Sehr geehrter Ratsuchender,
1.
Da Ihnen nach dem Vorwegabzug des Kindesunterhalts von dem bereinigten Einkommen auch nach der Berechnung des Jugendamtes nur noch rund € 100 über dem Selbstbehalt verbleiben, können Sie für den Unterhalt der Kindesmutter nur (maximal) diesen Betrag aufbringen, auch wenn der Bedarf höher ist. Insoweit liegt aber kein Mangelfall vor, denn dieser ist nur gegeben bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen von gleichrangig Berechtigten (vgl. Anmerkung C zur Düsseldorfer Tabelle), und der Anspruch des Kindes ist gemäß § 1609 BGB
ja vorrangig, die Begründung der Behörde somit unzutreffend.
Im Ergebnis dürfte die Berechnung jedoch aus einem anderen Grund falsch sein. Denn das Kindergeld wird zwar nicht als Einkommen des Kindes oder der Mutter gewertet, Sie können aber (unabhängig davon ob ein Mangelfall vorliegt oder nicht) die Unterhaltsleistungen für das vorrangig berechtigte minderjährige Kind nach den Ziff. 15.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Oldenburg (die nach Ihrem Wohnort zu schließen anwendbar sind, wenn auch die Kindesmutter in diesem OLG-Bezirk wohnt) nicht nur mit dem Zahlbetrag abziehen, sondern mit dem Tabellenbetrag, hier € 279. Andere Oberlandesgerichte sehen nach der Unterhaltsrechtsreform allerdings eine andere Handhabung vor, nach der nur der Zahlbetrag maßgeblich ist.
2.
Da in der Regel ein Mindestbedarf der Kindesmutter in Höhe von mindestens € 770 angenommen wird, bleibt in der vorliegenden Konstellation die Anrechnung eigenen Einkommens ohne Auswirkung auf die Höhe Ihrer Unterhaltsverpflichtung.
3.
Die Erstattung der Beratungskosten könnte hier ausnahmsweise aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben sein (§ 670
in Verbindung mit § 683 Satz 1 BGB
), ein solcher Anspruch dürfte aber schwer durchsetzbar sein.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen hilfreichen ersten rechtlichen Überblick verschaffen. Für Rückfragen zum Verständnis stehe ich gerne zur Verfügung.
Die oben zitierten Vorschriften können Sie hier nachlesen:
http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=301AF1A564BD492F9E9D452513649925&toc=heibo.120
http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html
<a href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html" target="_blank">BGB</a>
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr RA Geyer,
ich möchte vorab für Ihre schnelle Hilfe bedanken und nachfolgend von der Möglichkeit der einmaligen Nachfrage Gebrauch machen:
die Behörde hat meinen Widerspruch hinsichtlich der Zurechnung des hälftigen Kindergeldes bei der Berechnung des nachrangigen Unterhaltsanspruchs der KM abgelehnt.
Die Behörde beruft sich gem. Ziff. 23.1 der Leitlinien des OLG Oldenburg auf die Anwendung des hier nun doch vorliegenden Mangelfalls (in der beckschen Textausgabe ist übrigens auch ein Fehler enthalten: die offizielle Fassung der Leitlinien des OLG Oldenburg unter Ziff. 23.1 geht nicht vom Bedarf der erst-/ oder gleichrangigen, sondern vom Bedarf ALLER Unterhaltsberechtigen aus).
Der BGH (Az XII ZR 183/02
) hat ebenfalls in dieser Sache gegen die Verwendung des Kindergeldes für nachrangig Unterhaltsberechtigte entschieden.
Meine Frage wäre nunmehr, ob eine gerichtliche Auseinandersetzung in diesem Fall Aussicht auf Erfolg hätte.
Ich bedanke mich nochmals im Voraus für Ihre Hilfe
und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Ratsuchender,
in der Tat weicht die vom Beck-Verlag veröffentlichte aktuelle Version der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Oldenburg in Ziff. 23.1 von der offiziellen Version ab - vielen Dank für den Hinweis.
Dies ändert aber nichts daran, dass hier ein Mangelfall NICHT vorliegt, denn die Unterhaltsberechtigung der Mutter ist nachrangig gegenüber dem Anspruch des minderjährigen unverheirateten Kindes gemäß § 1609 BGB
. Dies war auch schon vor der Unterhaltsrechtsreform vor dem 01.01.2008 der Fall (siehe § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB
). Bei konkurrierenden Ansprüchen von Ehegatten und Kindern musste dagegen nach altem Recht eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden, wobei aber auch dann eine Kindergeldanrechnung wegen § 1612b Abs. 5 BGB
entfiel.
Mit der Unterhaltsrechtsreform wurde aber § 1612b BGB
geändert. Nunmehr ist geregelt, dass auch bei minderjährigen Kindern das Kindergeld bereits bedarfsdeckend anzurechnen ist, und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes erfüllt, und im übrigen voll. (Dies bedeutet meines Erachtens auch, dass Sie sich auf die von Ihnen genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht (mehr) mit Erfolg berufen können.)
Aus diesem Grund haben die meisten Oberlandesgerichte auch Ihre Leitlinien dahingehend geändert, dass nur noch der Zahlbetrag und nicht mehr der Tabellenbetrag vorweg abzuziehen ist, NICHT aber das OLG Oldenburg. Daher sehe ich Ihre Chancen eher positiv, im Rechtstreit zu obsiegen. Allerdings könnte es durchaus passieren, dass sich die Rechtsprechung noch ändert, denn gegen den vollen Vorwegabzug des Tabellenbetrages sprechen einige nicht einfach von der Hand zu weisenden Argumente, insbesondere die Tatsache, dass nach der neuen Rechtslage das Kindergeld bereits den Barbedarf des Kindes mindert.
Wenn Sie sich für einen Rechtsstreit entscheiden, denken Sie daran, dass Sie Prozesskostenhilfe beantragen können.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt