Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1.
Wasserleitungen auf einem Grundstück sind sog. wesentliches Bestandteile des Grundstücks und befinden sich damit im Eigentum des Grundstückseigentümers, §§ 93
, 94 BGB
(BGH, Urteil vom 02.12.2005 [V ZR 35/05
]), auch wenn sie einem fremden Leitungsrecht dienen. Durch Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Leitungsberechtigten ist es jedoch möglich, die Leitungen zum sog. "Scheinbestandteil" des Grundstücks (§ 95 BGB
) zu machen und an den Leitungsberechtigten nach § 929 BGB
zu übereignen (BGH, ebenda).
2.
Zum Zweck der Erneuerung dürfen Sie die Leitungen kurzfristig trennen, wenn die Abwässer zwischenzeitlich einer geeigneten Entsorgung zugeführt werden.
Es empfiehlt sich, dies vorher dem Eigentümer anzuzeigen, wenn die Leitungsunterbrechung für ihn bemerkbar ist.
3.
Wenn es hierüber keine anderweitige Vereinbarung mit Ihrem Nachbarn gibt, sind Sie für die Instandhaltung/Sanierung der Leitungen auf Ihrem Grundstück verantwortlich, da sich die Leitungen in Ihrem Eigentum befinden.
4.
Die Frage eines "Notleitungsrechts" Ihres Nachbarn über Ihr Grundstück in analoger Anwendung von § 917 BGB
stellt sich vorliegend nicht, da er ein im Grundbuch eingetragenes Leitungsrecht hat.
Gäbe es kein eingetragenes Leitungsrecht, stünde Ihrem Nachbarn ein Notleitungsrecht nicht zu, da er die Leitungen - wie Sie mitteilen - auch über sein Grundstück verlegen könnte.
Nach § 29 des Nachbarrechtsgesetzes von Nordrhein-Westfalen vom 01.07.1969 (NRG) sind bauliche Anlagen so einzurichten, daß Abwässer und andere Flüssigkeiten nicht auf das Nachbargrundstück übertreten. Nach § 27 Abs. 1 NRG sind bauliche Anlagen sind so einzurichten, daß Niederschlagwasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt. Nach § 28 Abs. 1 NRG sind der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, die aus besonderem Rechtsgrund verpflichtet sind, das von den baulichen Anlagen eines Nachbargrundstücks tropfende oder abgeleitete oder von dem Nachbargrundstück übertretende Niederschlagwasser aufzunehmen, berechtigt, auf eigene Kosten besondere Sammel- und Abflußeinrichtungen an der baulichen Anlage des traufberechtigten Nachbarn anzubringen, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist. Sie haben diese Einrichtungen zu unterhalten. Dies bezieht sich aber nur auf Niederschlagswasser, nicht jedoch auf andere Abwässer.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Neumann, Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Neumann,
zunächst einmal vielen Dank für die schnelle und umfassende Beantwortung unserer Fragen. Wie bereits erwähnt, verläuft das im Grundbuch gesicherte Geh-, Fahr- u. Leitungsrecht (gem. Grundbuchakte) nicht dort, wo die Abwasserleitungen jetzt liegen (Baubereich) sondern dort, wo auch weiterhin ein freier Weg verbleibt.
Entsprechend lautet unsere Nachfrage: Gilt das Leitungsrecht auch für den derzeitigen Verlauf der Abwasserrohre (Rohre liegen schon 80 Jahre dort) ?
Vielen Dank…
Sehr geehrter Fragesteller,
das Leitungsrecht gilt mit dem im Grundbuch eingetragenen Inhalt.
Dem Nutzungsberechtigten, also Ihrem Nachbarn, kann es gleichgültig sein, welchen Verlauf die Leitungen über Ihr Grundstück nehmen, solange sein Abwasser abgeleitet wird.
Von daher sehe ich keine rechtlich schutzwürdige Position Ihres Nachbarn, dass die Leitungen entgegen dem im Grundbuch eingetragenen Verlauf auch weiterhin liegenbleiben.
Nachdem der abweichende Verlauf aber 80 Jahre lang von Ihren Rechtsvorgängern im Eigentum geduldet wurde, würde es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB
verstoßen, von Ihren Nachbarn die Kostentragung für eine Verlegung der Leitungen zu verlangen.
Mit freundlichen Grüßen,
Neumann
Rechtsanwalt