Sehr geehrter Fragesteller,
nach Ihrer Schilderung wurde der Antrag auf Nutzungsänderung für die ehemalige Handwerksausstellung in Ihrem Mehrfamilienhaus in Essen abgelehnt. Die Stadt begründet dies im Wesentlichen mit der fehlenden Einfügung des Vorhabens in die nähere Umgebung gemäß § 34 BauGB, insbesondere hinsichtlich der geplanten Nutzung als Eventlocation.
Im Folgenden erläutere ich die rechtlichen Hintergründe und die realistischen Möglichkeiten, gegen die Entscheidung vorzugehen.
1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen
§ 34 BauGB – Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich
Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Kernpunkt ist das sogenannte „Einfügungsgebot": Das geplante Vorhaben muss sich in die vorhandene Umgebungsbebauung einfügen. Maßgeblich ist dabei die tatsächliche Bebauung in der näheren Umgebung, nicht die Nutzung, die im Bebauungsplan vorgesehen ist.
2. Bewertung der Argumentation der Stadt
Die Stadt argumentiert, dass die Umgebung zwar eine Gemengelage aufweist (Wohnungen, Einzelhandel, Gewerbe, Gastronomie, Tankstellen, Büros), aber keine Vorbilder für eine Eventlocation vorhanden sind. Daher fehle es an der Einfügung hinsichtlich der Art der Nutzung.
a) Brautstyling (Make-up und Hairstyling)
Diese Nutzung ist typischerweise als nicht störender Gewerbebetrieb oder Dienstleistungsbetrieb zu qualifizieren. In einer Gemengelage mit Einzelhandel, Arztpraxis, Handwerksbetrieb und Büros ist eine solche Nutzung grundsätzlich einfügungsfähig, sofern keine besonderen Störungen (z.B. durch Lärm, Publikumsverkehr) zu erwarten sind.
b) Eventlocation für private Feiern
Hier ist die Stadt restriktiver. Die Nutzung als Eventlocation wird als nicht einfügungsfähig angesehen, da es in der Umgebung keine vergleichbaren Nutzungen gibt. Die Stadt befürchtet offenbar eine Störung des Gebietscharakters, insbesondere durch Lärm und erhöhten Publikumsverkehr.
3. Realistische Erfolgsaussichten eines Vorgehens
a) Widerspruch und Klage
Sie können gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch einlegen und – falls dieser zurückgewiesen wird – Klage beim Verwaltungsgericht erheben.
Argumentationsansätze:
- Gemengelage: Die Umgebung ist nicht rein wohnlich geprägt, sondern weist eine Mischung aus Wohnnutzung, Einzelhandel, Gewerbe und Gastronomie auf. Dies spricht grundsätzlich für eine größere Bandbreite zulässiger Nutzungen.
- Vergleichbare Nutzungen: Auch wenn keine Eventlocation vorhanden ist, gibt es Schank- und Speisewirtschaften, die ebenfalls Veranstaltungen ausrichten können. Hier kann argumentiert werden, dass die Schwelle zur Störung des Gebietscharakters nicht überschritten wird, insbesondere bei Begrenzung der Teilnehmerzahl und Einhaltung von Lärmschutzauflagen.
- Störpotenzial: Sie können darlegen, dass durch geeignete Maßnahmen (z.B. Schallschutz, Begrenzung der Betriebszeiten, Teilnehmerzahl, Parkraumkonzept) eine unzumutbare Störung der Nachbarschaft ausgeschlossen ist.
Risiken:
Die Rechtsprechung verlangt für die Einfügung nach § 34 BauGB regelmäßig, dass es in der Umgebung zumindest vergleichbare Nutzungen gibt. Fehlt es daran, ist die Behörde in ihrer Entscheidung relativ frei.
Die Nutzung als Eventlocation wird von vielen Behörden und Gerichten als besonders störungsträchtig angesehen, insbesondere in Wohngebieten oder gemischten Gebieten ohne vergleichbare Vorbilder.
b) Teilweise Genehmigung
Es kann sinnvoll sein, die Nutzungsänderung zunächst auf das Brautstyling (ohne Eventbetrieb) zu beschränken. Diese Nutzung dürfte angesichts der vorhandenen Gemengelage und der bisherigen Nutzung als Handwerksbetrieb mit Ausstellung deutlich bessere Chancen auf Genehmigung haben.
4. Praktisches Vorgehen
1.) Widerspruch einlegen: Fristgerecht und ausführlich begründen, insbesondere auf die Gemengelage und die vorhandenen Nutzungen eingehen.
2.) Hilfsweise Teilnutzung beantragen: Falls die Eventlocation nicht genehmigt wird, sollte hilfsweise die Genehmigung für das Brautstyling als eigenständige Nutzung beantragt werden.
3.) Nachweise und Gutachten: Gegebenenfalls ein Lärmgutachten oder ein Nutzungskonzept vorlegen, das die Unbedenklichkeit der geplanten Nutzung belegt.
4.) Vergleichbare Fälle recherchieren: Falls in der Umgebung Veranstaltungen in Gaststätten oder anderen Betrieben stattfinden, sollte dies dokumentiert und als Argument genutzt werden.
5. Zusammenfassung
- Gegen die Ablehnung kann Widerspruch und ggf. Klage erhoben werden.
- Die Erfolgsaussichten hängen maßgeblich davon ab, ob sich die geplante Nutzung – insbesondere als Eventlocation – in die Umgebung einfügt. Für das Brautstyling bestehen bessere Chancen als für die Eventlocation.
- Eine differenzierte Antragstellung (Trennung der Nutzungen) und eine gute Begründung unter Bezug auf die Gemengelage und vorhandene Nutzungen erhöhen die Erfolgsaussichten.
- Die Stadt muss im Widerspruchsverfahren konkret darlegen, warum die Nutzung nicht einfügungsfähig ist und ob durch Auflagen eine Genehmigung möglich wäre.
Fazit:
Ein Vorgehen gegen die Entscheidung ist möglich und in Teilen (insbesondere für das Brautstyling) auch aussichtsreich. Für die Eventlocation ist die Rechtslage schwieriger, aber nicht aussichtslos, wenn Sie überzeugend darlegen können, dass keine unzumutbaren Störungen zu erwarten sind und die Nutzung sich in die Gemengelage einfügt.
Für Rückfragen oder die Ausarbeitung einer konkreten Widerspruchsbegründung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist
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