Sehr geehrter Ratsuchender,
das heutige Urteil wurde natürlich mit Spannung erwarten:
Denn nach der Ihnen ja bereits bekannten Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes wurde ein Teil der deutschen Regelung beanstandet.
Allerdings betrifft diese Entscheidung "nur" Fälle, in denen nachträglich due Verlängerung der Sicherungsverwahrung ausgesprochen worden ist, als auch die Fälle, in denen nachträglich überhaupt erstmalig eine Anordnung getroffen worden ist.
Nicht betroffen sind also Fälle, in denen die Sicherungsverwahrung bereits im Urteil ausgesprochen oder angedroht worden sind; diese Anordnungen können also dann auch tatsächlich verhängt werden.
Demgemäß geht es also in dem heutigen Urteil allein um nachträgliche Anordnungen, für die der Gesetzgeber nun eine neue gesetzliche Grundlage bis 2013 zu schaffen hat.
Neue Fälle, die den Ausspruch gleich mit umfassen, werden von der heutigen Entscheidung nicht tangiert.
Problematisch ist Ihre weitergehende Frage, ob es in Zukunft vielleicht neue Klagen gegen die Gesetze zur SV auch des neuen § 66a StGB
geben wird.
Denn insoweit kann wirklich nur eine hellseherische Prognose abgegeben werden, da wir alle kaum verlässlich in die Zukunft blicken könnten:
Aber bei der Klagebegeisterung eines Teils der Bevölkerung würde ich sehr stark dahin tendieren, dass auch insoweit mit einer Klage zu rechnen sein wird. Dieses stellt aber eine rein subjektive Prognose, keine rechtlich fundierte Erstberatung dar, da dazu diese Fragestellung nicht geeignet sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Thomas Bohle
Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Bohle
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Vielen Dank
Ich fand in dem Artikel folgendes
" In sogenannten Altfällen muss die besondere Gefährlichkeit der Betroffenen bis Jahresende geprüft werden. Laut Urteil verstoßen die früheren Regelungen zur rückwirkenden Verlängerung der zuvor auf zehn Jahre befristeten Sicherungsverwahrung sowie zu ihrer nachträglichen Anordnung ebenso gegen das Freiheitsrecht der Betroffenen wie die Gesetzesreform vom Dezember 2010. Das Gericht begründete dies damit, dass sich die Sicherungsverwahrung, die nur dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tätern dient, nicht deutlich genug von einer Strafhaft unterscheidet. Dieses sogenannte Abstandsgebot hatte bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg im Dezember 2009 eingefordert. .."
Das ist nun die Rede von Altfällen und der Gesetzesänderung von 2010, offenbar sind doch nach diesem Artikel beide hinfällig.
Außerdem steht dort, dass in Deutschland das Abstandsgebot in Deutschland nicht ausreichend ist, was ist damit gemeint ?
Heisst das, dass in Zukunft Sicherungsverwahrte nicht mehr in normalen Anstalten, wo Verbrecher sitzen, die eine normale Strafe zu verbüssen haben, untergebracht werden sollen ?
http://www.abendblatt.de/politik/article1877334/Sicherungsverwahrung-verstoesst-gegen-Grundgesetz.html
Das Urteil des EGMR hatte dies auch kritisiert, dass die Unterkunft zu strafhaftmäßig ist und das sie Sicherungsverwahrten annehmen müssen, dass sie im Gefängnis sitzen, was sie ja eigentlich nach Ende ihrer Haft nicht mehr sollen.
Dieses hat offenbar auch nichts mit den alten Gesetzen zu tun und wurde vom EGMR gerügt, würden sie darauf bitte nochmal eingehen.
Sehr geehrter Ratsuchender,
der Gesetzgeber wurde mit diesem Urteil verpflichtet, die Sicherungsverwahrung bis Mai 2013 grundlegend zu reformieren.
Es soll nach den Vorgaben ein "freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept" entwickelt werden, wonach die Betroffenen durch qualifizierte Fachkräfte so intensiv therapeutisch betreut werden müssen, dass sie eine "realistische Entlassungsperspektive" haben.
Kritisiert wurde ja, dass zwischen Sicherungsverwahrung und Haft nicht genügend differenziert worden wäre und das Leben der "betroffenen" in der Verwahrung so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst und ihnen familiäre und soziale Außenkontakte ermöglicht werden müsse.
All dieses wird nun ebenfalls im Rahmen des Abstandgebotes umgesetzt werden müssen, so dass die "Betroffenen" offenbar im Gegensatz zu Ihren Opfern mit einer Verbesserung die Lebensqualität zu rechnen haben. Ob dieses sinnvoll oder gar gerecht ist, mag ein Jeder für sich selbst entscheiden; Eltern von Opfern werden da bestimmt sehr gute Argumente gegen eine soclhe Verbesserung einführen können.
Aber: Dank EGMR ist der Gesetzgeber nun in der Pflicht und man darf auf die Ausgestaltung der Umsetzung sehr gespannt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Thomas Bohle
Sehr geehrter Ratsuchender,
ja auch bei Neufällen wird es umzusetzen sein.
Warum Ihnen allerdings nicht vollumfänglich geholfen worden sein soll, ist mir doch etwas schleierhaft, da Ihre Fragen beantwortet worden sind.
Wenn Sie aber letztlich auch eine Prognosemeinung hinsichtlich künftiger Klagen wünschen, liegt es nun einmal in der Natur der Sache, dass dann nur rein subjektive Prognosen abgegeben werden können, so dass ich Ihr Kritikpünktchen auch nicht ansatzweise nachvollziehen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Thomas Bohle