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Lösen Beweisverbote einen Anfangsverdacht aus?

| 31. August 2012 23:40 |
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Strafrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Moritz Kerkmann

Sehr geehrte Anwälte

ich habe eine theoretische Frage zu einem Rechtsgebiet, dass ich nicht ganz verstehe:

Folgende Frage:

Lösen bzw. darf Material das der StA zugespielt wurde, aber illegal aus dem Kernbereich der privaten Lebens abgezogen wurde und somit einem Beweisverbot unterliegt für die Bejahung eines Anfangsverdachtes herangezogen werden ?

Wie ist also da die Formel ?
Was sind tatsächliche Anhsltspunkte ?
Ist es nicht so, dass ein Verdacht garbicbt entstehen kann oder darf, weil diese aufgrund Beweisverwertungs und Beweisverbote nicht herangezogen werden dürfen?

Dazu folgende Frage aus FEA in der bereits die Dreiertheorie des BVerfG und Fernwirkungen genannt wurden.
http://www.frag-einen-anwalt.de/mobilefea_view.asp?topic=194457
Ra Wilking

Sowie die Aussage des BVerfG

"b und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, betrifft die Vorauswirkung von Verwertungsverboten und gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Insoweit ist anerkannt, dass Verfahrensfehlern, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommt (vgl. auch BVerfGK 7, 61 , 63).[9]
.."

Wie sehen sie das, was ergibt sich aus Schrifttum und Literatur, lösen also Beweise die vorliegen allerdings - mal unterstellt selbst nicht verwertet werden dürfen - einen Anfangsverdacht - und Grundlage für weitere Ermittlungen aus- oder nicht ?

Sehr geehrter Ratsuchender,

schönen guten Morgen und vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworten möchte:

Sie sprechen in der Tat einen äußerst interessanten Bereich an, nämlich der Vorauswirkung von Beweisverwertungsverboten.

Die Frage ist hier, ob Tatsachen, welche einem Beweisverwertungsverbot unterliegen dennoch zur Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden dürfen?

Diese Frage ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Während man in den USA aufgrund der Früchte des verbotenen Baumes Doktrin, fruit of the poisonous tree, ja sehr restriktiv ist, wird es hier in Deutschland doch wesentlich differenzierter gesehen.

So soll schon das Beweisverwertungsverbot bzgl. der rechtswidrig erlangen Tatsachen sogar zum Teil nur dann greifen, wenn der Betroffene einer Verwendung der erlangten Beweise widerspricht, sog. Widerspruchslösung, welche von der Rechtsprechung entwickelt wurde.

Voraussetzung einer Vorauswirkung wäre dann also, dass der Beschuldigte, sofern man der Widerspruchslösung folgt, sich erst einmal gegen die Verwendung der erlangten Beweise wendet.

Diese Widerspruchslösung ist meines Erachtens mit unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen jedoch nicht vereinbar. Derjenige Beschuldigte, der nicht rechtsanwaltlich vertreten ist, wird in der Regel zum einen keine Kenntnis davon haben, dass Beweise einem Beweisverwertungsverbot unterliegen könnten, zum anderen wird er noch weniger Kenntnis von seiner Widerspruchsmöglichkeit haben.

In diesen Fällen soll, nach Auffassung der Rechtsprechung, zwar der Richter den Angeschuldigten auf diese Möglichkeit hinweisen.

Dies führt aber zu einer verkehrten „Lastenverteilung" in der Hauptverhandlung, Dornach, Der Strafverteidiger als Mitgarant eines justizförmigen Strafverfahrens, 1994, 190.

Die einem Beweisverwertungsverbot unterliegenden Erkenntnisse müssen daher richtigerweise schon im Rahmen der staatsanwaltlichen Ermittlungen als Beweismittel ausscheiden, Rieß, JR 1979 169.

Der Bundesgerichtshof hingegen hat die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten jedoch weitestgehend abgelehnt und ausgeführt, dass sich aus den erlangten Beweisen, welche einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, durchaus ein Anfangsverdacht ergeben kann.

Diese Auffassung ist aber mit den rechtstaatlichen Grundsätzen bei uns nur schwer zu vereinbaren, insbesondere dann, wenn sich Beweisverwertungsverbote direkt aus der Verfassung ergeben.

Hier soll es dann zu einer Gesamtabwägung kommen, Beulke, ZStW 103, 657.

Diskutiert wird auch, ob man eine Verwendung zulassen kann, wenn man den Beweis auch anderweitig hätte ermitteln können.

Das Groh im Schrifttum möchte jedoch auf die Intensität des Rechtsverstoßes einerseits und der Schwere der aufzuklärenden Tat anderseits abstellen.

Meines Erachtens geht dies aber zu weit. Denn wo ist dann die Grenze und wer soll dies entscheiden? Die Polizei? Die Staatsanwaltschaft?

Man denke an den bekannten Fall Gäfgen. Wo soll man die Grenze ziehen. Darf „nur" mit Gewalt gedroht werden, wenn es um die Verfolgung eines Tötungsdeliktes geht oder darf sogar leichte Gewalt angewendet werden?

Mit unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen dürften diese Überlegungen nur schwer zu vereinbaren sein, denn der Betroffene gilt ja bis zu einer Verurteilung auch als unschuldig.

Kleines Fazit:
Die Rechtsprechung geht in der Regel einen sehr pragmatischen Weg und lässt bei Beweisen welchen einem Beweisverwertungsverbot unterliegen einen Fernwirkung in der Regel zu.

In der Literatur gehen die Meinungen auseinander. Vertreten wird hier vieles.

Eine Meinung möchte eine Gesamtwürdigung vornehmen, eine andere Stellt auf die Intensität des Rechtsverstoßes im Vergleich zur Schwere der verfolgten Tat ab. Eine Dritte Meinung will darauf abstellen, ob die Beweise auch mit sonstigen Maßnahmen hätten ermittelt werden können, sog. hypothetischer rechtmäßiger Ersatzeingriff.

Eine vierte Meinung, der ich mich anschließe, lehnt eine Verwendung ab, da so der Zweck des Beweisverwertungsverbotes unterlaufen werden würde.

Dies ist auch richtig, da eine Grenzziehung letztlich nicht möglich und mit unseren rechtstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist.

Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen und einen ersten Überblick verschafft.

Mit freundlichen Grüßen aus Achim,

Moritz Kerkmann
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 1. September 2012 | 17:37

Vielen Dank
Offenbar sieht das BVerfG im sog. Tonband Urteil ein Beweisverbot.
Gilt dies auch im Hinblick auf die Stützung auf Beweisverbote für die Begründung eines Anfsngsverdachts ?

Sie schreiben ferner von der Widerspruchslösung, gilt diese rückwirkend oder wird dies bereits im abschließenden Verhör nach § 163a StPO vom Beschuldigten gefragt?

Sie schreiben weiter "Der Bundesgerichtshof hingegen hat die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten jedoch weitestgehend abgelehnt und ausgeführt, dass sich aus den erlangten Beweisen, welche einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, durchaus ein Anfangsverdacht ergeben kann. .."

Wären sie so nett mir das Urteil zu nennen ?
Was heißt denn "weitestgehend "hat hier der BGH auch Ausnahmen zugelassen?
Hat der BGH also die Theorie anhand des BVerfG nicht ganz verworfen ?
Kennen sie evtl weitere Urteile wo ein Anfangsverdacht auf " faule " Beweise abgelehnt wurde ?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 1. September 2012 | 18:32

Schönen guten Abend und vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Nicht nur in der Entscheidung des BVerfG 34, 328 ( Tonband ) sieht dieses ein Beweisverwertungsverbot, sondern auch in der Entscheidung zum großen Lauschangriff, BVerfG, Urteil vom 03.03.2204, Az. 1 BvR 2378/98 . Das Bundesverfassungsgericht führt hier deutlich aus: „Jede Verwertung solcher Informationen ist ausgeschlossen".

Damit ist also auch eine Fernwirkung ausgeschlossen.

Der BGH dagegen handhabt dies, wie schon ausgeführt, viel pragmatischer, so BGH St 27, 355 = JR 1979, 163 oder auch BGH NJW 1984, 2772 , wonach ein Beweisverwertungsverbot nicht ohne weiteres zu einer Lähmung des Strafverfahrens führen dürfe.

Mir ist nur eine einzige Entscheidung bekannt, im dem der BGH von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht hat, nämlich in BGH St, 29, 244, 247. Dort ging es um einen Verstoß gegen das Gesetz zur Beschränkung des Brief-Post und Fernmeldegeheimnisses, § 6 II 3 i. V. m. § 7 VI G10.

Ansonsten hält der BGH an seiner Richtlinie fest.

Die von mir genannte Widerspruchslösung sieht vor, dass der Betroffene der Verwendung unrechtmäßig erlangter Beweise zunächst widersprechen muss.

Im Extremfall kann dies auch erst im Rahmen einer Gerichtsverhandlung erfolgen, so dass sich dann eine Verwertung der unrechtmäßig erlangten Beweise verbieten würde.

Dies führt zu dem absurden Ergebnis das die Staatsanwaltschaft quasi orakelmäßig voraussehen muss, ob der Betroffene der Verwertung unzulässig erlangter Beweise widersprechen wird, weswegen ich von dieser „Lösung" wenig halte.

Ich hoffe auch Ihre Nachfrage beantwortet zu haben.

Schönen Abend und schönes Restwochenende noch.

Beste Grüße,

Moritz Kerkmann
Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 1. September 2012 | 18:56

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Vielen Dank, vielleicht gehen sie noch kurz im Rahmen des Portals mit einer Nachantwort auf folgendes ein:
Ich denke sie gehen offenbar dann davon aus, dass das BVerfG ja offensichtlich anders urteilt - und zwar krass anders- als der BGH
Meines Wisses muss man sich aber dann das Verhalten oder der Gesetze nicht gefallen lassen mit Verweis auf das Urteil, weil das ja verfassungswidrig ist.

Die eine Ausnahme die sie erwähnten bezog sich also darauf, dass die Behörde in dem Fall die einem Beweisverbot unterliegt, kein Anfangsverdacht annehmen darf.
Warum nicht ? Weil es vielleicht um den besonders geschützten Kernbereich der privaten Lebensführung geht ? Oder das durch das BVerfG neu hergeleitete Recht auf Gewährung und Integrität Informationstechnischer Systeme im Wege steht ? http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Grundrecht_auf_Gewährleistung_der_Vertraulichkeit_und_Integrität_informationstechnischer_Systeme&action=history

Insofern profitieren leider Sexualverbrecher davon

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