Sehr geehrte Ratsuchenden,
Auf der Grundlage Ihrer Schilderung ist folgende Rechtsauskunft möglich:
1.
Durch das Auswechseln des Schlosses haben Sie ein Hindernis für Ihren Mieter geschaffen und so eine physische Zwangswirkung, also „Gewalt“ im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB
, auf ihn ausgeübt.
Diese Vorgehensweise ist auch „rechtswidrig“ im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB
, da nach Ihren Angaben das Mietverhältnis noch nicht rechtskräftig aufgelöst war und Sie somit nicht berechtigt waren, Ihrem Mieter den Gebrauch der Mietsache vorzuenthalten.
Bereits die Tatsache, dass Ihr Mieter aufgrund Ihres Verhaltens die Wohnung nicht mehr betreten konnte – wenn auch nach Ihrer Vorstellung nur kurzfristig – kann zu dem Taterfolg des § 240 Abs. 1 BGB
, nämlich zu einer aufgezwungenen „Handlung, Duldung oder Unterlassung“ führen.
Schon durch Ihre Aufforderung auf dem an die Wohnungstür gehefteten Zettels, der Mieter möge sich mit Ihnen in Verbindung setzen, haben Sie ihm Ihren Willen und ein bestimmtes Verhalten aufgezwungen.
Entscheidend ist hier aber die sogenannte Zweck-Mittel-Relation des § 240 Abs. 2 StGB
, wonach Sie sich der Nötigung nur strafbar machen, wenn der ausgeübte Zwang im Verhältnis zu dem von Ihnen erstrebten Ziel „als verwerflich anzusehen ist“.
Nach Ihren Angaben ist die Nötigung nicht in Bezug auf die Zahlung der € 300 erfolgt, gegenteiliges wäre von Seiten der Anklage zu beweisen (also eine „Drohung mit einen empfindlichen Übel“, nämlich z.B. das alte Schloss erst dann wieder einzusetzen, wenn der Mieter zahlt).
Hier wird man Ihnen aber zumindest unterstellen - da Sie ein Leerräumen der Wohnung verhindern wollten - dass Sie letztlich auch mit dem Motiv vorgegangen sind, sich Zugriff auf die eingebrachten Sachen des Mieters verschafft haben zu wollen, um ein jedenfalls noch nicht feststehendes Vermieterpfandrecht in Bezug auf die rückständige Miete wahrzunehmen.
Ein Selbsthilferecht steht Ihnen insoweit nämlich nach den Regelungen des § 562b BGB
im der Regel erst beim Auszug des Mieters zu.
Dagegen lässt sich argumentieren, dass auch derjenige nicht von vornherein rechtswidrig handelt, wer „mit mäßiger Gewalt vorgeht, um (...) zu seinem vermeintlichen Recht zu kommen“ (Tröndle/Fischer StGB § 240
Rn. 45 mit Hinweis auf BGHSt 17, 331).
Darüber hinaus können Sie sich auch auf die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ im Sinne des § 193 StGB
berufen, sofern die mietrechtliche Situation in Ihrem Sinne geklärt werden kann, sowie auch auf das Geringfügigkeitsprinzip, wobei die Gerichte diese Rechtsinstitute allerdings eher zurückhaltend anwenden.
2.
Die genauen Aussichten in diesem Verfahren sowie die weitere Vorgehensweise sollten Sie unbedingt mit einem Anwalt Ihres Vertrauens vor Ort besprechen, der für Sie als Strafverteidiger die für die Einschätzung der Beweislage wichtige Akteneinsicht nehmen kann und Sie dahingehend berät, ob und inwieweit Sie als Beschuldigte zu dem Vorwurf Stellung nehmen sollten.
3.
Im Falle einer Verurteilung käme hier wohl lediglich eine Geldstrafe im unteren Bereich in Betracht.
Nach Ihrer Schilderung halte ich hier aber auch - je nach dem, wie das Ergebnis der Beweisaufnahme ausfällt - einen Freispruch oder zumindest eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO
wegen Geringfügigkeit oder nach § 153a StPO
gegen Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung für erreichbar.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen bei Ihrem Anliegen zunächst behilflich sein.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
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