Sehr geehrter Fragesteller,
auf Grundlage der durch Sie mitgeteilten Informationen beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Fraglich wäre zunächst, ob in Ihrem Fall eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht gemäß § 203 StGB vorliegt.
Nach Ihren Angaben gehe ich davon aus, dass Sie keine explizite schriftliche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vorgenommen haben.
Insoweit könnte aber die Vorlage des Attests und dessen Nutzung im Rechtsverkehr als konkludente Entbindung von der Schweigepflicht zu den Beweggründen für die Ausstellung des Attestes gewertet werden. Das haben jedenfalls verschieden Gerichte in der Vergangenheit so entschieden, wenn ärztliche Atteste benutzt wurden. Hintergrund ist, dass anderenfalls die Richtigkeit des Attestes durch die Stelle, der es vorgelegt wird nicht überprüft werden könnte. Vgl. dazu z.B.OLG Frankfurt, 19.05.2005 - 3 Ws 405/05 .
Deshalb würde ich im Ergebnis davon ausgehen, dass die Ärztin sich nicht wegen einer Verletzung ihrer ärztlichen Schweigepflicht strafbar gemacht hat.
Aufgrund der Aussage der Ärztin, dass Sie leichtfertig oder trotz besseren Wissens das Attest ausgestellt hat, könnte man an eine Strafbarkeit nach § 278 StGB wegen der Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses denken. Da es diesen Straftatbestand im Februar 2021 und davor noch nicht gab, scheidet das aber ebenfalls aus.
Eine Strafbarkeit wegen der falschen Behauptung, dass Sie über das Vorliegen von Gründen für das Attest getäuscht haben käme nach den §§ 186, 187 BGB in Betracht.
Allerdings müssten Sie dann auch den Beweis führen, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich die Ärztin nicht getäuscht haben.
Anderenfalls kommt eine Strafbarkeit nicht in Betracht.
Eine Strafbarkeit der Ärztin würde ich also tendenziell eher verneinen und wenn, dann wäre der Nachweis äußerst schwer.
Zur Frage des Schadensersatzanspruches müssten Sie nachweisen, dass Ihnen durch ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten der Ärztin ein Schaden entstanden ist. Soweit man davon ausgehen darf, dass Sie das Attest genutzt haben, weil Sie auf das Attest vertraut haben und die Ärztin dazu auch von der Polizei befragt werden und eine Aussage machen durften, sehe ich bereits kein Fehlverhalten der Ärztin, an das man mit einem Schadensersatzanspruch anknüpfen könnte.
Wenn der Nachweis gelingen würde, dass die Ärztin eine falsche Aussage bei der Polizei gemacht hat, dann wären aber dennoch das Ermittlungsverfahren und die dadurch entstandenen Kosten nicht durch die Ärztin verursacht worden und Sie hätten auch dann keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten. Die Geldauflage müssten Sie dann aber nicht bezahlen und wenn Sie freigesprochen werden, müssen Sie auch nicht die Kosten für Ihren Verteidiger und für das Verfahren tragen. Dann gäbe es also auch keinen wirtschaftlichen Schaden mehr.
Mit freundlichen Grüßen
-Rechtsanwältin-
Antwort
vonRechtsanwältin Sonja Stadler
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Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwaeltin-Sonja-Stadler-__l108484.html
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Sehr geehrte Frau Stadler,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Ich habe keine Entbindung von der Schweigepflicht vorgenommen.
Ich habe von der Vernehmung der Ärztin erst knapp 4 Monate nach der Vernehmung kurz vor der mündlichen Verhandlung im Dezember 2021 vom Verteidiger erfahren, ich hatte sie nicht von der Schweigepflicht entbunden.
Ich habe sie selbstverständlich nicht getäuscht, ich habe bei einem normalen Arztbesuch meine Beschwerden beim Atmen unter Masken geschildert und musste nach dem Ausstellen des Attestes darauf vertrauen, dass mit dem Attest alles in Ordnung ist. Die Arztpraxis kannte auch meine gesundheitlichen Befunde, ich war dort schon über 10 Jahre in Behandlung.
Wie sieht es mit der Haftung des jungen Polizisten aus, der das Strafverfahren eingeleitet hat? Er war der einzige Polizist, der behauptete, dass das Attest eine Diagnose enthalten müsste. Von allen anderen Polizisten wurde es bei Kontrollen immer ohne Probleme akzeptiert. Man sollte annehmen können, dass für alle Polizisten die gleichen Beurteilungsmaßstäbe gelten.
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich auch Ihre Nachfrage:
Die Entbindung von der Schweigepflicht würde man in Ihrem Fall in die Vorlage des Attestes gegenüber der Polizei hineinlesen. Sie können deshalb durchaus Strafanzeige erstatten, aber die Gerichte würden das wohl im Sinne Ihrer Ärztin entscheiden.
Es wird für Sie auch sehr schwer bis unmöglich sein nachzuweisen, dass die Ärztin gelogen hat. Diese belastet sich immerhin nach dem mittlerweile geltenden Recht selbst mit der Aussage, dass Sie ein Gesundheitszeugnis ausgestellt hat, das so nicht richtig ist. Der Arztbesuch selbst wird ohne weitere Zeugen stattgefunden haben.
Dass der Polizist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat begründet keine Schadensersatzpflicht. Das Verfahren hat in Ihrem Fall nicht zu einem Schaden im rechtlichen Sinne geführt, weil das Verfahren eingestellt worden ist und es gerade der Sinn eines solchen Verfahrens ist zu klären, ob ein Vorwurf berechtigt ist. Wenn das Verfahren eingestellt wird besteht, anders als bei einem Freispruch, kein Anspruch auf Erstattung der Kosten.
Das Attest hätte in jedem Fall durch den Polizisten hinterfragt werden dürfen. Insoweit gibt es auch keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung, da das Attest eben auch inhaltlich überprüft werden darf. Da es bis Ende 2021 keine Strafbarkeit der Ärzte gab, die ein falsches Attest ausstellen, kann sich insoweit auch im Laufe der Pandemie durchaus die Praxis der Polizei bei der Überprüfung verschärft haben. Was in Ihrem Fall zu dem unschönen Ergebnis führt, dass Ihre Ärztin ohne eigenes Risiko die Hintergründe der Einholung des Attestes nicht adäquat geschildert hat.
Es tut mir leid, dass ich keine günstigere Antwort für Sie habe.
Mit freundlichen Grüßen
-Rechtsanwältin-