Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten:
- wie gehe ich ganz allgemein mit dieser Abmahnung um?
Entweder Sie geben klein bei und unterzeichnen die Unterlassungserklärung, verhandeln mit der Gegenseite oder wehren sich ggf. auch gerichtlich.
Dies hängt v.a. davon ab, wie es um die Schadstoff-Freiheit ihrer so beworbenen Artikel bestellt ist (siehe weiter dazu unten).
- wonach richtet sich der Streitwert? Ist der Streitwert wirklich unabhängig von unseren Einnahmen? (Shopumsatz ca. 18.200 EUR, auf die genannten Artikel entfallen ca. 15-20%)
Der Streitwert ist grundsätzlich unabhängig vom Umsatz des Online-Shops.
In Wettbewerbssachen gilt ein Regelstreitwert von 25.000 €. Die angesetzten 30.000 € sind daher noch im Rahmen. Sofern es sich um eine Abmahnung von RA Richter für Allnatura handelt, ist allerdings zu sagen, dass dieser in der Vergangenheit mit dem Wert 20.000 € operiert hat.
Nur bei ganz gerinfügigen Umsätzen könnte der Gegenstandswert "gedrückt" werden. Dann wäre jedoch der Gesamtumsatz (Online-Shop + Ladengeschäft) maßgeblich.
- sollten wir die Gebühr bezahlen? Im Anerkenntnisurteil wird ausgeführt, dass der Beklagte 576,50 € nebst Zinsen zu bezahlen hat, warum sind es bei uns 1.294,50 €
Woher die Summe von 576,50 € stammt, erschließt sich ohne Kenntnis des Urteils nicht.
Möglicherweise handelt es sich um zusätzliche gerichtliche Kosten die zu den außergerichtlichen Abmahnkosten von 1294,50 € hinzukommen.
Die 1,5 Gebühr ist jedoch überhöht – mehr als eine 1,3 Gebühr kann in aller Regel nicht gefordert werden.
- sollten bzw. müssen wir die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterschreiben?
Dies hängt von mehreren Faktoren ab:
1. Tatsächliche Schadstoffbelastung der Produkte
2. Beweislage: der Abmahnende trägt die Beweislast dafür, dass tatsächlich eine relevante Schadstoffbelastung vorliegt
3. Rechtsfrage: ob die Angabe „schadstoffrei" tatsächlich komplette Rückstandsfreiheit verlangt, ist eine Rechtsfrage, die keinesfalls so eindeutig zu beantworten ist wie in der angeführten Entscheidung „nickelfrei".
Maßgeblich ist das Verständnis des
angesprochenen Abnehmerkreises. Es ist zweifelhaft, ob die Verbraucher bei Textilien tatsächlich 100% Freiheit jeglicher (von den unzähligen) Schadstoffe erwartet.
Wir haben aus unserem Online-Shop sämtlich Formulierungen mit "schadstofffrei" entfernt. Sollte man wirklich etwas übersehen haben würde das bedeuten das man für jeden Artikel dann 5.100 EUR bezahlen muss?
Ja, dies würde drohen. Sofern eine Unterlassungserklärung abgegeben werden sollte, wäre die Vertragsstrafe daher zu reduzieren.
- kann man sich gegen solche Abmahnungen in Zukunft schützen?
Ja, durch die Überprüfung Ihres Online-Shops.
- sollten wir uns anwaltlich vertreten lassen oder würde das im Endeffekt außer weiteren Kosten nichts bringen?
Voraussichtlich könnte bei anwaltlicher Vertretung zumindest der zu zahlende Betrag sowie die Vertragsstrafe erheblich reduziert werden.
Sofern ich Ihnen dabei behilflich sein kann, finden Sie meine Kontaktdaten unter meinem Profil.
Im Falle einer Beauftragung würden das Honorar für die Beratung hier gemäß den gesetzlichen Vorschriften auf das Honorar für die Vertretung angerechnet.
Ich hoffe, Ihnen eine rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr RA Driftmeyer,
vielen Dank für Ihre umfangreichen Ausführungen, bitte gestatten Sie mir noch die folgenden Nachfragen.
- macht es Sinn selbst mit der RA Kanzlei in Verhandlung zu treten oder würde man da nichts sinnvolles erreichen z. B. Gebühr bezahlen, Unterlassungserklärung ablehnen? Denken Sie, dass dann ein Verfahren angestrebt wird?
