Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich aufgrund der von Ihnen mitgeteilten Informationen im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworte:
Welches Gericht in innereuropäischen grenzüberschreitenden Unterhaltsstreitigkeiten für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zuständig ist, regelt das "Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsabkommen" (EuGVÜ). Nach diesem Abkommen werden Klagen wegen Unterhaltszahlungen in dem Land erhoben, in dem der Anspruchsberechtigte lebt. Das ursprünglich nur zwischen den EU-Staaten ratifizierte Abkommen gilt seit dem 1.3.1995 auch zwischen Deutschland und der Schweiz und ist damit auch auf Ihren Fall anwendbar. Ihre unterhaltsberechtigte Tochter kann also grundsätzlich in der Schweiz Unterhaltsansprüche vor einem dortigen Gericht gegen Sie geltend machen. Grundlage der gerichtlichen Entscheidung wäre Schweizerisches Recht, sich der Unterhaltsanspruch nach dem Gesetzt bestimmt, in dem der Unterhaltsgläubiger, also Ihre Tochter, seinen Wohnsitz hat.
Gibt das Gericht Ihrer Tochter Recht, könnte aus diesem Titel auch in Deutschland gegen Sie vollstreckt werden. Hierzu bestehen ebenfalls bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, die speziell der Durchsetzung von Unterhaltstiteln im Ausland – hier also in Deutschland – dienen (Haager Übereinkommen vom 02.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen). Die Vollstreckung eines schweizerischen Unterhaltstitels in Deutschland ist damit zwar nicht so rasch möglich, wie bei einem deutschen Titel, würde aber über kurz oder lang auf Sie zukommen.
Die Antworten auf Ihre Fragen lauten somit:
„1. Wie ist die Rechtslage bei dieser Konstellation - ist es ausreichend, wenn ich mich an das deutsche Recht halte (Düsseldorfer Tabelle usw), oder muss ich tatsächlich die Schweizer Unterhaltssätze zahlen ?“
-> Anwendbar sind die Schweizer Unterhaltssätze, da Ihre Tochter in der Schweiz lebt.
„2. Was ist die beste Strategie, wenn ich in der Schweiz verklagt werde ? Mir einen lokalen Anwalt nehmen und einen Antrag auf Abweisung o.ä. stellen ?“
-> Für eine Prüfung Ihrer exakten Unterhaltsschuld sollten Sie einen Kollegen befragen, der sich im Bereich des Schweizerischen Rechts auskennt. Dies kann auch ein Deutscher Rechtsanwalt sein, der in diesem Bereich tätig ist. Ein Antrag auf Abweisung dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben, da das Schweizer Gericht in jedem Fall für die Unterhaltsklage Ihrer Tochter zuständig wäre.
„3. Wenn es wirklich zu einem Schweizer Urteil kommen sollte, wie verhindere ich, dass es in Deutschland über ein Rechtshilfeabkommen durchgesetzt wird ?“
Das können Sie nicht verhindern. Es gibt sogar bilaterale Abkommen, die eine Vollstreckung des schweizerischen Titels in Deutschland erleichtern.
Ich hoffe, dass ich die Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet habe und ich Ihnen eine erste Orientierung für das weitere Vorgehen geben konnte.
Mit freundlichen Grüssen
Stephan Bartels
Rechtsanwalt, Hamburg
Antwort
vonRechtsanwalt Stephan Bartels
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Vielen Dank für die schnelle Antwort bei dieser schwierigen Frage! Ich würde gerne noch eine Nachfrage machen:
Es gibt hier im Forum zu einem ähnlich gelagerten Fall (TopicID 15370, Betreff "Unterhaltszahlungen ins Ausland"), bei der die Fragestellerin allerdings die in der Schweiz lebende Mutter ist, eine grundsätzlich vergleichbaren Antwort, allerdings einen Verweis, dass es eine Aussnahme zu dieser Regelung nach 18 V EGBGB gibt (dies habe ich sinngemäss tatsächlich auch so im deutschen Gesetz wiedergefunden):
"Danach ist immer dann deutsches Recht anzuwenden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche sind und jedenfalls der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, also in Deutschland unterhält. Da ich davon ausgehe, dass das Kind nicht die Schweizer Staatsangehörigkeit hat, gilt auch nicht Art. 15 des Haager Abkommens von 1973, wonach sich die Schweiz die Anwendung ihres Heimatrechts für Ihre Staatsbürger vorbehalten hat."
Warum gilt diese Ausnahmeregelung nicht auch für meine Problematik ?
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Art. 18 Abs. V EGBGB
ist Deutsches Recht und gilt für inländische Verfahren.
Die internationalen Verträge, nach denen sich der Unterhaltsanspruch nach dem Recht des Wohnortes des Unterhaltsberechtigten richtet sind gegenüber dem Internationalen Verträgen vorrangig. Ein schweizer Gericht würde also nach schweizer Recht entscheiden. Die Vorschrift des Art. 18 EGBGB
müsste hingegen von einem deutschen Gericht angewendet werden, wenn der Unterhaltsprozeß in Deutschland geführt werden würde. Dies möchte die Mutter des Kindes gerade vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen
S. Bartels
Rechtsanwalt, Hamburg
Sehr geehrter Fragesteller,
in Ergänzung zu meiner bisherigen Antwort möchte ich Sie noch auf die Möglichkeit der Abänderungsklage hinweisen.
Sollt es tatsächlich zu einem Unterhaltstitel eines Schweizer Gerichts gegen Sie kommen, könnten Sie in Deutschland die Abänderung dieses Titels beantragen. Diese Möglichkeit besteht grds. bei jedem Titel, wenn sich die Voraussetzungen, die dem Urteil zugrunde gelegen haben, wesentlich geändert haben, Ihr Tochter also z.B. nicht mehr in der Schweiz wohnt. Der Umstand, dass es sich um einen ausländischen Titel handelt, würde allein nicht ausreichen, damit Sie sich gegen den Titel wenden können.
Mit freundlichen Grüßen
S. Bartels
Rechtsanwalt Hamburg