Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt bestand an Ihrer Wohnung ein Nießbrauchsrecht zugunsten Ihrer Mutter.
Während des Bestehens dieses Nießbrauchsrechts hat Ihre Mutter als Nießbraucherin einen Mietvertrag mit dem Mieter abgeschlossen. Mit dem Tod Ihrer Mutter ist das Nießbrauchsrecht erloschen (§ 1061 BGB analog, da das Nießbrauchsrecht höchstpersönlich ist und nicht vererblich oder übertragbar).
2.
Mit dem Erlöschen des Nießbrauchsrechts fallen die Nutzungsrechte an der Wohnung wieder vollständig an Sie als Eigentümer zurück. Sie treten jedoch nicht automatisch als Vermieter in das bestehende Mietverhältnis ein, sondern werden durch das Erlöschen des Nießbrauchs und als Eigentümer Vermieter im Sinne des Mietrechts.
3.
Bezüglich eines Sonderkündigungsrechts nach dem Tod des Nießbrauchers ist die Rechtslage wie folgt:
Ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht für den Eigentümer nach dem Tod des Nießbrauchers sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor.
Der Mietvertrag, den Ihre Mutter als Nießbraucherin mit dem Mieter geschlossen hat, bleibt grundsätzlich auch nach dem Erlöschen des Nießbrauchs bestehen. Sie treten als Eigentümer in die Vermieterstellung ein und übernehmen damit alle Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Mietverhältnis (vgl. § 566 BGB analog, der den Eigentümerwechsel während eines laufenden Mietverhältnisses regelt).
Das bedeutet: Sie können das Mietverhältnis nur unter den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen kündigen.
Eine ordentliche Kündigung ist also nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und – sofern kein erleichterter Fall wie z.B. § 573a BGB (Zweifamilienhausregelung) vorliegt – unter Angabe eines berechtigten Interesses (z.B. Eigenbedarf nach § 573 BGB) möglich.
Ein Sonderkündigungsrecht, wie es etwa Erben nach dem Tod eines Mieters nach § 564 BGB zusteht, besteht für den Eigentümer nach dem Tod des Nießbrauchers nicht. Auch ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 580 BGB ist nicht einschlägig, da dieses auf den Tod des Mieters und nicht des Vermieters (bzw. Nießbrauchers) abstellt.
4.
Zusammengefasst:
- Sie treten als Eigentümer nach dem Tod Ihrer Mutter in die Vermieterstellung ein.
- Der Mietvertrag bleibt bestehen.
- Ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht steht Ihnen nicht zu.
- Sie können nur ordentlich kündigen, ggf. mit Eigenbedarf oder nach § 573a BGB, sofern die Voraussetzungen vorliegen.
5.
Sollten Sie Eigenbedarf geltend machen wollen, müssen Sie diesen im Kündigungsschreiben nachvollziehbar begründen. Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind einzuhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Sehr geehrter RA Raab,
vielen Dank schon mal für Ihr Rückmeldung.
Ich habe in § 1056 BGB eine Möglichkeit gesehen doch eine Kündigung durchzusetzen.
Da Sie den § 1056 BGB nicht angesprochen haben, bin ich mir nun nicht sicher ob dieser in meiner Konstellation zum tragen kommen könnte.
Danke schon mal für die Beantwortung der Nachfrage.
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
§ 1056 BGB regelt die Rechtsverhältnisse nach dem Erlöschen des Nießbrauchs, insbesondere im Hinblick auf Miet- und Pachtverhältnisse, die der Nießbraucher begründet hat. Nach § 1056 Abs. 1 BGB gilt:
Erlischt der Nießbrauch, so tritt der Eigentümer in die durch den Nießbraucher begründeten Miet- oder Pachtverhältnisse ein. Dem Eigentümer steht jedoch das Recht zu, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, wenn nicht die Fortsetzung des Vertrags nach den Umständen, insbesondere wegen einer vereinbarten längeren Dauer, der Billigkeit entspricht.
Das bedeutet: Sie als Eigentümer treten mit dem Tod Ihrer Mutter in das von ihr als Nießbraucherin begründete Mietverhältnis ein. § 1056 Abs. 1 BGB räumt Ihnen ausdrücklich das Recht ein, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, sofern nicht besondere Umstände (wie z.B. eine besonders lange vereinbarte Mietdauer) entgegenstehen.
2.
Ein Sonderkündigungsrecht im Sinne einer außerordentlichen Kündigung mit verkürzter Frist besteht nach § 1056 BGB nicht.
Sie können aber das Mietverhältnis ordentlich, also mit der gesetzlichen Kündigungsfrist, kündigen. Die Kündigung ist also nicht an einen besonderen Grund (wie Eigenbedarf) gebunden, sondern kann allein auf das Erlöschen des Nießbrauchs gestützt werden.
Allerdings ist die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten.
3.
Zusammengefasst:
§ 1056 BGB gibt Ihnen als Eigentümer nach dem Tod des Nießbrauchers das Recht, das von der Nießbraucherin begründete Mietverhältnis ordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, es sei denn, die Fortsetzung des Mietverhältnisses wäre nach den Umständen der Billigkeit entsprechend geboten (z.B. bei besonders langer Vertragsbindung).
Sie können sich also auf § 1056 BGB stützen und das Mietverhältnis ordentlich kündigen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt