Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage Ihrer Angaben im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten möchte:
Ein Zahlungsanspruch der Versicherung wäre grundsätzlich dann begründet, wenn ein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen wäre.
In Ihrem wurde Ihnen für die Zulassung des Fahrzeug zunächst eine vorläufige Deckung nach §§ 49 ff. VVG
gewährt. Damit soll der Versicherungsschutz bis zum endgültigen Zustandekommen des Hauptvertrags sichergestellt werden. Dieser Deckungsschutz ist - wie der Name schon besagt - aber eigentlich nur vorübergehend und endet normalerweise spätestens mit dem Zustandekommen des Hauptvertrags oder aber spätestens mit dem Zeitpunkt, mit dem der Versicherte mit der Zahlung der ersten Prämie für den Hauptvertrag in Verzug ist, § 52 Abs. 1 VVG
.
Ein wirksamer Vertrag über den vorläufigen Deckungsschutz dürfte nach Ihren Angaben zustande gekommen sein. Fraglich ist aber, ob im Anschluss an den vorläufigen Deckungsschutz auch ein wirksamer Hauptvertrag geschlossen wurde.
Da nach Ihrer Schilderung kein Vertragsformular zugeschickt wurde, könnte dies bedeuten, dass kein ordnungsgemäßer Hauptvertrag geschlossen wurde. Mangels Hauptvertrag wären dann für den Hauptvertrag auch noch keine Prämien fällig geworden Es hätte wahrscheinlich zunächst nur die vorläufige Deckung weiterbestanden.
Insoweit könnte man also zu dem Schluss kommen, dass mangels Hauptvertrag auch kein Zahlungsanspruch der Versicherung besteht und die jetzt geltend gemachte Forderung unbegründet wäre.
DAGEGEN spricht allerdings § 50 VVG
, der den Fall regelt, dass nach der vorläufigen Deckung kein Hauptvertrag zustande kommt.
Nach § 50 VVG
ist der Versicherte, dem eine vorläufige Deckung gewährt wird, verpflichtet, eine bestimmte Prämie zu zahlen, wenn der Hauptvertrag nicht zustande kommt und eine Prämienzahlungspflicht für die Zeit der vorläufigen Deckung vereinbart wurde. In den meisten Fällen wird eine solche Vereinbarung bei der Erteilung der vorläufigen Deckungszusage geschlossen oder die Prämienzahlungspflicht ist in den Bedingungen über den vorläufigen Deckungsschutz enthalten. Ob eine solche Vereinbarung auch bei Ihnen existiert, müsste natürlich noch geklärt werden.
Wäre bei Ihnen eine Vereinbarung geschlossen worden, dass beim Nichtzustandekommen des Hauptvertrags für die Zeit der vorläufigen Deckung dennoch Versicherungsbeiträge nach § 50 VVG
in Höhe der Beiträge des Hauptvertrags zu zahlen sind, wäre also u. U. ein berechtigter Zahlungsanspruch der Versicherung gegeben.
Hätte hier also tatsächlich die vorläufige Deckung 5 Jahre bestanden, weil durch einen Fehler der Versicherung kein Hauptvertrag geschlossen wurde, müssten also trotz des fehlenden Hauptvertrags u. U. doch für diesen Zeitraum die Prämien gezahlt werden. Ob aber tatsächlich über ca. 5 Jahre eine vorläufige Deckung bestehen kann, halte ich zumindest für fragwürdig. Hier ist also dringend eine tiefergehende Prüfung der genauen Umstände und des genauen Versicherungsverhältnisses angezeigt.
In diesem Zusammenhang wäre ggf. auch zu prüfen, ob nicht aus der unwidersprochenen Gewährung des Verdeckungsschutzes über einen Zeitraum von 5 Jahren ein Hauptvertrag als zustande gekommen unterstellt werden könnte. Auch dann wäre natürlich grundsätzlich ein Zahlungsanspruch der Versicherung gegeben.
Seltsam ist es m. E., dass der Fehler bei der Versicherung solange unentdeckt blieb. Insbesondere die fehlende Zahlung der Versicherungsprämien hätte der Versicherung eigentlich auffallen müssen. Ungewöhnlich ist auch, dass der Versicherungsschutz trotz der fehlenden Zahlungen solange wohl bestanden haben muss denn sonst wäre das Auto ja wegen fehlendem Versicherungsschutz stillgelegt worden. Hier besteht wahrscheinlich noch viel Klärungsbedarf.
Ein begründeter Zahlungsanspruch der Versicherung kann also derzeit nicht völlig ausgeschlossen werden, wobei sich die Zahlungspflicht für Sie entweder aus der vorläufigen Deckung oder aus einem Hauptvertrag ergeben könnte.
Sofern ein Zahlungsanspruch der Versicherung besteht, wäre ferner zu klären, ob wirklich noch eine Zahlung für die gesamten ca. 5 Jahre verlangt werden kann. Möglicherweise ist hier teilweise eine Verjährung eingetreten. Zahlungsansprüche der Versicherung unterliegen.wie andere Zahlungsansprüche grundsätzlich der Verjährung.
Seit der Reform des VVG im Jahr 2008/2009 richtet sich die Verjährung von Versicherungsbeiträgen nach den Verjährungsvorschriften des § 195 BGB
. Damit greift die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Davor richtete sich die Verjährungsfrist nach § 12 VVG
und die Verjährungsfrist betrug regelmäßig 2 Jahre. Da die Versicherung aber die Beiträge der letzten 5 Jahre fordert, könnte also in jedem Fall für einen Teil der Prämien bereits die Verjährung eingetreten sein, so dass Sie diese Prämien dann nicht zu zahlen hätten. Ob und ggf. für welche Prämienforderungen eine Verjährung eingetreten ist, lässt sich aber nur dann zuverlässig beurteilen, wenn die Forderungsaufstellung der Versicherung vorliegt und auch die übrigen Unterlagen eingesehen wurden.
Wegen des doch eher ungewöhnlichen Sachverhalts und der vielen offenen Fragen besteht also noch erheblicher Aufklärungsbedarf, bevor eine endgültige und zuverlässige Aussage dazu gemacht werden kann, ob die Versicherung überhaupt einen Anspruch auf die Zahlungen hat und wenn ja, in welcher Höhe. Derzeit kann die vorläufige Beurteilung nur dahin gehen, dass ein Zahlungsanspruch nicht völlig ausgeschlossen ist und die Forderung evtl. teilweise verjährt ist. Sie sollten daher die Angelegenheit dringend tiefergehend anwaltlich prüfen lassen, bevor Sie die volle Forderung begleichen oder mit der Versicherung in irgend welche Verhandlungen zur Zahlung treten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort einen ersten Überblick und eine Hilfe für das weitere Vorgehen geben.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
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