richtet. Durch das Abstellen auf eine Gesamtsumme wird deutlich, dass alle Bestandteile der vertraglichen Abfindung, also auch die zugesagte "Turboprämie", in den Günstigkeitsvergleich einzustellen sind und dass letztere nicht neben der dem Sozialplan entsprechenden Abfindungszahlungen geleistet werden soll.
Vorliegend kann nur eine erste Einschätzung gegeben werden. Wenn die Differenzen mit Ihrem Arbeitgeber fortbestehen, sollten Sie sich ggf. unter Vorlage der Unterlagen noch einmal vor Ort beraten lassen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Dr. Jana Mühlsteff
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Rechtsanwältin Dr. Jana Mühlsteff
Fachanwältin für Sozialrecht
Hallo,
vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Wie hoch bzw. mit welchem Betrag würde Ihrer Meinung nach das Bruttomonatsentgelt angesetzt werden?
"Auf Ihren Fall angewendet hieße das, dass zur Berechnung der Abfindung aus dem Sozialplan auf das im Juli geltende höhere Bruttomonatsgehalt abzustellen wäre."
Würde das BMG mit dem kompletten monatlichen Gehalt, das im Angestelltenvertrag festgehalten ist (3000€) angesetzt werden oder würde es sich anteilig nach den Tagen berechnen (1800€x8Tage + 3000€x22Tage) bzw. dem Gehalt, welches mir im Juli ausgezahlt wurde?
Vielen Dank noch einmal!
Mit freundlichen Grüßen
Sehe geehrter Fragesteller,
wenn die Auslegung des Sozialplanes ergibt, dass für die Bestimmung der Abfindungshöhe §§ 9
und 10 KSchG
analog gelten, dann wäre von dem Wortlaut des § 10 Absatz 3 KSchG
auszugehen. Als Monatsverdienst gilt hiernach, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld- und Sachbezügen zusteht.
Diesen Wortlaut zugrundegelegt, wäre der Betrag maßgebend, der Ihnen in diesem Monat nach dem für Sie geltenden Vertragswerk zusteht, nämlich anteilig 1800€ x 8 Tage + 3000€ x 22 Tage.
Wie gesagt kann ohne Einsichtnahme in die einschlägigen Unterlagen nur eine vorläufige Beurteilung abgegeben werden. Wenn Sie keine Einigung mit Ihrem Arbeitgeber erzielen, dann sollten Sie ggf. einen Anwalt vor Ort konsultieren.
Mit freundlichen Grüßen