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Werklieferungsvertrag unter hohem Verkaufsdruck abgeschl. - Möglichkeiten Widerruf

9. Mai 2022 10:49 |
Preis: 79,00 € |

Vertragsrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Mann und ich waren vergangene Woche auf dem Maimarkt in MA und sind dort mit der Fa. W. ins Gespräch gekommen, da wir an unserem Haus einzelne Fenster sowie die Haustüre tauschen lassen möchten.
Es wurde ein Termin für Sa, 07.05.2022 vereinbart, im Rahmen dessen der vermeintliche Geschäftsführer Herr W. anbot sich die Situation vor Ort kostenlos anzusehen und auf Grundlage eines groben Aufmaßes ein unverbindliches Angebot zu erstellen. Klang erstmal seriös.
Zu dem vereinbarten Termin kam Herr W. dann erstmal 50 Minuten zu spät, plauderte sehr nett mit uns, unterstrich dabei sehr stark seine Begeisterung für alte Häuser etc. und maß die Fenster recht grob auf. Dies sei zur Erstellung des Angebots ausreichend, ein genaues Aufmaß würde dann später erfolgen.
Anschließend setzten wir uns entspannt hin und Herr W. erklärte uns ein paar Dinge zu den von ihm angepriesenen Produkten, allerdings ausschließlich zu den Produkten der Fa. S.-Fensterbau und nicht mehr zur Fa. W., da diese für unsere Bedürfnisse viel besser geeignet wären und qualitativ sehr viel höherwertiger als die „Massenware" der Fa. W.. Zudem erwähnte er dass er dort auch im Vorstand sei und sie schon seit 2 Generationen dort sehr hochwertige Produkte vertreiben.
Von der Qualität der Produkte konnten wir uns leider nicht überzeugen, da diese auf der Messe nicht ausgestellt waren und Herr W. nur eine sehr dünne Broschüre zu den Haustüren dabei hatte. Er lud uns aber zu einem Besuch des 250km entfernten Werkes ein um uns die zu diesem Zeitpunkt in Produktion befindlichen Fenster anzusehen.
Auf einem Zettel notierte er viele Zahlen zur Erstellung des Angebots und erklärte diese auch recht ausführlich. Zudem versah er die Listenpreise immer mit diversen Aufschlägen wg. der „Umrechnung" der seit dem Listenstand bereits erfolgten Preissteigerungen sowie auch noch der ganz aktuell rasant steigenden tagesaktuellen Materialpreiserhöhungen von Holz und v.a. Aluminium.
Er kam auf einen recht hohen Gesamtpreis, machte uns aber gleich das Angebot den Preis für die Fenster um 35% und den der Haustür um 30% abzumildern, da sie das Material aktuell nicht zukaufen müssten sondern ausreichend auf Lager hätten.
Wir baten ihn das Angebot vollständig zu erstellen und wollten eine Nacht darüber schlafen. Das lehnte er ab und meinte dieser Preis sei nur durch ihn persönlich und heute gültig usw.. Zudem betonte er, dass er an dem Vertrag auch nichts verdienen würde da er „nur angestellt" wäre…
Wir hatten nie vor unmittelbar einen solchen Vertrag in einer durchaus beträchtlichen Höhe ohne genaue Prüfung der Produkte und der Vertragskonditionen zu unterzeichnen, vor dem Hintergrund der aktuellen Lage der Materialverfügbarkeiten und steigenden Materialpreise, durch den im Laufe des Gesprächs immer stärker ansteigenden Drucks durch Herrn W. sowie auch des steigenden Zeitdrucks unterzeichnete ich am Ende doch den sog. Werkliefervertrag über Aufmaß, Lieferung und Montage mehrerer Fenster und der Haustür.
Die genauen Details der Profile etc. blieb uns Herr W. schuldig und verwies auf die Homepage, die Informationen darauf sind jedoch nicht ausreichend um die mündlichen Aussagen und „Versprechungen" von Herrn W. prüfen zu können.
Auch die genaue Funktion von Herrn W. in Bezug zu den beiden Firmen von Ist leider auch sehr unklar, eine Karte blieb er uns schuldig und schrieb uns nur seine Handynummer auf. Er selbst gehört wohl offensichtlich nicht zur Fa. S.-Fensterbau sondern zur einer dritten Firma, obwohl er angab bei der Fa. S. im Vorstand zu sein.

Im Nachhinein betrachtet verfügten wir wohl beide durch die Umstände und den aufgebauten psychischen Druck nicht mehr über unser volles Urteilsvermögen, denn etwa 1/2 Std nachdem Herr W. gegangen war wurde uns bewußt dass wir diesen Vertrag unter „normalen Umständen" nie geschlossen hätten.

Wir möchten diesen Vertrag nun widerrufen wenn möglich, das Kleingedruckte sieht aber keine Widerrufsmöglichkeit vor sondern nur den folgenden Passus:

„Verweigert der Besteller aus einem durch den Auftragnehmer nicht zu vertretenden Anlass vor Herstellung der Ware bereits die Abnahme oder kommt er seinen Mitwirkungspflichten vor der Herstellung nicht nach (…), so hat er 20% der vereinbarten Brutto-Werklohnforderung für entstandene Kosten und entgangenen Gewinn zu zahlen, sofern der Besteller keinen niedrigeren Schaden nachweist oder der Auftragnehmer keinen höheren. Die vorstehende Regelung gilt auch für den Werklohnanspruch des Auftragnehmers, wenn der Vertrag endet, bevor die Ware hergestellt ist. Der Auftragnehmerin bleibt vorbehalten auch einen tatsächlich höheren Schaden geltend zu machen. (…)"

Fragen:
- Kommen wir durch sofortigen Widerruf oder Anfechtung des Vertrags noch heute aus diesem heraus, ohne die 20% zahlen zu müssen? (Es sind noch keine Kosten entstanden, das Aufmaß wurde nicht erstellt, der Vertrag wurde am Sa spätnachmittags nach Geschäftsschluss unterzeichnet, das Material liegt im Lager und kann für andere Produkte verwendet werden)
- Wenn nein, sind die 20% bezogen auf den Brutto-Betrag rechtens oder wären diese nur auf den Netto-Betrag zu beziehen?
- In welcher Form können wir einen niedrigeren Schaden nachweisen bzw. besteht die dringende Gefahr, dass uns ein vermeintlich höherer Schaden angegeben wird und wir mehr als die 20% zahlen müssen?
- Können wir unlautere Geschäftspraxis od. ähnl. geltend machen aufgrund des stark unter Druck setzenden Verkaufsgesprächs?
- Können wir Widerrufen wg. Irrtum oder arglistiger Täuschung?

Ich bitte um schnelle Beantwortung und eine Empfehlung zur weiteren Vorgehensweise.
Mit freundlichen Grüßen
I.L.

9. Mai 2022 | 13:17

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Da hier Aufmaß, Ausbau der alten und Einbau der neuen Fenster einen Schwerpunkt des Auftrags bilden, würde ich das Ganze eher als Werkvertrag einschätzen. Da dieser Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, steht Ihnen ein 14-tägiges Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu. Sie sollten daher umgehend gegenüber dem Unternehmer nachweisbar schriftlich den Widerruf erklären. Der Vertrag wird dann rückwirkend aufgelöst und Sie müssen nicht die 20 % zahlen. Sollte der Unter

Sollte der Unternehmer sich auf die Ausnahme des § 312g Absatz 2 Nr.1 BGB berufen, verweisen Sie auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, 20.10.2021 - I ZR 96/20), in dem ein Widerrufsrecht bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit einer individuell erstellten, an die Wohnverhältnisse des Kunden angepassten Laufschiene bejaht wurde. Diese Konstellation ist aus meiner Sicht vergleichbar mit Ihrem Fall.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

Rückfrage vom Fragesteller 9. Mai 2022 | 15:11

Sehr geehrter Herr Wilking,

Vielen Dank für Ihre Antwort. Leider ist mir nicht ganz klar, ob das von Ihnen zitierte Urteil tatsächlich einen vergleichbaren Fall darstellt. Bei dem Kurventreppenlift handelt es sich um einen vorgefertigten Gegenstand bei dem lediglich ein kleiner Teil (Schiene und ggf. Befestigungen) an die individuelle Situation angepasst wird.
Im Fall von bestellten Fenstern für einen Altbau wie bei uns vorliegend werden diese nach Aufmaß gefertigt und anschließend passend eingebaut. Geometrie und Farbigkeit der Fenster sowie auch der Haustür wurden im Groben individuell vereinbart.
Liegt Ihrer Ansicht nach auch dann ein Werkvertrag mit Widerrufsrecht vor oder doch ein Werklieferungsvertrag ggf. ohne dieses Recht?
Falls letzteres zutrifft können Sie bitte auch noch kurz auf meine ursprünglichen zugehörigen Fragen eingehen?
Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
I.L.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Mai 2022 | 17:13

Vielen Dank für Ihre Nachfrage.

In dem BGH Fall hat der Unternehmer argumentiert, dass die Lieferung und Übereignung den Hauptgegenstand darstellen würde. Der BGH hat aber geurteilt, dass der Einbau wesentlicher ist. Das ist in Ihrem Fall noch deutlicher zu bejahen. Denn Ihnen reicht ja nicht die Übereignung der Fenster, sondern entscheidend ist der Ausbau und Einbau. Aus meiner Sicht besteht daher ein Werkvertrag und ein Widerrufsrecht.

Einen Irrtum, Drohung oder arglistige Täuschung und damit einen Anfechtungsgrund kann ich dagegen Ihrer Schilderung leider nicht entnehmen. Wenn Sie dies anders sehen, können Sie zusätzlich zum Widerruf auch hilfsweise die Anfechtung erklären. Unter Druck setzen, wir Sie es geschildert haben, ist nicht unlauter in dem Sinne, als dass es zum Rücktritt berechtigen würde.

Die pauschalen 20% sind sehr hoch angesetzt. Das Gesetz sieht bei einer grundlosen Kündigung eines Werkvertrages lediglich 5 % vor. Deshalb habe ich meine Zweifel, ob diese Klausel vor Gericht halten will. Auf jeden Fall können Sie auch einen niedrigeren Schaden nachweisen. Zur Sicherheit sollten Sie höchst hilfsweise auch noch die Kündigung des Vertrages erklären.

Mit besten Grüßen

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