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Wucher/ Sittenwidriger Kaufpreis mit Anfechtung wegen Sozialhilferegress

| 21. März 2025 17:52 |
Preis: 30,00 € |

Kaufrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Hallo,
nachfolgendender Sachverhalt:

Ein nicht in gerader Linie Verwandter (Sohn der Schwester meines Opas, keine Kinder) möchte einen Oldtimer von mir erwerben.
Dieser befindet sich seit über einem Jahr in meinem Besitz. Spekulationssteuer bei der Veräußerung würde demnach nicht anfallen.
Der Wagen hat einen Marktwert von ca. 80.000€.
Der Käufer möchte mir für den Wagen das 10 fache, also 800.000€ bezahlen.

Ein Bekannter sagte hierzu, dass ein solches Geschäft Wucher und sittenwidrig sei und daher verboten.
Ich habe hierzu jedoch nichts Verbindliches finden können, außer:

Wucher – wann ist ein Preis zu hoch?
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/vertraege-reklamation/kundenrechte/wucher-wann-ist-ein-preis-zu-hoch-51981
- Um einen Preis als Wucher zu bezeichnen, muss er mindestens doppelt so hoch sein wie marktüblich
- Außerdem muss der Anbieter eine Notlage ausnutzen

Beispiel: „…Aber niemand ist zwingend auf eine Spielekonsole angewiesen, sodass es keine Notsituation gibt, die ausgenutzt werden könnte. Hier liegt es also an Ihnen, entweder mit dem Anbieter, um einen niedrigeren Preis zu verhandeln, sich woanders nach der Konsole umzusehen oder auf den Kauf ganz zu verzichten."

In meinem Fall wäre der Preis weit mehr als doppelt so hoch wie marktüblich - korrekt. Jedoch nutze ich keine Notlage aus, sondern der Käufer möchte das Fahrzeug aus freien Stücken zu diesem Preis erwerben.
Es wäre daher ein ähnlicher Fall wie der der Spielkonsole. Niemand ist genau auf diesen PKW angewiesen. Der Käufer könnte problemlos auf den Kauf verzichten.

Wäre der Verkauf zu diesem Preis also problemlos möglich?

Da der Käufer Mitte siebzig ist, wäre die weitergehende Fragestellung, wie sich der Kauf und das damit verbundene kleiner werdende Vermögen des Käufers auf einen möglichen Sozialhilferegress auswirken könnte.

Wenn der Käufer in den kommenden Jahren beispielsweise zum Pflegefall werden sollte und die Pflegekasse/ Sozialamt die Vermögensverhältnisse prüft, könnten diese den Kauf des Oldtimers rückabwickeln / anfechten wegen des zu hohen Preises, wenn die finanziellen Rücklagen und ein Verkauf des Oldtimers nicht zur Deckung der Pflegekosten ausreichend wären?
Das Thema Sozialhilferegress kennt man ja eigentlich eher aus dem Bereich der Immobilienübertragung.

Danke und Grüße

21. März 2025 | 19:19

Antwort

von


(24)
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Neben der zivilrechtlichen Bewertung des Kaufvertrags im Hinblick auf Wucher oder Sittenwidrigkeit stellt sich in der Tat auch die Frage eines möglichen Rückforderungsanspruchs im Falle späterer Bedürftigkeit des Käufers. Darüber hinaus stellen sich unter dem Gesichtspunkt einer möglichen (gemischten) Schenkung auch steuerrechtliche Fragen:

1. Zivilrechtliche Einordnung des Kaufvertrags

Ein Verkauf zu einem Preis, der den Marktwert um ein Vielfaches übersteigt – in Ihrem Fall: 800.000 € gegenüber einem Marktwert von ca. 80.000 € – ist zivilrechtlich grundsätzlich zulässig, sofern keine Zwangslage oder Ausnutzung einer Schwächesituation des Käufers vorliegt.

Ein solcher Vertrag wäre daher nicht automatisch wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) oder Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig, wenn der Käufer aus freiem Willen und in Kenntnis des Sachverhalts handelt. Das Gesetz verlangt hierfür zusätzlich die Ausnutzung einer Zwangslage, einer Unerfahrenheit oder eines Mangels an Urteilsvermögen – diese Voraussetzungen liegen nach Ihrer Schilderung nicht vor.

2. Sozialhilferegress – Rückforderung nach § 528 BGB

Sollte der Käufer in Zukunft verarmen – etwa durch Pflegebedürftigkeit – und Sozialhilfe beanspruchen, kann eine Rückforderung des überhöhten Kaufpreises ganz oder teilweise in Betracht kommen, sofern der über den Marktwert hinausgehende Betrag als Schenkung zu werten ist.

Nach § 528 Abs. 1 BGB kann der Schenker (bzw. im Fall der Sozialhilfe der Sozialhilfeträger durch übergeleiteten Anspruch) die Rückgabe des Geschenkes verlangen, wenn er nach der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. In Betracht kommt dies insbesondere, wenn das Sozialamt annimmt, dass der Käufer durch den überhöhten Kaufpreis sein Vermögen unangemessen reduziert hat.

Der Rückforderungsanspruch ist allerdings ausgeschlossen, wenn:

- der Käufer seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat (§ 529 Abs. 1 BGB), oder
- seit der „Schenkung" mehr als zehn Jahre vergangen sind (§ 529 Abs. 1 BGB), oder
- der Rückgriff den eigenen angemessenen Unterhalt des Beschenkten gefährden würde (§ 529 Abs. 2 BGB).

Die zentrale rechtliche Schwierigkeit liegt hier in der Abgrenzung zwischen entgeltlichem Kauf und unentgeltlicher Zuwendung (Schenkung). Sollte das Sozialamt die Differenz von 720.000 € (zwischen Marktwert und Kaufpreis) zumindest partiell als Schenkung werten, was naheliegt, bestünde unter den obigen Voraussetzungen ein Rückforderungsanspruch.

3. Schenkungsteuerliche Bewertung

Auch aus steuerlicher Sicht ist bei derart überhöhten Kaufpreisen Vorsicht geboten. Das Finanzamt kann in einem solchen Fall eine sogenannte "gemischte Schenkung" annehmen: Der Verkauf zu einem vielfach überhöhten Kaufpreis wird dann steuerlich teilweise als entgeltlich, teilweise als unentgeltlich eingestuft.

Bei einer angenommenen Schenkung in Höhe von 720.000 € wären – unter Zugrundelegung eines Freibetrags von lediglich 20.000 € in Steuerklasse III – 700.000 € steuerpflichtig, mit einem Steuersatz von 30 %, was eine mögliche Schenkungsteuer in Höhe von bis zu 210.000 € zur Folge hätte.

Die Steuerpflicht träfe nach § 20 Abs. 1 ErbStG Sie als den Beschenkten, die Schenkung ist nach § 30 Abs. 1 ErbStG dem Finanzamt anzuzeigen.

Zusammenfassung und Empfehlung:

Der Kaufvertrag ist rechtlich wirksam, wenn keine Ausnutzung vorliegt.

Es besteht jedoch m.E. neben dem Risiko einer Rückforderung bei späterer Bedürftigkeit ein erhebliches steuerliches Risiko.

Es empfiehlt sich ggf. die Einholung eines Wertgutachtens, um den tatsächlichen Marktwert zu dokumentieren.

Eine vertragliche Gestaltung, die den Sachverhalt offenlegt (ggf. Aufteilung in Kaufpreis + freiwillige Zuwendung), kann spätere Streitigkeiten vermeiden.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt
Roger Schulz


Rechtsanwalt Roger Schulz

Bewertung des Fragestellers 23. März 2025 | 22:04

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