Sehr geehrter Rechtsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
• Zählen mit der Anwesenheit eines Eigentümers auf einer Versammlung seine Stimmen automatisch für die Feststellung der Beschlussfähigkeit?
Ob eine Eigentümerversammlung beschlussfähig ist, richtet sich nach § 25 III WEG
. Danach ist die Versammlung nur beschlussfähig, wenn die erschienenen Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten. Der Wortlaut der Vorschrift stellt lediglich darauf ab, dass die Eigentümer (evtl. vertreten) erschienen, also anwesend sind. Damit kommt es lediglich auf deren körperliche Anwesenheit an.
• Falls ich an vor einer Abstimmung die Versammlung verlasse, gehe ich richtig davon aus das die Versammlung in diesen Punkten nicht beschlussfähig ist?
Ja dies ist richtig. Es ergibt sich zwar nicht direkt aus dem Gesetzestext. Es entspricht jedoch seinem Sinn. Die Beschlussfähigkeit muss bei jedem einzelnen Beschluss (Abstimmung) vorliegen. Verlassen einzelne Eigentümer zwischenzeitlich die Versammlung, kann die Beschlussfähigkeit fehlen. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Abstimmung.
Fundstellen:
Horst Müller in Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 4. Auflage 2004, Rdn. 736
und
Steinmeyer in Beckscher Online-Kommentar zum WEG, § 25, Rdn. 88f.
• Falls ein Punkt auf der Tagesordnung steht und mangels Beschlussfähigkeit nicht entschieden werden kann, muss dann die Ersatzversammlung stattfinden?
Nach § 25 IV WEG
wird bei Beschlussunfähigkeit eine neue Versammlung einberufen (zwingend), die den gleichen Inhalt hat. Fehlt die Beschlussfähigkeit nur für einzelne Tagesordnungspunkte, so bezieht sich eine neue Versammlung auch nur auf diese Tagesordnungspunkte.
Es könnte jedoch passieren, dass, nachdem Sie die Versammlung verlassen, nicht erneut die Beschlussfähigkeit geprüft wird, sodass ein entsprechender Beschluss gefasst wird. Dieser wäre nicht nichtig, sondern solange wirksam, bis Sie ihn erfolgreich angefochten haben.
Zu solchen Vorgehensweisen kommt es nicht selten, wenn eine Beschlussfassung ansonsten unwahrscheinlich ist.
Weiterhin steht zu befürchten, dass eine erneute Prüfung der Beschlussfähigkeit unterbleibt, wenn Sie aus unredlichen also nicht nachvollziehbaren Gründen die Versammlung verlassen. Nachvollziehbar ist allgemein ein Entfernen aus Gründen der späten Uhrzeit oder wegen weiterer Termine. Wenn Sie sich entfernen, um eine Beschlussunfähigkeit herbeizuführen, kann Ihnen dies als Missbrauch ausgelegt werden, sodass evtl. nicht festgestellt wird, dass die Versammlung beschlussunfähig geworden ist und damit der Beschluss, den Sie verhindern wollen, dennoch gefasst wird.
Fundstelle: Steinmeyer in Beck‘scher Online-Kommentar zum WEG, § 25, Rdn. 88f.
Wenn Sie den Beschluss später anfechten wollen, so müssen Sie jedenfalls beweisen, dass die Versammlung nicht beschlussfähig war. Soweit sich dies nicht aus dem Protokoll ergibt, brauchen Sie Gegenbeweise. Denn die Richtigkeit des Protokolls als Privaturkunde wird erstmal vermutet. Vielleicht ist es Ihnen möglich, den Protokollführer zu veranlassen, noch in Ihrer Gegenwart aufzunehmen, dass Sie im Begriff sind, sich zu entfernen.
Das Bezahlen mit Kreditkarte vor und nachher ist nicht schlecht. Jedoch müssten Sie wirklich schnell dies erledigen. Weiterhin könnte man behaupten, dass jemand anderes mit Ihrer Karte gezahlt hat. Es wäre besser, wenn Sie zusätzlich einen Zeugen hätten, der Sie begleitet oder auch in der Versammlung anwesend ist.
Letztlich fällt es mir schwer Ihnen einen Rat zu erteilen. Sie müssen selbst entscheiden, ob Sie die Versammlung verlassen und einen Beschluss riskieren, an dem Sie nicht einmal mitwirken können, in der Hoffnung, dass die Versammlung vertagt wird. Wenn der Verwalter sich grundsätzlich nicht an gesetzliche Vorschriften hält, so ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass er korrekterweise die Beschlussunfähigkeit feststellen bzw. protokollieren wird und die Eigentümerversammlung an einem anderen Tag wiederholt. Das Risiko liegt – schon aufgrund der späteren Beweissituation – bei Ihnen. Ein Mehr an Sicherheit könnten Sie gewinnen, wenn Sie unter den verbleibenden Eigentümern jemanden hätten, der – ggf. nachdrücklich – auf die richtige Protokollierung hinwirkt.
Ich hoffe, dass Ihre Eigentümergemeinschaft einen neuen Verwalter bekommen wird, der sich an die gesetzlichen Vorschriften hält, sodass alles in geordneten Bahnen laufen wird.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen.
Bitte beachten Sie, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen um eine erste Einschätzung aufgrund des von Ihnen geschilderten Sachverhalts handelt, die eine persönliche Beratung durch einen Rechtsanwalt nach umfassender Sachverhaltsaufklärung nicht ersetzen kann. Durch Auslassen oder Hinzufügen von Tatsachen Ihrerseits kann sich die rechtliche Bewertung ändern.
Bei Unklarheiten können Sie gerne von Ihrem Nachfragerecht Gebrauch machen.
Mit freundlichen Grüßen
Gina Haßelberg
(Rechtsanwältin)
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