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Umsatzsteuer bei Gewerbemietvertrag mit zugleich untersagter Gewerbeausübung!?

| 11. August 2022 20:30 |
Preis: 75,00 € |

Steuerrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt C. Norbert Neumann

Hallo und guten Tag,

ich habe gerade einen Mietvertragsentwurf erhalten über einen Lager- / Hobbyraum in einer Gewerbeimmobilie zur privaten Nutzung. Natürlich handelt es sich formal um einen Geschäftsraummietvertrag.
Unter § 2 Mietzweck legt der Vertrag fest: "Die gewerbliche Erlaubnis zur oben genannten Nutzung [Anm.: Lager- und Hobbyraum] wird nicht erteilt, [...]"
Zugleich aber wird auf den Mietzins die Mehrwertsteuer berechnet! Ich habe recherchiert, dass dies so nicht zulässig ist - ich habe dem Vermieter dazu Folgendes mitgeteilt:

--

- Eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung in Verbindung mit einer untersagten gewerblichen Nutzung der Mietsache ist nach einschlägiger Rechtsauffassung wohl nicht nur nicht üblich oder nicht sinnvoll, sondern sogar unzulässig (siehe Quelle unten). Vom Grundsatz her jedenfalls sind Mieteinkünfte umsatzsteuerfrei. Erst wenn ich in dem Raum ein Unternehmen betreibe und gewerbliche Umsätze erziele, wäre die Option zur Umsatzsteuerzahlung sinnvoll – aber ein Gewerbebetrieb soll ja vertraglich bereits ausgeschlossen sein. („Eine solche Option [Anm.: zur Umsatzsteuerzahlung] ist jedoch nur zulässig, soweit der Mieter das Mietobjekt ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die einen Vorsteuerabzug nicht ausschließen.")
- Im Übrigen entsteht auch für Sie als Vermieter durch die beabsichtigte Umsatzsteueroption nur der Nachteil, dass Sie mir eine entsprechende Rechnung dann ausstellen müssten, da man ja bei Umsatzsteueroption davon ausgeht, dass ich ein vorsteuerabzugsfähiges Gewerbe in der Mietsache betreibe. Diesen Aufwand (für mich finanziell, für Sie operativ) können wir uns von mir aus gern sparen. („Hat der Vermieter zur Umsatzsteuer optiert, so ist er verpflichtet, dem Mieter eine vorsteuerabzugsfähige Rechnung zu erstellen.")
Quelle: https://www.brennecke-rechtsanwaelte.de/Gewerbemiete-und-Umsatzsteuer_110154
- In einer weiteren Quelle heißt es dazu: „Denn der Vermieter muss die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Steuerbefreiung [Anm.: gegenüber den Finanzbehörden] nachweisen, das heißt er muss beweisen, dass der Mieter umsatzsteuerpflichtige Umsätze tätigt." Um also auf eine umsatzsteuerbefreite Vermietung zu verzichten = also mit Umsatzsteuer zu vermieten, müssten Sie beweisen, dass ich umsatzsteuerpflichtige Umsätze durch die Nutzung der Mietsache erziele, was jedoch zugleich im § 2 Mietzweck ausgeschlossen ist.
Quelle: https://meyerhuber.info/umsatzsteuer-im-gewerbemietrecht/

--

Der Vermieter erwidert daraufhin:
"der Umsatzsteuer sollen Sie trotzdem bezahlen weil wir eine Immobilien Firma sind. Der Bruttogesamtbeträge aller Mieter und Mieterinnen von uns sind genau so mit Steuer gerechnet."

Meine wichtigste Frage: Habe ich Recht, dass der Vermieter für eine rein private Nutzung einer Mietsache, also bei vertraglicher Untersagung einer gewerblichen Nutzung, keine Mehrwertsteuer auf die Miete berechnen darf?

Da ich den betreffenden Raum aber unbedingt anmieten möchte, würde ich jetzt, sofern ich überhaupt im Recht bin, wie folgt vorgehen und möchte auch dies bitte einmal juristisch bewertet wissen:

1. Ich weise den Vermieter ein letztes Mal "der Fairness halber" (so würde ich es wörtlich schreiben) auf die Rechtswidrigkeit / Sittenwidrigkeit / Strafbarkeit (Frage: Was davon trifft hier zu?) dieser Vermietungspraxis per E-Mail hin, unterschreibe den Vertrag aber und sende dem Vermieter mit derselben E-Mail das von mir unterschriebene Exemplar ohne inhaltliche Anpassungen zu.
2. Mit dem Mietbeginn fange ich an, die Miete zu zahlen - allerdings in der Höhe, wie sie OHNE Mehrwertsteuer betragen würde! Der Vermieter erhält dazu KEINEN weiteren Hinweis von mir, ich mache das einfach stillschweigend ("schlüssiges Handeln"?). Ab 3 Monats-Nettokaltmieten im Zahlungsverzug kann der Vermieter laut Vertrag fristlos kündigen. Ich habe nachgerechnet: Ich könnte somit für 12 Monate den um die Mehrwertsteuer rechnerisch reduzierten Betrag der Miete zahlen, bevor ich in der Höhe von 3 Monats-Nettokaltmieten in Zahlungsverzug gerate.
3. Unverzüglich mit Mietbeginn melde ich diese ... Vermietungspraxis der zuständigen Finanzbehörde. Gehen die so einer Sache dann auf den Grund? Oder muss ich mich woandershin wenden?
4. Im Laufe meiner Mietzeit in dem Objekt werde ich bei jedem persönlichen Antreffen anderer Mieter diese mündlich darüber unterrichten, dass die auch mit ihnen und allen anderen Mietern praktizierte Mehrwertsteuer-Vereinbarung (wie der Vermieter ja selbst zugibt) in den Mietverträgen nicht zulässig ist, und jedem jeweils empfehlen, dagegen juristisch vorzugehen.
5. Bis die Differenz der durch meine rechnerische Mietanpassung zu wenig gezahlten Miete dann die Höhe von 3 Monats-Nettokaltmieten erreicht haben wird (= Voraussetzung für die fristlose Kündigung), mithin 12 Monate, ist der Fall hoffentlich geklärt. Besteht für den Vermieter aber bereits vorher die Möglichkeit, mir das Mietverhältnis (ggf. ordentlich) zu kündigen, oder mir anderweitig (wirtschaftlich) direkt oder indirekt zu schaden?

Wie sind die einzelnen von mir dargelegten Punkte juristisch zu bewerten? Sind Teile davon ggf. nicht ratsam oder gar unnötig? Bezüglich Erfolgschancen möchte ich natürlich möglichst breit aufgestellt sein.

Falls es noch relevant ist: Das Mietobjekt befindet sich in Leipzig. Vielleicht findet sich aus dieser Gegend ein Anwalt / eine Anwältin, mit dem / der ich im Zweifel auch weitere Schritte gehen könnte, sollte es irgendwie dazu kommen.

Vorab erst einmal vielen Dank für eine erste juristische Einordnung dieses Sachverhalts und meiner angedachten Vorgehensweise.

Beste Grüße,
K. Schmidt


Einsatz editiert am 11.08.2022 20:59:05

Einsatz editiert am 11.08.2022 21:48:05

Einsatz editiert am 12.08.2022 08:45:41

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Sie haben die Rechtslage zutreffend recherchiert:

Grundsäzlich muss ein Unternehmer auf alle Lieferungen und sonstigen Leistungen, die er im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, Umsatzsteuer abführen (§ 1 Nr. 1 UStG). Hiervon mach jedoch § 4 Nt. 12 a UStG eine Ausnahme, der die Vermietung von Grundstücken für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, von der Umsatzsteuerpflicht befreit.

Von dieser Ausnahme enthält wiederum § 9 Absatz 1 UStG eine Ausnahme:

Der Unternehmer kann einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird.

Nach § 9 Absatz 2 UStG ist der Verzicht auf Steuerbefreiung nach § 9 Absatz 1 UStG bei der Vermietung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a) UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen nachzuweisen.

In Ihrem Fall soll die Vermietung von Kellerräumen zur privaten, nicht Unternehmenszwecken dienenden Hobbynutzung, aber nicht zur Nutzung als Wohnung, erfolgen. Das BGB unterscheidet die Vermietung von Wohnräumen, Grundstücken und Räumen, die nicht zu Wohnzwecken vermietet werden. Allerdings ergibt sich aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, dass im steuerrechtlichen Sinn auch vermietete Räume als "Grundstücle" im Sinne der Norm anzusehen sind. Nach § 578 Absatz 2 BGB wird die Vermietung von Grundstücken und nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen weitgehend gleichbehandelt, und solche Räume werden als Unterfall der Grundstüclsvermietung behandelt.

In Ihrem Fall ergibt sich, dass die avisierte Vermietung der Räume umsatzsteuerfrei ist, und der Vermieter auch nicht zur Umsatzsteuer optieren kann.

1.

Wenn ein Unternehmer auf umsatzsteuerfreie Leistungen zu Unrecht Umsatzsteuer ausweist und einkassiert, ist er verpflichtet, diese Beträge gegenüber dem Finanzamt anzugeben und abzuführen (§ 14 c UStG). Strafbar macht er sich in diesem Fall nicht. Es liegt auch kein Betrug gegenüber dem Mieter vor, denn er täuscht den Mieter nicht darüber, dass er auf die Miete Umsatzsteuer berechnet. Mietwucher liegt auch nicht vor. Dies ist erst der Fall, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50% überschritten wird.

Vorliegend sollen Sie eine um Umsatzsteuer erhöhte Miete auf Grund einer Vereinbarung mit dem Vermieter zahlen. Die Frage ist, ob eine solche Vereinbarung rechtswidrig ist, wenn die Vermietung umsatzsteuerfrei ist, und der Vermieter auch nicht zur Umsatzsteuer optieren kann. Wäre eine solche Vereinbarung nach § 134 BGB wegen Gesetzesverstoßes nichtig, wäre die Rechtsfolge, dass der Vermieter den als Umsatzsteuer eingezogenen Betrag an den Mieter zurückzuerstatten hätte. Dies ist aber nach § 14 c UStG nicht der Fall. Vielmehr besagt die Vorschrift, dass der als Umstzsteuer einkassierte Betrag an das Finantamt abzuführen ist. Diese Regelung spricht dagegen, dass eine zivilrechtliche Vereinbarung über die Zahlung tatsächlich nicht anfallender Umsatzsteuer rechtswidrig ist.

Der Inhalt eines Rechtsgeschäfts ist sittenwidrig, wenn sein Inhalt mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist. Wenn der Vermieter über die Reichweite seiner Umsatzsteuerpflicht im Irrtum ist, ist eine hierauf fußende Vereinbarung noch nicht sittenwidrig. Denn grundsätzlich ist die Umlegung von Umsatzsteuer auf den Vertragspartner zulässig. Zu beachten ist hier auch der Rechtsgedanke aus § 817 Satz 2 BGB, wonach sich auch der Leistende auf Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht berufen kann, wenn er sich vorsätzlich auf dieses Geschäft eingelasen hat.

2.

Die Finanzbehörde wird Ihnen nicht helfen, soweit der Unternehmer die Umsatzsteuer abführt. Ein Hinweis an das Ginanzamt kann aber die Wirkung haben, dass dem Unternehmer der Vorsteuerabzug verweigert wird.

3.

Es handelt sich um die Vermietung von Räumen, die nicht Wohnzwecken dienen. Diese unterliegen nicht dem Kündigungsschutz. Der Vermieter kann Ihnen jederzeit mit ordentlicher Frist nach § 580 a BGB ohne Angaben von Gründen kündigen.

Außerdem kann eine Unwirksamkeit der Klausel über die Zahlung von Umsatzsteuer zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen, wenn der Vermieter den Vertrag ohne diese Klausel nicht abgeschlossen hätte (§ 139 BGB).

Denkbar wäre auch, dass der Unternehmer Sie wegen Einmietbetruges anzeigt. Strafrechtlich geschützt sind auch rechtswidrige Vermögenspositionen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 18. August 2022 | 08:39

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Ích habe eine umfassende Bewertung und juristische Einordnung meiner geschilderten Situation erhalten und konnte daraus zweifelsfrei mein weiteres angemessenes Vorgehen ableiten. Mein ohne die Beratung vorgesehenes Vorgehen hätte für mich höchstwahrscheinlich ein paar Nachteile bedeutet, was mir erst durch die Hilfe des Anwalts bewusst wurde. Vielen Dank!

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