Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Ein Beweisverwertungsverbot stellt eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist, siehe BGH, 14.08.2009 - 3 StR 552/08
. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, daher ist auch im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise nicht stets unzulässig, vgl. BVerfG NJW 2009, 3225
. Die Grenze zieht allerdings § 136a StPO
bei z.B. bei durch Folter erlangten Erkenntnissen.
Da sich die Vorschriften der Strafprozessordnung zur Beweisverwertung ausschließlich an die staatlichen Strafverfolgungsorgane richten, sind Beweismittel, die von Privaten erlangt worden, sind, grundsätzlich verwertbar, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte (BVerfG vom 09. 11. 2010 – 2 BvR 2101/09
). Hat also eine Privatperson z.B. über ein zwischen ihr und dem Beschuldigten geführtes Gespräch und ohne dessen Wissen eine Tonbandaufnahme hergestellt, ist zwar der Tatbestand des § 201 StGB
erfüllt, dennoch hat der Bundesgerichtshof das Abspielen der Tonbandaufnahme gestattet (BGH, 12.04.1989 - 3 StR 453/88
). Denn aus der rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels durch einen Dritten folgt nicht ohne weiteres die Unverwertbarkeit dieses Beweismittels im Strafverfahren (BGH, 22.02.1978 - 2 StR 334/77
). Dies sieht so auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, zumindest wenn hierbei die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben und die Verurteilung nicht ausschließlich auf dem rechtswidrig erlangten Beweismittel beruht (EGMR NJW 1989, 654
). Ebenso hat das OLG Frankfurt (20.12.1995 - 3 VAs 25 + 26/95
) die Weiterverwertung mehrerer in einem Verfahren wegen Erpressung erlangter Daten im Rahmen der Steuerfahndung unter Berufung auf § 108 StPO
und § 116 AO
für zulässig erachtet.
Letztendlich wird die Grenze der Verwertbarkeit von aus privater Hand stammenden Beweisen erst dort gezogen, wo die Beweise durch Folter oder unter Verstoß gegen die Menschenwürde erlangt wurden (vgl. BGH, 21.07.1998 - 5 StR 302/97
) oder bei Eingriffen in die Intimsphäre (z.B. bei Auswertung eines Tagebuchs). Zudem darf das private Handeln nicht auf Initiative des Staates erfolgen, um Beweiserhebungsverbote zu umgehen (vgl. BGHSt 55, 138
; BGHSt 34, 362
).
Wenn Sie aber aus eigenem Antrieb Daten eines anderen „klauen" (z.B. per Trojaner) und diese Daten an Polizei oder Staatsanwaltschaft weiterleiten, dürfen diese aufgrund der Beweise weiterermitteln. Allerdings muss hierbei abgewogen werden, ob die Daten den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren (was bei dem Ausspähen sexueller Vorlieben zu bejahen wäre, da dies die absolut geschützte Intimsphäre betrifft) und ob sich die Verwertung durch ein allgemeines Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen lässt (BVerfGE 34, 238
; LG Düsseldorf, Beschluss vom 17. September 2010 - Az. 14 Qs 60/10
)
Mit der Frage der Verwertbarkeit von angekauften Steuer-CDs und einem Beweisverwertungsverbot bei Datendiebstahl hat sich auch ausführlich das LG Bochum (22.04.2008 - 2 Qs 10/08
) beschäftigt, die Entscheidung wird hier besprochen: http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/beweisverwertungsverbot.pdf , siehe auch http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2008/Beweisverwertungsverbote.pdf
Mit der Verwertung „illegal" beschaffter Daten unter Berücksichtigung des von Ihnen zitierten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt sich ausführlich im Steueranwaltsmaganzin Prof. Dr. jur. Wolfgang Joecks, http://www.steuerrecht.org/component/option,com_joomdoc/Itemid,121/gid,152/task,doc_download/&djourla=page=22
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Jan Wilking
So wie ich sie verstehe, geben die allgemeinen Gesetze ein Beweisverwertungsverbot nicht her, wohl aber - in sehr engen Grenzen- das Grundgesetz.
Wenn ich sie weiter verstehe, muss man abwägen:
Erstens ist für einen Anfangsverdacht wichtig, dass die Beweise auch sich für einen Anfangsverdacht qualifizieren lassen, mit Ausnahme der Folter ist dies offensichtltlich möglich.
Alerdings gibt es - wenn ich sie hier auch wieder richtig verstehe - wiederum einige Ausnahme:
Es geht also bei der Prüfung um den Intimbereich, also den Kern der privaten Lebensführung.
Von dieser Regelung kann wiederum nur dann abgewichen werden, wenn das allgemeine Interesse der Strafverfolgung in der Bevölkerung vorhanden ist.
Beispiel für ein Interesse wäre dann wohl- um beim Internetstrafrecht zu bleiben - der sexuelle Missbrauch eines Kindes.
Strittig wäre dann wohl die Kinder und erst recht die Verbreitung oder gar der Besitz von Jugendpornographischen Schriften oder der mögliche sexuelle Missbrauch eines Jugendlichen.
