Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Frage, diese beantworte ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt.
Ich bin ungern Überbringer schlechter Nachrichten, aber durch Ihre Aktivitäten (Kündigung der Mietwohnung der Erblasserin und des Bankkontos) haben Sie ggf. schon Erbenrechte ausgeübt, die über die Sichtung des vorhandenen Nachlasses hinausgeht.
Nach § 580 BGB steht bei versterben des Mieters sowohl dem ERBEN als auch dem Vermieter ein Sonderkündigungsrecht zu.
Sicherlich könnten Sie dies auch unter Bezugnahme auf Ihre post- oder transmortale Vollmacht getan haben. Hier wird jedoch die Grenze zwischen der Berechtigung des Erben und des Bevollmächtigten sehr fließend sein und zugunsten des Erben zu berücksichtigen sein, da Sie als gesetzlicher Erbe, dieses eben noch nicht ausgeschlagen haben und gleichzeitig im Besitz einer Vollmacht sind.
So Sie zuerst ausgeschlagen hätten und dann unter Bezugnahme der Vollmacht die Sicherungsmaßnahmen ergriffen hätten, wäre die Sache sicherlich anders zu sehen.
Es ist hier durchaus denkbar, dass Sie die Erbschaft bereit durch Ihr Handeln konkludent angenommen haben und somit diese nicht mehr ausschlagen können.
Ich möchte hierzu auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Weißenfels verweisen…
Zitat:Die Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich binnen einer Frist von sechs Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem man von der Erbschaft erfahren hat, möglich, § 1944 BGB.
Diese im Gesetz als Überlegensfrist für den Erben vorgesehene sechswöchige Frist kann allerdings unter Umständen dramatisch zusammenschmelzen. Wenn der Erbe nicht aufpasst, dann kann die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft nämlich bereits am ersten Tag nach Eintritt des Erbfalls abgelaufen sein.
Ausschlagung der Erbschaft nach erfolgter Annahme der Erbschaft nicht mehr möglich
Diese für den Erben im Zweifel sehr unangenehme Verkürzung der Ausschlagungsfrist hängt mit der gesetzlichen Regelung in § 1943 BGB zusammen. Danach kann man die Erbschaft nämlich nicht mehr ausschlagen, wenn man sie bereits angenommen hat.
Und tatsächlich kann man den Tatbestand der Annahme einer Erbschaft schneller verwirklichen, als man es vermuten würde.
Die Annahme einer Erbschaft kann nämlich vom Erben nicht nur durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vorgenommen werden. In der Praxis erfolgt eine solche ausdrückliche Annahme der Erbschaft höchst selten.
Die konkludente Annahme der Erbschaft
Wesentlich häufiger als die ausdrücklich erklärte Annahme einer Erbschaft kommt es nämlich vor, dass eine Erbschaft „konkludent" angenommen wird. Konkludent bedeutet, dass sich der Erbe so verhält, als würde er die Erbschaft annehmen. Er nimmt tatsächliche Handlungen vor, die man gar nicht anders interpretieren kann, als dass der Erbe die Erbschaft annimmt.
Mit anderen Worten: Die Erbschaft kann auch durch „schlüssiges Verhalten" des Erben angenommen werden.
Gefährlich an einer solchen konkludenten Annahme einer Erbschaft sind drei Aspekte:
Der konkludent annehmende Erbe weiß in aller Regel nichts von seinem Glück, er ist sich der Rechtswirkung seiner Handlung allzu oft nicht bewusst. Weiter gibt es keinen im Gesetz festgeschriebenen Kanon von Fällen, wann denn eine konkludente Annahme einer Erbschaft anzunehmen ist. Die Gerichte entscheiden hier im Streitfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles höchst individuell … und in Grenzfällen kaum kalkulierbar.
Und schließlich entfaltet eine „nur" konkludente Annahme einer Erbschaft haargenau die gleichen Rechtsfolgen wie eine vom Erben ausdrücklich erklärte Annahme. Das Gesetz unterscheidet in § 1943 BGB nicht zwischen einer konkludent und einer ausdrücklich erklärten Annahme.
Wann wird eine Erbschaft „konkludent" angenommen?
Von den Gerichten sind bereits diverse Handlungen von potentiellen Erben dahingehend untersucht worden, ob man in diesen Handlungen eine konkludente Annahme einer Erbschaft sehen kann. Entscheidend ist immer, ob ein neutraler Dritter (Wer auch immer das sein mag…) die Handlung nur so interpretieren kann, dass der Betroffene die Erbschaft annimmt und seine Stellung als Erbe auszufüllen bereit ist.
Es gibt in diesem Zusammenhang Rechtshandlungen, die man tatsächlich gar nicht anders verstehen kann, als als die Annahme einer Erbschaft. So wird z.B. die Beantragung eines Erbscheins durch einen Erben immer als Annahmehandlung gewertet werden. Ebenso wird man geschäftliche Aktivitäten des Erben rund um den Nachlass in der Regel als Annahme der Erbschaft werten müssen. So mündet zum Beispiel der Verkauf einzelner Nachlassgegenstände regelmäßig in einer konkludenten Annahme der Erbschaft.
Auf der anderen Seite muss der Erbe nicht befürchten, dass jede Kontaktaufnahme zum Nachlass als konkludente Annahme einer Erbschaft gedeutet werden kann. So wurde zum Beispiel von Gerichten bereits entschieden, dass ein an das Nachlassgericht adressierter Antrag, das Testament zu eröffnen, ebenso wenig eine konkludente Annahme der Erbschaft darstellt wie die rein vorsorgliche Bitte an die Bank des Erblassers, ein zum Nachlass gehörendes Konto des Erblassers zu sperren.
Je enger aber die Verflechtung des potentiellen Erben zum Nachlass wird, desto eher nehmen die Gerichte eine konkludente Annahme der Erbschaft an und verweigern dem Erben dann sein Recht, die Erbschaft ausschlagen zu können.
https://www.erbrecht-ratgeber.de/erbrecht/erbschaft/konkludente-annahme-erbschaft.html
Im Grunde ist dies aber nicht allzu tragisch, so Sie zeitnah ein Nachlassverzeichnis anfertigen und so sich daraus eine Überschuldung abzeichnet beim zuständige Nachlassgericht eine Nachlassinsolvenz beantragen.
Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Andreas Wehle /Aachen