Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ihre Freundin nicht gezwungen werden kann, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Dies sollte sie auch keineswegs tun, sondern hier eine schriftliche und fristgerechte Kündigung abwarten.
Nun zu den Einzelheiten:
Der Arbeitgeber ist genauso wie ihre Freundin an den Arbeitsvertrag gebunden. Zudem gelten für die Gebäudereinigung allgemeinverbindliche Tarifverträge, die ebenfalls zu beachten sind (Z.B: der Lohntarifvertrag mit Wirkung vom 01.11.2015, der Rahmentarifvertrag).
Zunächst gilt es zu ermitteln, ob gegenseitig alle Verpflichtungen erfüllt wurden:
Nach § 4 dieses Lohntarifsvertrages berechnet sich das Monatsgehalt (bei geringfügig beschäftigten) nach folgender Formel: Durchschnittliche Arbeitszeit x Stundenlohn (mind. 9,80, § 2 des LTV) :5 x 261: 12. Zunächst sollten sie also überprüfen, ob ihre Freundin überhaupt den korrekten Lohn erhalten hat.
Laut dem Rahmentarifvertrag gibt es zudem Zuschläge für z.B. Mehrarbeit (25%), Sonn- und Feiertagsarbeit ( 100- 150 %), § 3 Nr. 3.7 des RTV.
Auch der Urlaubsanspruch ist im RTV geregelt und beträgt im ersten Beschäftigungsjahr bei einer 5-Tage Woche 28 Tage und im 2. Beschäftigungsjahr 29 Tage und ab dem dritten Beschäftigungsjahr 30 Tage (§ 15 Nr. 1 RTV). Dieser Urlaub muss , selbst bei Kündigung unter dem Jahr, nach 6 Monatigen Wartefrist pro Jahr ( § 7 BurlG) vollständig gewährt werden.
Die Kündigungsfristen im Gebäudereinigerhandwerk richten sich ebenfalls nach dem RTV. Wenn im Arbeitsvertrag keine längere Frist festgeschrieben ist, so beträgt sie 2 Wochen (§ 20 RTV).
Nach § 21 RTV sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Restlohn (also z.B: auch der nicht genommene Urlaub) sowie die Arbeitspapiere auszuhändigen.
Natürlich wird sich das Verlangen der Kündigung durch den Arbeitgeber zwar im Zweifel auf ihr Zeugnis niederschlagen, dies ist jedoch aufgrund des abgekühlten Arbeitsklimas ohnehin zu erwarten. Zudem besteht ein Anspruch auf ein wohlwollendes, wahrheitsgemäßes Zeugnis. Ohne separate Begründung besteht hier ein Anspruch auf die übersetzte Note gut (2,0). Die Abmahnung wird sicher länger als 14 Tage her sein, und sollte daher keine Rolle mehr spielen, sie ist aber auch nicht mehr angreifbar.
Zunächst sollten sie also den Arbeitgeber darauf hinweisen, was im Kündigungsfall alles fällig ist und welche Verpflichtungen ( Urlaub, Entgelt) er verletzt hat bzw. jetzt noch einhalten muss.
Auf die Einführung eines Betriebsrates haben sie hingegen kein Recht, sondern dies ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen nach § 1 BetrVG
( § 22 RTV) vorliegen, der Betrieb muss also 5 Arbeitnehmer haben.
Bisher haben sie alles richtig gemacht. Nun kommt es wirklich darauf an, dass ihre Freundin keinen Aufhebungsvertrag unterschreibt, denn dieser ist in der Regel wirksam. Unterschreibt sie diesen und endet er vor der Befristung einer möglichen Kündigung ( 2 Wochen), so wird die Agentur für Arbeit ihr eine Sperrzeit von 6 Wochen (aufgrund der kurzen Kündigungsfrist, sonst wären es 12 ) erteilen, in der kein Arbeitslosengeld gezahlt wird.
Eine Kündigung ist hingegen vor dem Arbeitsgericht angreifbar. Hierzu sollte ein Anwalt eingeschalten werden, verpflichtend ist dies jedoch nicht. Wichtig ist, dass die Klage binnen 3 Wochen nach Kündigung beim Arbeitsgericht eingeht. Die Klage auf Prüfung der Kündigung sollte mit einer Klage auf rückständigen Lohn , Urlaubsabgeltung , etc. verbunden werden.
Auch wenn die Kündigung angegriffen wird, ist es für ihre Freundin wichtig und richtig sich schnellstmöglich nach ihrer Genesung bei der Arbeitsagentur zu melden, was auch online möglich ist ( bei verspäteter Meldung kann eine Sperrfrist von einer Woche verhängt werden). Inwieweit ihr hier Lehrgänge gewährt werden können, vermag ich nicht zu beurteilen, dies wird der Sachbearbeiter mit ihr klären und erläutern.
Der Sachbearbeiter wird mit ihrer Freundin ihr weiteres Fortkommen besprechen, sie sollte Lehrgänge aber von sich aus anfragen. Grundsätzlich gibt es nur eine beschränkte Zeit mit Anspruch auf Arbeitslosengeld, Grundvoraussetzung ist, dass 12 Monate sozialversicherungspflichtig ( wie von ihnen angeben wurden Beiträge zur AV abgeführt) gearbeitet wurde. Pi mal Daumen kann man sagen, dass die angestellte Zeit einen Anspruch auf die Hälfte dieser Zeit absichert. Danach besteht ein Anspruch auf ALG II, also Hartz IV.
Zudem weise ich daraufhin, dass die Zeiteinteilung für die Zimmer, stets objektiv zu prüfen ist,m.a.W. hier eine Anzahl oder Minutenzahl vorzugeben, ist nur mit der Prämisse machbar, dass die Zeit auch realistisch ist um die Arbeit zu schaffen, sonst kann gefordert werden, diese anzupassen.
Sie sollten sich also aus meiner Sicht wie folgt verhalten:
1. Der Aufhebungsvertrag wird nicht unterschrieben, die Kündigung ist abzuwarten. Sollte der Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung oder sonstwie schmackhaft gemacht werden, so ist darauf zu achten, dass die Abfindung nicht als Vergütung sondern als Freikauf vom Arbeitnehmer deklariert wird. Zudem sollte der Aufhebungsvertrag eine Frist von mindestens 14 Tagen ( besser länger) vorsehen, um keine Sperre durch das Arbeitsamt zu riskieren.
2. Ihre Freundin sollte sich nach Genesung sofort arbeitssuchend melden, oder der Arbeitsagentur zumindest mitteilen, dass ihr Job in Gefahr ist.
3. Sodann sind alle noch offenen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag unter zu Grunde Legung des RTV und des LTV für das Gebäudereinigerhandwerk zu ermitteln und vom Chef zu verlangen. Eine Abfindung ist nur im Rahmen eines Abfindungvertrages als freie Verhandlungsposition möglich oder bei betriebsbedingter Kündigung im Kündigungsschutz -Prozess.
Bei Leistungsverweigerung in Abweichung der Tarifvereinbarungen sollten sie sich an die
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt,
Olof-Palme-Straße 19, 60439 Frankfurt am Main
wenden und den Arbeitgeber dort melden. Dies kann natürlich bei Verweigerung gegenüber dem Arbeitgeber auch angekündigt werden.
4. Die Kündigung sollte rechtskundig geprüft werden, gegen sie sollte vorgegangen werden, wenn die Prüfung Schwachstellen ergibt, dies ist binnen 3 Wochen nach Zugang beim Arbeitsgericht geltend zu machen. Diese Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde, sollte mit einer Klage auf die geschuldeten Restleistungen verbunden werden.
5. Nach der Meldung als Arbeitssuchend, wird ein Sachbearbeiter der Arbeitsagentur mit ihrer Freundin ihr weiteres Fortkommen besprechen, wobei sie Lehrgänge gezielt erfragen sollte. Hier besteht eine Beratungspflicht seitens der Arbeitsagentur.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwältin Doreen Prochnow
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Eine Ergänzung habe ich noch:
Auf gar keinen Fall sollte ein rückdatierter Aufhebungsvertrag akzeptiert werden, denn dieser gefährdet den ALG I-Anspruch wegen verspäteter Meldung und kann wegen versichungswidrigem Verhalten zu einer Sperrfrist führen. Daher ist eine Rückdatierung unzulässig und völlig indiskutabel.