Wenn ich sie ferner weiter verstehe, prüft die StA solche möglichen verfassungswidrigen Ansätze.
Falls ich also illegal von einem anderen solche Daten erhalten würde, wäre die Anzeige mehr oder weniger nutzlos, da diese Beweise einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Es entsthet damit also eine Priviligierung für Straftaten, die im privaten Kernbereich entstehen oder enstanden sind oobwohl diese ja meist viel schlimmer sind, als sog. Wirtschaftsstraftaten.
Ich fand dazu bei Wiki noch folgendes und bitte mir zu sagen, ob die Analyse bzwgl meiner Fragen so richtig ist:
" * 4) Die in der Stellungnahme unter Punkt 2.8 getroffene Feststellung zu den sog. verdeckten Ermittlungen verweist die Rechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme auf die Onlinedurchsuchung, in der durch § 100h StPO
keine grundsätzliche Erlaubnis zu dererlei Maßnahmen gegeben wird.
Außerdem sei ein grundsätzliches fehlerbehaftetes Verfahren in der Beweisermittlung hinderlich für die Erklärung des im Deutschen Strafrechtes nötigen Anfangsverdachtes. Die Anwaltskammer verweist auf die im Schrifttum genannten Urteile.
b und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, betrifft die Vorauswirkung von Verwertungsverboten und gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Insoweit ist anerkannt, dass Verfahrensfehlern, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommt (vgl. auch BVerfGK 7, 61
, 63). [9]
Es drohen nach Deutschen Recht Beweisverwertungsverbote, wenn Maßnahmen angewendet werden, die nicht mit dem Deutschen Grundgesetz kompatibel sind- daher sind auch hier wieder Probleme mit dem Deutschen GG zu erkennen- Maßnahmen, die bei der Beweisgewinnung als illegal gelten oder dem vom Bundesverfassungsgericht neu geschaffenen - und abgeleitet durch Art. 2 - kreierte Recht auf der Gewährleistung auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme widersprechen, sind unwirksam. Dies gilt insbesondere für den Kernbereich privater Lebensgestaltung, der aufgrund der Herleitung des Gerichtes auf Art. 1
und 2 GG
besonders geschützt ist.[10][11].."
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sexueller_Missbrauch_von_Kindern_(Deutschland)&action=history
Quellen: # BVerfG 2 BvR 2101/09
(1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 9. November 2010 (AG Bochum/LG Bochum)
# ↑ Prof. Dr. Bernd Heinrich:Beweisverwertugsverbote IV Schutz der Intimsphärevgl Amelung/Kercklhoff
https://docs.google.com/viewer?a=v&q=cache:C9NQL5gavfwJ:heinrich.rewi.hu-berlin.de/doc/stpo_2011/29-beweisverwertungsverbote-4.pdf+&hl=de&gl=de&pid=bl&srcid=ADGEESjcxTyTC3w-io0oSIowzV2J6a_OWqh79rWVtPMgxbFDMRJg6Xywdvrk1eKtoL7uGdgOw-q-g6HJA4W7uJCEtVo44feYXc-jfGOTNqT-Q6jgPqXZEMiJW6s8K1Z-W_hNDXhmDhL8&sig=AHIEtbQuVW_duaTpvK0B6vi4VJa_5dPN8g
Offensichtlich ist es daher so, dass bei Prüfung solchen Materials die StA die Herkunft klären muss.
Es ist ja wohl kaum so, dass ein pot. Täter anderen einfach so Daten übermittelt, diese sind dann, wenn ein Dritter davon erfährt, immer abgefangen worden.
Sehe ich dies in etwa so richtig ?
Habe ich sie si richtig verstanden ?
So wie ich sie verstehe, geben die allgemeinen Gesetze ein Beweisverwertungsverbot nicht her, wohl aber - in sehr engen Grenzen- das Grundgesetz.
Wenn ich sie weiter verstehe, muss man abwägen:
Erstens ist für einen Anfangsverdacht wichtig, dass die Beweise auch sich für einen Anfangsverdacht qualifizieren lassen, mit Ausnahme der Folter ist dies offensichtltlich möglich.
Alerdings gibt es - wenn ich sie hier auch wieder richtig verstehe - wiederum einige Ausnahme:
Es geht also bei der Prüfung um den Intimbereich, also den Kern der privaten Lebensführung.
Von dieser Regelung kann wiederum nur dann abgewichen werden, wenn das allgemeine Interesse der Strafverfolgung in der Bevölkerung vorhanden ist.( Gilt sowohl für staatliche Erlangung der Beweise als auch für Privatpersonen, die andere ausspähen und Daten abziehen)
Beispiel für ein Interesse wäre dann wohl- um beim Internetstrafrecht zu bleiben - der sexuelle Missbrauch eines Kindes.
Strittig wäre dann wohl die Kinder und erst recht die Verbreitung oder gar der Besitz von Jugendpornographischen Schriften oder der mögliche sexuelle Missbrauch eines Jugendlichen.
Wenn ich sie ferner weiter verstehe, prüft die StA solche möglichen verfassungswidrigen Ansätze.
Falls ich also illegal von einem anderen solche Daten erhalten würde, wäre die Anzeige mehr oder weniger nutzlos, da diese Beweise einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
Es entsthet damit also eine Priviligierung für Straftaten, die im privaten Kernbereich entstehen oder enstanden sind oobwohl diese ja meist viel schlimmer sind, als sog. Wirtschaftsstraftaten.
Ich fand dazu bei Wiki noch folgendes und bitte mir zu sagen, ob die Analyse bzwgl meiner Fragen so richtig ist:
" * 4) Die in der Stellungnahme unter Punkt 2.8 getroffene Feststellung zu den sog. verdeckten Ermittlungen verweist die Rechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme auf die Onlinedurchsuchung, in der durch § 100h StPO
keine grundsätzliche Erlaubnis zu dererlei Maßnahmen gegeben wird.
Außerdem sei ein grundsätzliches fehlerbehaftetes Verfahren in der Beweisermittlung hinderlich für die Erklärung des im Deutschen Strafrechtes nötigen Anfangsverdachtes. Die Anwaltskammer verweist auf die im Schrifttum genannten Urteile.
b und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, betrifft die Vorauswirkung von Verwertungsverboten und gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Insoweit ist anerkannt, dass Verfahrensfehlern, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommt (vgl. auch BVerfGK 7, 61
, 63). [9]
Es drohen nach Deutschen Recht Beweisverwertungsverbote, wenn Maßnahmen angewendet werden, die nicht mit dem Deutschen Grundgesetz kompatibel sind- daher sind auch hier wieder Probleme mit dem Deutschen GG zu erkennen- Maßnahmen, die bei der Beweisgewinnung als illegal gelten oder dem vom Bundesverfassungsgericht neu geschaffenen - und abgeleitet durch Art. 2 - kreierte Recht auf der Gewährleistung auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme widersprechen, sind unwirksam. Dies gilt insbesondere für den Kernbereich privater Lebensgestaltung, der aufgrund der Herleitung des Gerichtes auf Art. 1
und 2 GG
besonders geschützt ist.[10][11].."
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sexueller_Missbrauch_von_Kindern_(Deutschland)&action=history
Quellen: # BVerfG 2 BvR 2101/09
(1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 9. November 2010 (AG Bochum/LG Bochum)
# ↑ Prof. Dr. Bernd Heinrich:Beweisverwertugsverbote IV Schutz der Intimsphärevgl Amelung/Kercklhoff
https://docs.google.com/viewer?a=v&q=cache:C9NQL5gavfwJ:heinrich.rewi.hu-berlin.de/doc/stpo_2011/29-beweisverwertungsverbote-4.pdf+&hl=de&gl=de&pid=bl&srcid=ADGEESjcxTyTC3w-io0oSIowzV2J6a_OWqh79rWVtPMgxbFDMRJg6Xywdvrk1eKtoL7uGdgOw-q-g6HJA4W7uJCEtVo44feYXc-jfGOTNqT-Q6jgPqXZEMiJW6s8K1Z-W_hNDXhmDhL8&sig=AHIEtbQuVW_duaTpvK0B6vi4VJa_5dPN8g
Offensichtlich ist es daher so, dass bei Prüfung solchen Materials die StA die Herkunft klären muss.
Es ist ja wohl kaum so, dass ein pot. Täter anderen einfach so Daten übermittelt, diese sind dann, wenn ein Dritter davon erfährt, immer abgefangen worden.
Sehe ich dies in etwa so richtig ?
Habe ich sie si richtig verstanden ?
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass insbesondere im Bereich der ungeschriebenen Beweisverwertungsverbote diverse Theorien und Meinungen vertreten werden und noch nicht alles abschließend geklärt ist. Das von mir angesprochene Abwägungserfordernis beruht auf der so genannten 3-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts und bezieht sich hauptsächlich auf Eingriffe auf der 2.Stufe, also in die (einfache) Privatsphäre. Dagegen überwiegt bei Eingriffen in die Sozialsphäre (1.Stufe) regelmäßig das Interesse des Staates bzw. der Allgemeinheit an der Strafverefolgung, bei Eingriffen auf der 3.Stufe (Intimsphäre) dagegen regelmäßig die Interessen des Einzelnen, da jedem Bürger ein Kernbereich privater
Lebensgestaltung verbleiben muss (vgl. z.B. auch 100c Absatz 5 StPO).
Dies bedeutet m.E. aber nicht zwingend, dass bei durch Eingriff in die Privatsphäre gewonnenen, unverwertbaren Beweisen grundsätzlich ein Anfangsverdacht verneint werden muss, da sich ggf. aus den weiteren Ermittlungen auch weitere verwertbare Beweise erbringen lassen könnten (ein absolutes erweitertes Beweisverwertungsverbot wie z.B. in den USA ("fruit of the poisonous tree") gibt es im deutschen Rechtsystem nicht).
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen