Sehr geehrter Fragesteller/sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Der besseren Übersicht halber werde ich die einzelnen geforderten Zahlungsposten einzeln aufführen und erläutern:
1. Die 30 € Vertragsstrafe
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ist prinzipiell möglich. Voraussetzung dafür, dass Sie diese zahlen müssen ist, dass ein Vertrag zwischen Ihnen und den Parkplatzbetreiber wirksam zustande gekommen ist, die AGB in den Vertrag einbezogen worden sind und diese auch wirksam sind.
a) Ein Vertrag zwischen Ihnen und den Parkplatzbetreiber ist zustandegekommen, indem Sie auf dem Parkplatz geparkt haben. Indem der Parkplatzbetreiber die Parkplätze zur Verfügung stellt, hat er (konkludent, also ohne es durch Worte zu vermitteln) ein Angebot zum Vertragsschluss gemacht. Indem Sie auf dem Parkplatz geparkt haben, haben Sie durch Ihr Verhalten dieses Angebot (ebenfalls konkludent) angenommen.
b) Die AGB des Parkplatzbetreibers müssten Vertragsbestandteil geworden sein. Dies setzt voraus, dass diese so für Sie sichtbar waren, dass Sie von diesen auch Kenntnis nehmen konnten. Ein entsprechendes Schild mit den AGB / Parkbedinungen bzw. ein Hinweis, dass Falschparker eine Vertragsstrafe zahlen müssen, müsste als gut sichtbar aufgestellt worden sein. Es genügt nicht, wenn dieses "irgendwo versteckt" ist, oder man erst im Laden davon erfährt. War dies nicht der Fall, so sind die AGB nicht Vertragsbestandteil geworden und Sie müssen die Vertragsstrafe nicht zahlen. Dies lässt sich aus der Ferne jedoch nicht bewerten, da es hier auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten am Parkplatz ankommt.
c) Ob die AGB auch inhaltlich so in Ordnung waren, lässt sich, ohne diese mit ihrer genauen Formulierung vorliegen zu haben, nicht abschließend beurteilen. Prinzipiell werden Vertragsstrafen in Höhe von 30 Euro von den Gerichten jedoch als zulässig erachtet.
d) Ergebnis: Sollten auf die AGB bzw. die Vertragsstrafe ausreichend hingewiesen worden sein, so wäre die Zahlungsaufforderung von 30 € in Ordnung.
2. Die 5,85 Euro Halterermittlung
Diese waren nach einer alten Rechtsprechung des BGH erstattungsfähig. Inzwischen (BGH Urteil von 2015) wurde diese Rechtsprechung jedoch aufgegeben. Nach der neuen Rechtsprechung sind die Kosten für die Ermittlung des Fahrzeughalters nicht erstattungsfähig.
3. Die übrigen Kosten
Die übrigen Kosten können meiner Ansicht nach nicht verlangt werden. Diese könnten ausschließlich als Kosten der Rechtsverfolgung als sogenannter "Verzugsschaden" verlangt werden. Hierzu müssten Sie sich gemäß § 286 Absatz 1 BGB in Verzug befunden haben. Die ist der Fall, wenn Sie wirksam gemahnt worden wären oder eine Mahnung entbehrlich war.
a) Eine wirksame Mahnung lag nicht vor. Ein Zettel an der Windschutzscheibe genügt hierfür nicht, da Ihnen dieser nicht zugegangen ist. Zugang liegt vor, wenn eine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass mit Kenntnisnahme zu rechnen ist. Indem ein Zettel an die Windschutzscheibe (falls dies getan wurde) geklemmt wurde, konnte dadurch nicht mit Kenntnisnahme gerechnet werden. Ein solcher Zettel kann sich lösen, durch Wind oder sonstige Witterungsbedingungen. Auch haben Sie nicht tatsächlich von diesem Kenntnis erlangt. Da der Zettel Ihnen nicht zugegangen ist, lag somit keine wirksame Mahnung vor.
b) Eine Mahnung könnte nach § 286 Absatz 2 Nr. 2 entbehrlich sein. Voraussetzung ist, dass die AGB Klausel, wonach innerhalb von 10 Tagen nach dem Falschparken die Vertragsstrafe zu zahlen ist, wirksam in den Vertrag eingebunden wurde und die Klausel selbst wirksam ist. Es kommt also darauf an, ob diese Klausel gut sichtbar ausgehängt wurde. Sie müssten also auch diese Regelung gut hätten sehen und lesen können. Ist dies nicht der Fall, ist diese nicht Vertragsbestandteil geworden.
Ausgehend davon, sie wäre vertragsbestandteil geworden, müsste diese an sich auch wirksam sein. Dies erweißt sich vorliegend als fragwürdig. Meiner Ansicht nach ist bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen bezüglich einer Parkplatznutzung nicht damit zu rechnen, dass darin Regelungen enthalten sind, bis wann die Vertragsstrafe gezahlt werden muss. Die Klausel wäre demnach nach § 305c BGB unwirksam, da sie überraschend ist. [b]Hierzu gibt es jedoch keine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung! Es verbleibt somit ein hohes Risiko, dass Gerichte dies anders sehen könnten! Ist die Klausel wirksam, so könnte eine Mahnung tatsächlich, je nach Formulierung der Klausel, entbehrlich gewesen sein.
c) Ergebnis: Ob die übrigen Kosten gezahlt werden müssen, lässt sich mit den hier zugrundegelegten Informationen nicht mit Sicherheit beantworten. Es kommt hierbei entscheident darauf an, 1. ob Sie auf dem Parkplatz von dieser Regelung Kenntnis nehmen konnten und 2. auf den genauen Wortlaut der Klausel. Darüber hinaus besteht ein hohes Risiko, dass ein Gericht die Klausel als wirksam erachten könnte.
Zunächst empfehle ich, das Inkassounternehmen zu kontaktieren und die SItuation zu schildern, insbesondere es darauf hinzuweisen, dass Sie (meiner Ansicht nach) nicht in Verzug waren, da Sie am 17.02.2023 erstmals eine Rechnung erhalten haben, somit nur die 30 € schuldeten (wenn die AGB überhaupt wirksam einbezogen wurden/ Sie davon Kenntnis nehmen konnten).
Sollte das Inkassounternehmen nicht einsichtig sein bzw. auf die Klausel, in der die Zahlungsfrist von 10 Tagen geregelt ist, bestehen und das Geld dennoch von Ihnen haben wollen, so müsste das Inkassounternehmen sich einen Mahnbescheid besorgen oder direkt Klage erheben, um das Geld bei Ihnen einzutreiben. Hier müssten Sie dann entweder dem Mahnbescheid widersprechen bzw. auf die Klage reagieren (bitte nicht links liegen lassen, da sonst ein Versäumnisurteil gegen Sie ergehen könnnte, egal ob Sie eigentlich im Recht sind oder nicht).
Sie könnnten alternativ auch aktiv gegen die Zahlungsforderung vorgehen, indem Sie selbst Klage auf Feststellung, dass der Zahlungsanspruch nicht besteht, erheben. Sie müssten dann jedoch die Gerichtskosten vorschießen, was sich bei dem Betrag jedoch kaum lohnen würde.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Hallo und guten Tag, sehr geehrter Herr Krikis,
ganz herzlichen Dank für Ihre wirklich absolut superschnelle Bearbeitung und Rückmeldung. Und das an einem Samstag Abend. Wirklich toll. Dankeschön. Das hat mir wirklich sehr geholfen. Tolles Portal hier. Hab jetzt schon zum 2. Mal hier eine Frage gestellt.
Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich alles richtig verstanden habe, aber ich denke mal schon. (hoffe ich mal zumindest)... :-)
Folgenden Brief habe ich nun aufgesetzt, und habe einige Passagen, von denen ich denke, dass sie wichtig sind und mal hinein sollen, habe ich in meinen Brieftext eingebaut. Die anderen hab ich weg gelassen.
Ich hoffe, der Brief ist so ok?
Vielen Dank schon mal und viele Grüße aus Stuttgart
von Alexandra
Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren,
mit Befremden und Erstaunen habe ich heute Ihre Inkasso-Rechnung aus dem Briefkasten gezogen.
Ich kann ja verstehen, dass man mit „Nichts" gerne mal Geld verdienen möchte, und das nach Möglichkeit dann auch noch schnell verdoppeln möchte, aber das finde ich nun schon ein starkes Stück.
Im übrigen war an diesem Tag (23.01.2023) kein Strafzettel oder sonstige Benachrichtigung an meinem Fahrzeug aufzufinden. Und Hellsehen kann ich leider noch nicht, aber ich arbeite dran.
Um so überraschter war ich über die Zahlungsaufforderung bzw. 1. Mahnung !!! vom 14.02.2023 von Park & Control. Trotzdem wurden 30 € von mir sofort an Park & Control überwiesen.
Die Rechnung von Park & Control (datiert vom 14.02.2023) über den Strafzettel habe ich am 17.02.2023 !!! per Post erhalten. Erst an diesem Tag habe ich Kenntnis über den Strafzettel erlangen können.
Am 19.02.2023 (2 Tage später) wurde dieser Betrag über 30,00 € sofort von unserer Buchhaltung überwiesen und beglichen, und ist am 20.02.2023 von unserem Konto abgebucht worden.
Eine wirksame Mahnung liegt im Übrigen nicht vor. Ein Zettel an der Windschutzscheibe genügt hierfür nicht, da mir dieser Zettel nicht zugegangen ist. Zugang liegt nur dann vor, wenn eine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass mit dessen Kenntnisnahme sicher zu rechnen ist. Indem ein Zettel an die Windschutzscheibe (falls dies überhaupt getan wurde) geklemmt wurde, konnte dadurch nicht mit meiner Kenntnisnahme gerechnet werden. Ein solcher Zettel kann sich lösen, durch Wind oder sonstige Witterungsbedingungen. Wie bereits erwähnt, habe ich tatsächlich von diesem Zettel keine Kenntnis erlangt. Da mir der Zettel nicht zugegangen ist, und ich keine Benachrichtigung darüber zugestellt bekam, liegt somit keine wirksame Mahnung vor.
Zum Thema 5,85 Euro Halterermittlung: Nach dem BGH Urteil von 2015 sind die Kosten für die Ermittlung des Fahrzeughalters ebenfalls nicht erstattungsfähig.
Auch die übrigen Kosten können von Ihnen nicht verlangt werden. Diese könnten eventuell ausschließlich als Kosten der Rechtsverfolgung als sogenannter "Verzugsschaden" verlangt werden. Hierzu müßte ich mich aber erst mal gemäß § 286 Absatz 1 BGB in Verzug befunden haben. Das wäre der Fall, wenn ich zuerst mal wirksam benachrichtigt und in Kenntnis gesetzt worden wäre, und dann gemahnt worden wäre. Bin ich aber nicht. Wie oben bereits erwähnt, hatte ich absolut keine Kenntnis von einem Zettel. Und die eigentliche „Vertragsstrafe" von 30 € habe ich sofort nach meiner Kenntnisnahme bezahlt.
Ich frage mich nun, wie Sie darauf kommen, mir so ein Inkasso-Schreiben zu schicken?
Das Sie aus einem Strafzettel von 30 € mal eben kurz einen Strafzettel von fast 60 € machen ist schon ein ziemliches Unding, und ist eine bodenlose Unverschämtheit und völlig überzogener „Wucher". Zumal diese 30 € sofort nach meiner Kenntnisnahme längst überwiesen wurden.
Hochachtungsvoll
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Rückfrage, die ich gerne beantworte.
Das Schreiben sieht schonmal gut aus, Sie weißen in diesem nochmal ausdrücklich darauf hin, dass Sie die 30 Euro sofort bezahlt haben, nachdem Sie erstmalig die Zahlungsaufforderung erhalten haben.
Auch wenn ich diese menschlich absolut nachvollziehen kann, würde ich empfehlen, folgende Passagen herauszustreichen:
"Ich kann ja verstehen, dass man mit „Nichts" gerne mal Geld verdienen möchte, und das nach Möglichkeit dann auch noch schnell verdoppeln möchte, aber das finde ich nun schon ein starkes Stück."
und
"Und Hellsehen kann ich leider noch nicht, aber ich arbeite dran."
Leider gehe ich jedoch davon aus, dass der Parkplatzbetreiber, bzw. jetzt das Inkassounternehmen, sich davon nicht beeindrucken lassen wird, da er sich darauf berufen wird, dass in den AGB steht, dass die Zahlung innerhalb von 10 Tagen ab dem Zeitpunkt des Parkens zu leisten ist (und demnach eine Mahnung nicht nötig ist). Hier wäre es natürlich sehr interessant zu wissen, ob dies auch wirklich auf dem konkreten Parkplatz so auf den Schildern stand. Aus Beweisgründen würde ich hier sogar empfehlen, beim nächsten Einkauf an dieser Stelle mal ein Foto von den Schildern zu machen. Meinen Recherchen zufolge müsste diese Klausel in den AGB nämlich relativ neu sein. In einer älteren Version der AGB von Park & Control war dieser Absatz so nämlich nicht enthalten bzw. anders formuliert. Vielleicht haben Sie Glück und die Klausel steht noch garnicht auf diesen Schildern drauf.
Sollte das Inkassounternehmen tatsächlich nicht einsichtig sein, so stellt sich letztlich die Frage, ob es sich lohnt, sich weiter mit diesen "zu streiten". Aus wirtschaftlicher Sicht würde ich hiervon zwar prinzipiell abraten, da es sehr wahrscheinlich ist, dass das Inkassounternehmen eine 2. Mahnung schicken wird und noch mehr Gebühren verlangen wird. Andererseits verstehe ich, dass es hierbei "ums Prinzip" geht und man unberechtigte Forderungen auch nicht einfach so akzeptieren sollte.
Letztlich aber steht und fällt der Fall damit, ob die Klausel, dass die Zahlung innerhalb von 10 Tagen ab dem Zeitpunkt des Parkens zu leisten ist, 1. überhaupt auf dem konkreten Parkplatz so formuliert war und 2. die Gerichte eine solche Klausel als wirksam erachten werden.
Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben und wünsche einen schönen restlichen Sonntag.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Konstantinos Krikis
Ergänzung vom 04.03.2023:
Bei der Formattierung hat sich ein Fehler eingeschlichen. Der komplettte Absatz Nr. 3 sollte nicht fett gedruckt sein. Ich bitte dies zu entschuldigen.
Zweite Ergänzung vom 04.03.2023:
Unabhängig von der Frage, ob die Klausel nach § 305c BGB unwirksam ist, da diese überraschend sein könnte, habe ich auch erhebliche Zweifel daran, ob die Klausel auch im Übrigen inhaltlich wirksam ist. Davon ausgehend, dass in den AGB nicht die genauen Zahlungsmodalitäten geschildert sind, können Sie, bis Sie eine Rechnung erhalten, garnicht die Vertragsstrafe bezahlen und somit praktisch nie die Zahlungsfrist von 10 Tagen einhalten. Die Regelung benachteiligt Sie deshalb unangemessen und ist meiner Ansicht nach somit auch nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es kommt aber wie bereits geschildert auf den genauen Wortlaut der AGB an.