Sehr geehrter Fragesteller,
die Antwort auf Ihre Frage ist umstritten. Aber fangen wir vorne an.
50 km/h zu schnell außerorts bedeutet ein (Regel-)Fahrverbot von einem Monat, 100 EUR, 3 Punkt, sowie Gebühren in Höhe von ca. 25,60 EUR. Erst bei 51 km/h sind es schon 150 EUR und vier Punkte. Nach unten hin sind 41 km/h die relevante Grenze.
Nach der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Überwachung des Straßenverkehrs vom 1. 4. 1998 (31-1132.10/66) soll der Abstand zwischen dem die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen und der Messstelle mindestens 150 Meter betragen. Zunächst wäre zu prüfen, ob diese Vorschrift noch Bestand hat (am 6.6.2005 hatte sie noch Bestand) und wie weit die Meßstation von dem "100" Schild entfernt stand (ergibt sich aus der Akte, die nur ein Rechtsanwalt einsehen darf).
Unabhängig davon ist das Vorliegen eines Augenblicksversagens zu prüfen. Auf Grund Ihrer Schilderung kann im Verfahren ein "Augenblicksversagen" eingewendet werden. Liegt dies vor, kann die Verhängung des Fahrverbots ausgeschlossen werden. Bei Ihnen fehlt es am subjektiven Element der Pflichtwidrigkeit, wenn das Verkehrszeichen "100" nicht von Ihnen wahrgenommen wurde. Dann scheidet zumindest ein Fahrverbot aus. Das Vergehen auf Grundlage einer erlaubten beschilderten Geschwindigkeit von 130 km/h zu beurteilen, ist nicht möglich, da an der Stelle 100 km/h wirksam vorgeschrieben waren.
Ohne das Schild 100 km/h wäre aber auch eine Geschwindigkeit von 130 km/h Straßenbauartbedingt erlaubt. Ist Ihnen das Übersehen des 100 km/h Schildes nicht vorzuwerfen, behandelt man sie so, als wenn an der Stelle 130 km/h erlaubt gewesen wären (aber nicht, weil dort vorher 130 km/h stand!).
Das OLG Dresden vertritt im Einklang mit der wohl herrschenden Rechtsprechung die Ansicht, ein Augenblicksversagen liege nicht vor, wenn der Betroffene die am Tatort ohne die von ihm nicht erkannte Begrenzung sonst zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet. Dies wäre bei Ihnen gegeben, da Sie nach Ihrer Schilderung auch dann 20 km/h zu schnell gefahren wären. Weiter wird angeführt, dass dann der Verstoß auf der Nichtbeachtung weiterer Sorgfaltspflichten beruhe.
Nach Auffassung von Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum, ist diese Auffassung abzulehnen. Nach dieser Meinung ist ein Augenblicksversagen erst ausgeschlossen, wenn die hypothetische Begrenzung in einem Maß überschritten wird, dass nach dem Regelsätzen des Bußgeldkataloges ein Fahrverbot ausgelöst worden wäre. Dies ist bei Ihnen nicht gegeben, da bei einer Überschereitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit außerorts um 20 km/h kein Fahrverbot droht.
Lassen Sie mich aber noch folgendes hinzu fügen. Von der auf Ihrem Tacho abgelesenen Geschwindigkeit (digital/analog?) müssen Sie 1 - 2 km/h Tachovoreilung abziehen. Tachos müssen immer mehr, dürfen NIE zu wenig anzeigen. Dann ist von dem Messergebnis - gehen wir mal von tatsächlich gefahrenen 148 km/h aus - 3 % abzuziehen = 5 km/h (wegen Rundung) = 143 km/h. Auch ohne Augenblicksversagen (also 100 km/h gilt, Augenblicksversagen wird nicht anerkannt) sind Sie dann noch 3 km/h von den "fahrverbotsfreien" 140 km/h entfernt. Unter Umständen ergeben sich aus der Bußgeldakte weitere Angriffspunkte. Hinzu kommt, dass Ihre Voreintagrungen nicht berücksichtigt werden, Sie also "sauber" sind. Bedenkt man dann noch den Ausbau der Straße und dass kein (offensichtlich sinnvoller) Grund für eine Geschwindigkeitsbeschränkung zu erkennen war, meine ich, dass Sie sehr gute Chancen haben, zumindest um ein Fahrverbot herum zu kommen. Sie sollten sich einen Rechtsanwalt, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist, nehmen und den Bescheid angreifen, so bald er kommt. Es sollte vorher Akteneinsicht genommen werden und nichts auf dem Anhörungsbogen ausgefüllt werden, bis auf die Felder, welche Sie ausfüllen müssen. Gerne helfe ich Ihnen in der Sache weiter.
Mit freundlichem Gruß
Henrik Momberger
www.gruemo.de
Ich bedanke mich für die schnelle und umfangreiche Beantwortung meiner Frage.
Könnten Sie mir noch unverbindlich mitteilen, was die Unterstützung eines Anwalts bis zur Klärung ca. kostet ? Danach und nach Abwägung des Risikos, dass ich vielleicht nicht gewinne, kann ich entscheiden ob ich die zusätzlichen Kosten nicht doch lieber in öffentliche Verkehrsmittel stecke und das Fahrverbot hinnehme.
Vielen Dank im voraus !
Gerne,
hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten ist zu unterscheiden:
1. behördliches Verfahren = ca. 300 Eur
2. behördliches und gerichtliches Verfahren inkl. eines Gerichtstermins = ca. 700 EUR
Mit freundlichem Gruß
Henrik Momberger
www.gruemo.de