Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für die Anfrage, die ich im Rahmen der Erstberatung wie folgt beantworte:
Grundsätzlich haben Unternehmer keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Das Abwerben ist daher grundsätzlich erlaubt. Nur in Ausnahmefällen kann das Abwerben eine wettbewerbswidrige Handlung darstellen, z.B. wenn das Abwerben mit dem Ziel der Beschränkung des Wettbewerbs erfolgt (wobei in der Praxis eine gezielte Behinderungs- und Schädigungsabsicht schwer zu beweisen ist) oder wenn durch die Abwerbung gezielt an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des betroffenen Unternehmens gelangt werden soll.
Nach § 75 f HGB
ist eine Vereinbarung, durch die sich ein Arbeitgeber einem anderen gegenüber verpflichtet, Mitarbeiter des anderen nicht einzustellen, nicht durchsetzbar. Durch diese Norm sollen Sperrabreden zwischen Unternehmern vermieden werden, die Mitarbeiter in ihrem beruflichen Fortkommen unangemessen behindert. Der Arbeitsplatz soll frei wählbar sein.
Die herrschende Meinung geht allerdings davon aus, dass § 75 f HGB
auf Abreden, die lediglich die Unterlassung von Abwerbungen zum Gegenstand hat, keine Anwendung findet. Die Entscheidungsfreiheit des Mitarbeiters, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, werde durch ein vertragliches Abwerbeverbot nicht eingeschränkt. Es werden dem Vertragspartner lediglich Handlungen untersagt, die darauf abzielen, das Interesse des Mitarbeiters, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, zu wecken.
Ein vertragliches Abwerbeverbot wäre demnach zulässig.
Das vertragliches Abwerbeverbot sollte die Vereinbarung einer Vertragstrafe für den Fall der Nichteinhaltung beinhalten, da dies zum einen ein Druckmittel darstellt und zum anderen der Nachweis des Schadens, der durch die Nichtbeachtung des Abwerbeverbots verursacht wurde, schwer zu führen ist.
Das Abwerbeverbot muss auch eine zeitliche Begrenzung enthalten, damit der Vertragspartner nicht in unangemessener Weise in seiner geschäftlichen Betätigungsfreiheit beschränkt wird.
Eine Musterformulierung könnte so lauten:
„(1) Der (Vertragspartner) verpflichtet sich, keine (Kunden/Arbeitnehmer/freie Mitarbeiter) des (Unternehmens) im Bereich des Gegenstands dieses Vertrages abzuwerben oder Dritte hierbei zu unterstützen. Diese Vereinbarung gilt vom Abschluss des Vertrages an bis zum Ablauf eines Jahres nach dessen Beendigung.
(2) Der (Vertragspartner) verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Abwerbeverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR an (Unternehmen) zu zahlen.
(3) Weitergehende Ansprüche des (Unternehmens) bleiben davon unberührt."
Bitte beachten Sie, dass dieses Formulierungsbeispiel lediglich darstellenden Charakter aufweist. Es dient ausschließlich der Veranschaulichung und muss dem jeweiligen Einzelfall angepasst werden.
Das Abwerbeverbot wird in der Regel zusammen mit einer Geheimhaltungs- und Konkurrenzschutzklausel in den Vertrag aufgenommen.
Abschließend weise ich darauf hin, dass es sich empfiehlt, dem Vertragspartner die Beweislast aufzuerlegen, denn nur der Vertragspartner und der frühere Mitarbeiter können wissen, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte. Denn dies bleibt regelmäßig für den betroffenen Unternehmer im Unklaren, wenn nicht jemand zufällig Zeuge des Abwerbeversuchs geworden ist. Es ist also für denjenigen, der sich auf ein Abwerbeverbot berufen will, zu empfehlen, dass der Vertragspartner darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass der Vertragsschluss des früheren Mitarbeiters mit dem Vertragspartner nicht auf gezielter Abwerbung beruht. Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Beweislastregelungen ist anerkannt. Sie kann sowohl in Individualvereinbarungen als auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden.
Ich hoffe Ihnen mit der Beantwortung einen ersten Überblick gegeben zu haben. Eine Beratung innerhalb dieses Forums stellt nur eine erste rechtliche Orientierung dar und kann eine umfassende Begutachtung auf keinen Fall ersetzen. Ich weise darauf hin, dass durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung anders ausfallen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Dr. Roger Blum
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