Sehr geehrter Fragesteller,
ich möchte Ihre Anfrage anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer ERSTberatung wie folgt beantworten:
zunächst ist zu sagen, das bei einer Nutzungsänderung kein Raum für einen Bestandsschutz besteht. Dieser sogenannte aktive Bestandsschutz ist seit den Urteilen des BVerwG, Urteil vom 12. 3. 1998 - 4 C 10–97 (Schleswig) in NJW 1998, 3136
und BVerwG, Urteil vom 27. 8. 1998 - 4 C 5–98 (München) in NVwZ 1999, 523
nicht mehr existent.
Auzüge:
"Außerhalb der gesetzlichen Regelungen gibt es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz..."
" Erfüllt die bauliche Erweiterung und teilweise Änderung der Nutzung einer Anlage ... den Vorhabenbegriff des § 29 BauGB
, so darf die erforderliche Baugenehmigung nur erteilt werden, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 I oder II BauGB
erfüllt sind. Für eine - erleichterte - Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes ist kein Raum."
Insoweit hat Ihre Gemeinde Recht, bei einer Nutzungsänderungen, sind die einschlägigen Gesetze zu beachten und einzuhalten.
Zu prüfen wäre, ob zur Zeit der Errichtung des Gebäudes ein Bebauungsplan die Errichtung auf der Grundstücksgrenze gestattete bzw. ein derzeitiger Bebauungsplan dies ermöglichen würde. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wäre danach eine Abstandsfläche nicht einzuhalten. Gem. Art. 3 Abs. 3 BayBO und Art. 55 Abs. 1 BayBO gelten die Vorschriften auch für die Nutzungsänderung.
Für eine Genehmigungsfreistellung nach Art. 58 Abs. 1 BayBO steht wohl der fehlende Bebauungsplan (Art. 58 Abs. 2 BayBO) für das betreffende Grundstück entgegen.
Sie sollten auf jeden Fall eine Abweichung (Befreiuung bzw. Ausnahme) von den Festsetzungen des Abstandsflächenrechtes nach Art. 63 BayBO beantragen.
Insbesondere ist die derzeitige Nutzung des Gebäudes als Wohnung!! und eine schon 1970 erteilte Ausnahme nach der damals gültigen (der 1962 in Kraft getretenen) BayBO) relevant.
Denn de facto liegt nach Ihrem Vortrag keine Nutzungsänderung vor. Sie wohnen in dem Gebäude. Insofern die Baubehörde davon schon länger Kenntnis hatte, so hat die Behörde intern schon ein Ermessen nach Art. 76 Satz 3 BayBO ausgeübt. Es hat die Nutzung(sänderung) nicht untersagt, obwohl sie davon wusste und es im Ermessen der Behörde lag.
Mit Hinblick auf die 1970 genehmigte Nutzungsänderung ohne Übernahme der Abstandsfläche ist möglicherweise ein nur noch eingeschränktes Ermessen der Behörde gegeben.
Das Ermessen ergibt sich aus der Möglichkeit der Abweichungen. Diese Art der Befreiung/Ausnahme wurde dem Eigentümer 1970 schon einmal gewährt.
Es dürfte der Behörde schwer fallen, nunmehr eine solche Abweichung nicht mehr zu erteilen.
Die Meinung Ihres Nachbarn zeigt mangelndes Verständnis. Denn bei weiterer derzeitiger Nutzung, hat er die besagten Abstände auch ohne Abstandsflächenübernahme einzuhalten.
Wenn Sie weiteren Sachverhalt vortragen wollen, nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfrage.
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Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste Orientierung in der Sache geben konnte.
Sollte sich der Sachverhalt doch etwas anders darstellen, nutzen Sie bitte die Nachfrage.
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Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass die rechtliche Einschätzung ausschließlich auf den von Ihnen mitgeteilten Tatsachen beruht und dass durch das Hinzufügen oder Weglassen von weiteren tatsächlichen Angaben die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen kann.
Antwort
vonRechtsanwalt Heiko Tautorus
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