Gerne zu Ihrem - in der Praxis häufig vorkommenden - Fall, bei dem nachbarschaftliche Baumaßnahmen an einer bestehenden Rechtseinfriedung vorgenommen wurden – hier im Bundesland Brandenburg.
1. Brandenburgisches Nachbarrechtsgesetz (BbgNRG)
a) Rechtseinfriedung (§§ 28 ff. BbgNRG)
Nach den o.g. § 28 Ziff. 1 BbgNRG haben Nachbarn Anspruch auf eine sogenannte ortsübliche Einfriedung, soweit sie nicht durch Vereinbarung oder Gewohnheitsrecht abbedungen ist. In Ihrem Fall lag die gesetzlich vorgesehene Rechtseinfriedung mittels Sichtschutzzaun vor, die nur mit Ihrer Zustimmung verändert werden darf.
b) Zustimmungspflicht bei Veränderungen
Verändert eine Partei die gemeinsame (§ 28 Ziff. 4 BbgNRG ) Einfriedung (z. B. durch bauliche Aufbauten oder das Überhängen mit Materialien), so handelt es sich rechtlich um eine bauliche Veränderung der Rechtseinfriedung, die gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) und § 903 BGB (Eigentum) nur mit Zustimmung beider Nachbarn zulässig ist.
c) Eigengestaltung auf eigenem Grundstück
Wenn Ihre Nachbarin dagegen auf ihrer eigenen Grundstücksseite eine eigene, zusätzliche Konstruktion errichtet, wäre dies grundsätzlich zulässig, sofern:
- sie nicht die bestehende gemeinsame Rechtseinfriedung verändert, und
- die bauliche Anlage die Grenze und das Gebot der Rücksichtnahme (§ 242 BGB i. V. m. § 906 BGB) nicht verletzt.
d) Überragende Schilfmatten
Das Anbringen von Schilfmatten, die über den vorhandenen Sichtschutz hinausragen, kann je nach Höhe eine unzulässige Beeinträchtigung Ihres Eigentums darstellen, vor allem wenn:
- der Sichtschutz insgesamt eine unzulässige Höhe nach Ortsrecht, Bauordnung oder vor allem der Ortsüblichkeit in der Nachbarschaft überschreitet
- Licht oder Luft unzumutbar eingeschränkt werden,
- oder die Gestaltung das äußere Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt (optisch überwuchernd).
2. Versetzung des Grenzpflocks
Die Versetzung eines amtlichen Grenzzeichens (sog. "Grenzabmarkung") (Grenzstein, Pflock) stellt keine zulässige Handlung dar. Nach § 919 BGB darf niemand Grenzzeichen eigenmächtig versetzen oder verändern. Dies ist u.U. zumindest eine Ordnungswidrigkeit nach § 29 VermKatG Bbg und ggf. sogar eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB), wenn ein amtlich vermessener Pflock betroffen ist vgl. (§ 15 Abs. 2 VermKatG Bbg)
3. Ihre Handlungsmöglichkeiten
a) Beweissicherung
Fotografieren Sie die derzeitige Situation (inkl. der Schilfmatten, der Holzkonstruktion und des versetzten Pflocks).
Notieren Sie das Datum der Veränderungen.
Ziehen Sie ggf. einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur hinzu, um die tatsächliche Grenzlage zu bestätigen.
b) Außergerichtliche Aufforderung
Schriftliche Aufforderung per Einwurfeinschreiben an die Nachbarin, die bauliche Veränderung zurückzunehmen und den ursprünglichen Zustand der Einfriedung wiederherzustellen.
Fristsetzung von zwei Wochen, verbunden mit dem Hinweis, dass Sie andernfalls rechtliche Schritte einleiten.
c) Einschaltung der Vermessungsbehörde
Beantragen Sie - ggf. auf Kosten der Nachbarin - eine Grenzfeststellung (§ 13 VermKatG Bbg), wenn der Grenzverlauf streitig oder manipuliert erscheint.
Dies kann auch als Beweismittel für weitere Maßnahmen dienen.
d) Zivilrechtliche Maßnahmen
Beseitigungs- und Unterlassungsklage gem. § 1004 BGB analog, wenn eine Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt.
Gegebenenfalls Einschaltung eines Anwalts, der auf Nachbarrecht spezialisiert ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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41812 Erkelenz
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E-Mail:
Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, ich bitte freundlichst um Rückmeldung zu folgenden Nachfragen:
Verletzt der Grenznahe Anbau nicht mein Rechtseinfriedungsrecht? Muss der Abstand etwaig genehmigter Anbauten (auch Beete) zur Grenze nicht wenigstens 50 cm betragen ?
Stellt das Verschieben eines Grenzpflocks nicht auch eine Urkundenfälschung dar?
Vielen herzlichen Dank vorab. Mit freundlichen Grüßen
Gerne zu Ihren Nachfragen:
Nach dem Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetz ist bei bebauten Grundstücken bei der Rechtseinfriedung eine ortsübliche Einfriedung vorgesehen, für deren Art und Beschaffenheit die beidseitige Zustimmung erforderlich ist, sofern nicht Gewohnheitsrecht oder frühere Vereinbarungen anderes ergeben.
Das Recht auf Einfriedung umfasst nicht nur das Aufstellen eines Zauns, sondern auch das Recht, nicht durch bauliche Maßnahmen des Nachbarn entwertet oder überlagert zu werden. Wenn Ihre Nachbarin unmittelbar an oder sogar auf die bestehende Einfriedung eine Konstruktion anbringt, die diese optisch oder funktional beeinträchtigt (z. B. Sichtschutz überbaut, Instabilität verursacht), so stellt dies in der Regel eine Beeinträchtigung Ihrer Eigentums- und Mitbenutzungsrechte dar.
Zum Abstandsflächenrecht – öffentlich-rechtlich:
Kleinere „nicht wesentlich überdachte" Nebenanlagen (z. B. Holzgestelle, Sichtschutzblenden) sind nach dem BbgBO abstandsflächenfrei zulässig, sofern sie bestimmte Maße (z. B. 2 m Höhe, 9 m² Wandfläche je Grenze) nicht überschreiten. Ein bodenflaches Beet unterfällt natürlich nicht dem Bauordnungsrecht und nach Nachbarschaftsrecht bemisst sich der Abstand nach der Höhe der Pflanzen (mindestens 1/3 der Höhe)
Wenn aber die Nachbarin eine dauerhafte Konstruktion entlang der Grenze (z. B. mit Rankpflanzen oder Beetstrukturen) ohne Abstand oder über die Grenzlinie hinweg errichtet hat, kann auch dies einen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004, 823 BGB i. V. m. den nachbarrechtlichen Regelungen begründen.
Eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt ist und den Aussteller erkennen lässt. Grenzzeichen (Pflöcke, Steine) sind keine Urkunden im strafrechtlichen Sinn, da ihnen keine deklaratorische Aussage eines Ausstellers beiliegt. Eine Urkundenfälschung liegt also nicht vor.
Ihnen das Beste wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt