Sehr geehrter Fragesteller,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte. Beachten Sie bitte, dass die von mir erteilte rechtliche Auskunft ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben basiert. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.
Bei Beratungsfehlern kommt grundsätzlich erst einmal ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Rückabwicklungen des Vertrages sind ohne weiteres nicht möglich.
Die Haftung des Generalvertretes der A-Versicherung bzw. des Versicherungsmaklers des Sturkturvertriebs setzt voraus, dass er seine vertraglichen Pflichten verletzt hat und Ihrem Freund dadurch ein Schaden entstanden ist. Für diese Voraussetzungen ist er in einem gerichtlichen Verfahren darlegungs- und beweispflichtig. Eine Schadensersatzpflicht besteht nicht, wenn die Pflichtverletzung nicht zu vertreten war, was der Vertreter beweisen müsste.
Allerdings ist der Nachweis von Beratungsfehlern in der Praxis relativ schwierig. Dies insbesondere dann, wenn es kein Beratungsprotokoll gibt, Die Beratungs- und Dokumentationspflichten des § 62 VVG
sind erst seit dem 1.1.2008 in das VVG eingeflossen. Im Zweifel wird die Aussage Ihres Freundes zum Ablauf des Beratungsgesprächs gegen die Aussage des Versicherungsvertreters der A-Versicherung und dem Versicherungsmakler des Sturkturvertriebs stehen. Stellen die Versicherungsvermittler sich auf den Standpunkt, dass die Vorgehensweise von Ihrem Freund explizit gewünscht war, wird dieser kaum das Gegenteil beweisen können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Sachverhalts der A-Versicherung.
Hinsichtlich des Neuabschlusses in 2003 spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass Ihr Freund diese Vorgehensweise vernünftigerweise bei hinreichender Beratung nicht gewählt hätte, da ihm durch die Kündigung erhebliche Verluste der bereits eingezahlten Beiträge entstanden sind.
Erfahrungsgemäß ist es auch aufgrund des Zeitablaufs schweirig, ohne entsprechende Dokumentation des Beratungsgesprächs dieses noch im Einzelnen nachzuvollziehen.
Selbst wenn ein Beratungsfehler grundsätzlich nachweisbar wäre, dürfte ein weiteres Problem sein, dass die Schadensforderung verjährt sein könnte. Nach §§ 195
, 199 BGB
verjähren Forderungen nach 3 Jahren. Die Frist beginnt zu laufen mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist UND der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Es wird also darauf ankommen, wann Ihr Freund Kenntnis von den Umständen erlangte, die ihn zum Schadensersatz berechtigen.
Vernünftigerweise wird man hier zu dem Schluss kommen, dass dies spätestens mit Auszahlung der 20,-€ aus der A-Versicherung der Fall gewesen ist, da in diesem Augenblick klar war, dass die Kündigung des Vertrages aus 2001 erhebliche Verluste mit sich brachte. Die Verjährungsfrist begann demnach im Jahre 2004 zu laufen und endete am 31.12.2007. Die Schadensforderung, die durch die Kündigung der Versicherung aus 2001 entstanden ist, dürfte daher leider inzwischen verjährt sein.
Eine zweite Frage ist, ob ein Beratungsfehler hinsichtlich der Art der abgeschlossenen Versicherung vorliegt, der evtl. noch nciht verjährt sein könnte. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 09.11.2007, AZ: V ZR 25/07
entschieden, dass, wenn sich ein Schadensersatzanspruch auf mehrere Beratungsfehler stützen lässt, die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für jeden Beratungsfehler gesondert zu laufen beginnt. Problematisch wird auch hier die Frage, wann Kenntnis von der Art der Versicherung eingetreten ist. Dies muss jedoch der Versicherer nachweisen, da er sich auf die Verjährung beruft.
Inwieweit das möglich ist, würde sich erst nach einer genauen Prüfung der vorliegenden Unterlagen einigermaßen sicher feststellen lassen.
In Bezug auf eine Rückabwicklung des Vertrages käme grundsätzlich eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht. Diese liegt dann vor, wenn der Versicherungsvermittler Ihren Freund bewusst über wesentliche Vertragsinhalte (z.B. Zusagen über Entwicklung der Fonds und der Versicherungssumme, falsche Angaben) getäuscht hat und so zum Vertragsabschluss gebracht hat. Auch dies muss jedoch von Ihrem Freund bewiesen werden. Zudem beträgt die Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 1 BGB
1 Jahr nach Kenntnis der Täuchung. Diese Frist ist hinsichtlich der Kündigung des Altvertrages inzwischen wohl verstrichen. Ob dies hinsichtlich der Kenntnis von der Art des Vertrages ebenfalls der Fall ist, lässt sich aus Ihren Angaben nciht sicher folgern.
Mein Rat wäre, mit sämtlichen Unterlagen einen versicherungsrechtlich versierten Kollegen vor Ort aufzusuchen und diese Unterlagen auf Beratungsfehler untersuchen zu lassen. Dabei sollte insbesondere geklärt werden, ob etwaige Beratungsfehler verjährt sind und ob noch eine Anfechtung in Betracht kommt. Dabei sollten Sie sich jedoch immer klar machen, dass die Beweispflicht für das Vorliegen von Beratungsfehlern bei Ihrem Freund liegt.
Sollte sich im Rahmen der Prüfung herausstellen, dass ein noch durchsetzbarer Schadensersatzanspruch besteht, wäre zu überlegen, sich zunächst an den Versicherungsombudsmann zu wenden. Der Ombudsmann für Versicherungen ist eine unabhängige und für Verbraucher kostenfrei arbeitende Schlichtungsstelle. Zum Ablauf eines solchen Verfahrens können Sie sich unter www.versicherungsombudsmann.de näher informieren.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten Überblick gegeben zu haben und bedauere, keine günstigeren Ausführungen machen zu können. Sofern Rückfragen bestehen, können Sie diese gerne mit der Nachfrageoption stellen. Ansonsten darf ich Sie bitten, die Antwort zu bewerten, um dieses Portal durch die Bewertung transparant zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Klüting
Rechtsanwältin
Sehr geehrter Frau Klüting,
vielen Dank für Ihre Antwort. Wie beschrieben handelt es sich bei der in 2003 neu abgeschlossenen Versicherung um eine fondsbasierte Versicherung auf Aktienfondsbasis. Vor diesem Hintergrund ist es nicht auszuschließen, dass eine (Provisions-)Rückvergütung von der S-Versicherung an den Strukturvertrieb erfolgt ist. Angaben hierüber sind jedoch aus den Unterlagen nicht ersichtlich.
Wären die entsprechenden Geschäfte nicht durch den Strukturvertrieb, sondern durch eine Bank geschlossen worden, so wäre die Bank hierüber aufklärungspflichtig gewesen
(BGHZ 170, 226
, 234 f Rn. 23; Urteil vom 20. Januar 2009 - <a href="http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=XI%20ZR%20510/07" target="_blank" class="djo_link" title="BGH, 20.01.2009 - XI ZR 510/07: Kick-Back Rechtsprechung gilt auch bei geschlossenen Fonds - "C...">XI ZR 510/07</a> - <a href="http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=NJW%202009,%201416" target="_blank" class="djo_link" title="BGH, 20.01.2009 - XI ZR 510/07: Kick-Back Rechtsprechung gilt auch bei geschlossenen Fonds - "C...">NJW 2009, 1416</a>, 1417 Rn. 12).
Im Urteil v. 15.04.2010 (Az. III ZR 196/09
) verneint der BGH eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf freie Anlageberater (=Strukturvertrieb): "Danach besteht wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und seinem Anlageberater jedenfalls dann - soweit nicht der im vorliegenden Fall nicht anwendbare § 31d des Wertpapierhandels-gesetzes eingreift - keine Verpflichtung für den Berater, ungefragt den Anleger über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn dieser selbst - wie hier - keine Provision an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden."
Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherungen wird nicht offen ein Agio ausgewiesen, noch Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung, aus denen ihrerseits Rückschlüsse auf gezahlte Provisionen ersichtlich sind, schon gar nicht auf die Höhe.
Insoweit könnte m.E. hieraus eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beraters des Strukturvertriebes gesehen werden. Verjährung beginnt m.E. hier erst mit Erfahren von den relevanten Umständen, d.h. ob nun tatsächlich Provisionen gezahlt wurden und in welcher Höhe, also erst nach Offenlegung durch den Strukturvertrieb. Insoweit wäre m.E. hier eine belastbare Anspruchsgrundlage für entsprechenden Schadenersatz eröffnet.
Könnten Sie kurz hierzu Stellung nehmen. Vielen Dank.
Sehr geehrter Fragsteller,
Ihre Nachfrage betrifft die sog. Kick-Back-Rechtsprechung des BGH bei der Anlageberatung durch Banken. Dabei geht es um die Frage, ob durch verdeckte Rückvergütungen an die beratende Bank eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen wird. Die Gefährdungssituation sieht der BGH darin begründet, dass durch ein auf Rückvergütungen beruhendes Anreizsystem eine erhöhte Gefahr besteht, die im Kundeninteresse stehende Beratung nur unzureichend vorzunehmen. Es bestehe also die Gefahr, dass der Bankberater den Kunden nur im Sinne seiner eigenen Provisionen berät, nicht jedoch im Sinne der Interessen des Kunden.
Der BGH macht in dem von Ihnen zitierten Urteil vom 15.04.2010 aber deutlich, dass die Grundsätze der Aufklärungspflichten für die Beratung einer Bank aufgestellt wurden und daher auf den Vertrag mit einem freien, nicht bankgebundenen Anlageberater regelmäßig nicht übertragbar sind. Dies gilt dann, wenn der freie Anlageberater darauf verzichtet, vom Kunden eine Provision für die Anlageberatung zu erhalten. Denn in diesem Fall verstehe es sich von selbst, dass der freie Anlageberater die Leistungen nicht kostenlos erbringen würde, sondern von dritter Seite vergütet werde.
Wird der Berater hingegen (auch) vom Kunden unmittelbar vergütet, ist derzeit offen, ob ihn die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH trifft. Hier bleibt abzuwarten, wie der BGH entscheiden würde. Aus meiner Sicht spricht es eher für eine Aufklärungspflicht des freien Anlageberaters, sofern der Kunde ihm eine Vergütung zahlt, da der Kunde in diesem Fall nicht selbstverständlich davon ausgehen muss, dass der Anlageberater durch einen Dritten (zusätzlich) vergütet wird im Wege einer verdeckten Rückvergütung.
Es käme also zunächst darauf an, ob Ihr Freund für die Beratung durch den Strukturvertrieb dem Versicherungsvermittler eine Provision gezahlt hat oder nicht. In der Regel ist die Beratung der mir bekannten großen Versicherungsberatungsunternehmen jedoch für den Kunden kostenlos. Daher besteht nach der BGH-Rechtsprechung keinerlei Aufklärungspflicht hinsichtlich der durch die Versicherungsunternehmen an den Vermittler gezahlten Provisionen. Der BGH hat jedoch betont, dass ein Interesse des Kunden bestehen kann, die konkrete Höhe der vom Berater erzielten Provision bei Tätigung der Anlage durch den Kunden zu erfahren. Von sich aus muss der freie Anlageberater den Kunden jedoch nicht über die Höhe der Provisionen aufklären.
Sofern Ihr Freund hingegen selbst eine Provision an den Vermittler des Stukturvertriebs gezahlt hat, könnte dies anders sein. Allerdings sei noch einmal betont, dass die Rechtsprechung bislang nur die Aufklärungspflichten für die Beratung durch eine Bank betrifft und hierzu keine verbindliche Auskunft gegeben werden kann.
Sofern sich hieraus tatsächlich eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beraters entnehmen lässt, kommt es hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist auf die Kenntnis der schadensbegründenden Umstände an. Dies wäre hier insbesondere die Tatsache, dass Rückvergütungen geflossen sind. Ob die konkrete Höhe ebenfalls dazu zählt, ist aus meiner Sicht fraglich, da die Aufklärungspflicht sich nicht aus der Höhe ergibt sondern aus der Frage, ob Rückvergütungen gezahlt wurden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Rechtslage zu diesem Gebiet verständlich erläutern und wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag.
Mit freundlichen Grüßen,
Cornelia Klüting
Rechtsanwältin