Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für die Anfrage. Vorweg möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür gedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Teilen des Sachverhalts kann es durchaus zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kommen.
Unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhalts und Ihres Einsatzes möchte ich Ihre Fragen nunmehr wie folgt beantworten:
"Besteht da ein hinreichender Verdacht auf Fundunterschlagung ?"
Nach § 90a BGB
sind Tiere zwar keine Sachen, jedoch sind auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
Der Finder wäre daher nach § 965 Abs. 1 BGB
wenigstens verpflichtet gewesen, dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige über den Fund der Schildkröte zu machen. Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittelung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, nach § 965 Abs. 2 BGB
unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen.
Unter Gesichtspunkten des Tierschutzes hätte der Finder zudem dafür sorgen müssen, dass das gefundene Tier artgerecht untergebracht und versorgt wird, bis sich der Eigentümer des Tieres meldet. Denn erst wenn sich nach Ablauf von 6 Monaten kein Eigentümer gemeldet hat, kann das Tier anderweitig abgegeben werden.
Auch wenn der Finder ein Mitarbeiter der Gemeinde ist, kann wohl davon ausgegangen werden, dass er nicht berechtigt war, das Tier mizunehmen und bei sich zu Hause zu "verwahren". Nach Ihrer Schilderung war die Haltung der Schildkröte auch alles andere als artgerecht.
Der Finder hat den Fund nach Ihren Angaben weder der Gemeinde, noch dem Tierheim angezeigt und die Schildkröte nicht artgerecht gehalten.
Es besteht daher durchaus ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer Unterschlagung der Schildkröte. Nach § 246 Abs. 1 StGB
macht sich einer Unterschlagung strafbar, wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet. Im übrigen wäre natürlich an Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu denken.
"Wie ist das Verhalten der Kollegen des Finders (Leiter Ordnungsamt, Ortpolizist) zu werten bezüglich Begünstigung ?."
Einer Begünstigung nach § 257 StGB
macht sich strafbar, wer einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Es wäre also die Absicht erforderlich gewesen, dem Finder die Vorteile der Tat zu sichern. Hiervon wird man aber nicht ausgehen können, in jedem Falle wäre dies nicht nachweisbar. Es wird daher keine Begünstigung vorliegen.
"Können wir auch Schadensersatzansprüche geltend machen ?"
Schadensersatzansprüche wären durchaus denkbar nach § 823 Abs. 1 BGB
oder bei Unterschlagung nach § 823 Abs. 2 BGB
iVm. § 246 StGB
. Allerdings hat der Finder nach § 968 BGB
nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Nach Ihrer Schilderung dürfte grobe Fahrlässigkeit aber durchaus vertretbar sein.
Nach § 249 Abs. 1 BGB
hätte der Finder dann den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Wenn die Schildkröte verschwunden bleibt, dann müsste der Finder Wertersatz leisten. Fraglich ist dann freilich die Höhe des Schadens bzw. der Wert der Schildkröte. Dieser müsste zunächst konkret ermittelt werden.
"Gibt es noch weitere Möglichkeiten ?"
Sie könnten unter Umständen gegen den Finder, den Leiter des Ordnungsamtes und den Dorfpolizisten eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Dies sollte aber zunächst mit einem Anwalt vor Ort genau besprochen und geprüft werden.
"Wie sollte wir weiter vorgehen ?"
Sie sollten sich unbedingt an einen Anwalt vor Ort wenden und mit diesem die weitere Vorgehensweise besprechen. Wie oben bereits beschrieben kommen sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Schritte in Betracht. Da der Finder nach meiner ersten Einschätzung zum Schadensersatz verpflichtet sein wird, hätte er auch Ihre Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, auch die für diese Beratung.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Yvonne Bellmann, Rechtsanwältin
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