- Sie schreiben, dass Ihnen bezüglich einer Ausage zu Punkt 3 das Anerkenntnisurteil vorliegen müsste:
*******************************
Aktenzeichen: 10O 107/14
Landgericht Ellwangen (Jagst)
Im Namen des Volkes
Anerkenntnisurteil
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
wegen Unterlassung
hat das Landgericht Ellwangen (Jagst) - 1. Kammer für Handelssachen - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... am 23.02.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 307 Satz 2 ZPO
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Produkte, insbesondere Naturbettwaren mit nachfolgendem oder im Kern gleichen Aussagen zu werben:
"(...vom Beginn des Baumwollanbaus bis zum Einnähen des Reißverschlusses, wurden alle Arbeitsschritte wie auch die Materialien überprüft bzw. bio-zertifiziert.) Die Kriterien beinhalten z. B. Schadstofffreiheit."
"Hochwertige schadstofffreie Naturbettwaren und Greenlifestyle."
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, im Uneinbringlichkeitsfalle Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrer Inhaberin, angedroht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 576,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.01.2015 zu bezahlen.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
...
Vorsitzender Richter am Landgericht
*******************************
Es wird unter Punkt 3 von 576,50 € Anwaltskosten gesprochen, bei uns wären die Anwaltskosten ja über 1.300 €.
- Sie schreiben, dass es auch auf die Schadstoffbelastung ankommt, alle Artikel sind Öko-Tex 100 geprüft. Die Artikel sind schadstoffgeprüft, die Bezeichnung "schadstofffrei" wird natürlich nicht verwendet.
- wenn wir uns bspw. durch Sie anwaltlich vertreten lassen denken Sie, dass die Gesamtkosten für Sie und die Gegenseite 1.500 EUR übersteigen würden? Vielleicht können Sie uns auch aus wirtschaftlichen Gründen die groben Kosten aufzeigen.
- Wie würden Sie die Chancen einschätzen die geforderten Gebühren mit Ihrer Hilfe deutlich zu reduzieren?
Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüße und ein schönes Wochenende
Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Nachfrage beantworte ich gern wie folgt:
1. - macht es Sinn selbst mit der RA Kanzlei in Verhandlung zu treten oder würde man da nichts sinnvolles erreichen z. B. Gebühr bezahlen, Unterlassungserklärung ablehnen? Denken Sie, dass dann ein Verfahren angestrebt wird?
Ob Sie etwas auf eigene Faust erreichen können, ist mir nicht möglich einzuschätzen. Da der abmahnende Anwalt jedoch bei den Verhandlungen u.U. über größere Sachkenntnis verfügt, würde ich bezweifeln, dass ein faires, geschweige denn das bestmögliche Ergebnis am Ende steht.
Der Unterlassungsanspruch bildet hier den Mittelpunkt. Wenn keine Unterlassungserklärung abgegeben wird, kann die Gegenseite ein einstweiliges Verfügungsverfahren einleiten, das i.d.R. ohne mündliche Verhandlung abläuft oder Klage wie das angeführte Verfahren vor dem LG Ellwangen.
Ob eine Unterlassungserklärung abgegeben werden sollte, hängt letztlich sicher auch von dem Gesamtkostenrisiko und Ihrer Bereitschaft, notfalls zu prozessieren, ab.
2. Es wird unter Punkt 3 von 576,50 € Anwaltskosten gesprochen, bei uns wären die Anwaltskosten ja über 1.300 €.
Ich gehe davon aus, dass das Gericht auf die Parteien eingewirkt hat, um auf Klägerseite den Anspruch auf Abmahnkosten zu reduzieren, damit auf der Beklagtenseite die Bereitschaft ein Anerkenntnis zu erklären, steigt.
3. - Sie schreiben, dass es auch auf die Schadstoffbelastung ankommt, alle Artikel sind Öko-Tex 100 geprüft. Die Artikel sind schadstoffgeprüft, die Bezeichnung "schadstofffrei" wird natürlich nicht verwendet.
Das sagt wenig über den tatsächlichen Schadstoffgehalt aus. Im gerichtlichen Klageverfahren würde hier ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.
4. - wenn wir uns bspw. durch Sie anwaltlich vertreten lassen denken Sie, dass die Gesamtkosten für Sie und die Gegenseite 1.500 EUR übersteigen würden? Vielleicht können Sie uns auch aus wirtschaftlichen Gründen die groben Kosten aufzeigen.
Die Chancen, dass Sie ein wirtschaftlich spürbar besseres Ergebnis erzielen, sind sehr realistisch.
- Wie würden Sie die Chancen einschätzen die geforderten Gebühren mit Ihrer Hilfe deutlich zu reduzieren?
Die Chancen sind gut.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage hiermit beantworten.
Sofern ich hier weiter für Sie tätig werden kann, erreichen Sie mich zur Vorbesprechung der Kosten und des weiteren Ablaufs ab Montag wieder.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein schönes Wochenende.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt